Debatte:
Debatte: Karpinski und Faecks streiten über Agentur-Verantwortung
Können und sollen Agenturen mehr Verantwortung für die Werbungtreibenden und deren Produkte übernehmen? GWA-Präsident Ingomar Faecks sagt "ja". KNSK-Chef Detmar Karpinski hält das für naiv. Hier sind ihre Argumente.
Erst vor kurzem hatten Foodwatch und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) den Stopp der EM-Kampagne von Coca-Cola gefordert: weil der Coke-Konzern Kinder zum Kaufen ungesunder Zuckergetränke verlocke.
Das war kein Einzelfall. Der Druck auf die Werbung wächst. Weitere Verbote drohen. Doch welche Rolle spielen dabei eigentlich die Agenturen? Können oder sollen sie mehr Verantwortung für die Werbungtreibenden und deren Produkte übernehmen? GWA-Präsident und Sapient-Nitro-Chef Wolf Ingomar Faecks sagt "ja"; der Verband überarbeitet derzeit seinen Codex. Detmar Karpinski - geschäftsführender Gesellschafter der Agentur KNSK und streitbarer Werber - lehnt dies kategorisch ab.
Wolf Ingomar Faecks' Forderungen an die Agenturen:
Mitdenken: Agenturen, die sich als Berater verstehen, sollten von der reinen Dienstleistungslehre abweichen und nicht einfach umsetzen, was der Kunde sich wünscht. Gerade in einem politischen Umfeld, das der Regulierung von Marketingkommunikation denkbar offen gegenübersteht, lastet eine besondere Verantwortung auf den Agenturen.
Mitgestalten: Kommunikation, die Anlass zu öffentlicher Kritik gibt, schafft auf Kundenseite keine Markenwerte. Positive
Effekte für die Marke des Kunden zu erzielen, ist aber schlicht das zentrale Nutzenversprechen einer Agentur.
Mitfühlen: Natürlich liegt eine Verantwortung auch bei den Unternehmen. Eine Zwiebelsuppe, in der keine Zwiebeln sind, schafft kein Markenvertrauen, sondern führt Verbraucher ebenso in die Irre wie die begleitende Werbung.
Mitverantworten: Nur starke Agenturen begründen ein Kundenverhältnis, das maximalen Nutzen für beide Seiten stiftet. Eine Beziehung, in der die Agentur auf die Rolle des willfährigen Erfüllungsgehilfen reduziert wird, ist für beide Seiten nicht effektiv und selten von Dauer. Also der klare Rat: Agenturen, übernehmt Verantwortung! Kunden, hört auf eure Agenturen!
KNSK-Chef Detmar Karpinski hält den GWA-Ansatz für "naiv":
Wie naiv: Der GWA möchte, dass Agenturen Verantwortung für die Produkte übernehmen, die sie bewerben. Das ist ehrenwert, das ist modern und das bringt sicher viel PR für den GWA und seinen Präsidenten. Aber leider ist es auch naiv.
Wie prüfen: Wie soll das praktisch aussehen? Wie soll eine Agentur prüfen, ob in dem von ihr beworbenen Joghurt tatsächlich 25 Prozent Erdbeeren drin sind? Sollen wir einen Lebensmittelchemiker einstellen? Wie soll sich eine Agentur von den Verbrauchswerten eines Automobils überzeugen? Indem wir uns teure Messgeräte zulegen oder eine Filiale in TÜV-Nähe gründen?
Wie lächerlich: In kaum einem anderen Land sind die Forderungen nach Anstand und Moral an Unternehmen so hoch wie bei uns. Das Ergebnis sind strengste Corporate-Governance- und Compliance-Regeln, die von den meisten Unternehmen mit größter Akribie und Transparenz gelebt werden. Ist es vor diesem Hintergrund nicht lächerlich, wenn der GWA sich auf Augenhöhe mit DAX-30-Unternehmen fühlt und ihnen zusätzlich noch einen Stempel aufdrücken will mit dem Text: "Geprüft von der Agentur Ihres Vertrauens!"
Wie wichtig: Eine Agentur kann nicht für die Produkte ihrer Kunden haften. Sie kann aber sehr wohl Verantwortung für ihr eigenes Produkt übernehmen, also für ihre Kreation. Wie wichtig das ist, haben wir gerade am Beispiel der skandalösen Wurstkampagne von Wiesenhof mit Atze Schröder gesehen.