Markenpolitik:
Das sagen Markenexperten zum Naketano-Aus
Spekulationen nach dem Markenselbstmord von Naketano: Wäre die Marke stark genug, um allein und ohne den Einzelhandel auszukommen?
Naketano ist für niemanden zu erreichen. Auf der Website gibt es nur noch eine Fax-Nummer, das Telefon ist dauerbesetzt. Pressemitteilungen oder Interviews - Fehlanzeige. Die Essener haben sich abgeschottet, nachdem Ende der vergangenen Woche bekannt wurde, dass die Millennial-Marke zum Jahresende 2018 aufhören will. Zum Leid der Fans, die den Kuschelpullovern und Strickjacken jetzt schon hinterher trauern.
Dabei stieg das Ergebnis stetig - 2015 auf 23 Millionen Euro. Immer mehr Einzelhändler nahmen die Marke in ihr Sortiment auf. Sie war der Liebling der Millennials, nicht nur weil sie auf Materialien wie echtes Leder verzichtete, sondern auch weil sie mit ihren Produktnamen gern auf einem schmalen Grad des guten Geschmacks balancierte. "Glitzermuschi" und "Dirty Bitch Yeah" heißen die Fleece-Pullis bezeichnenderweise.
2005 hatten Sascha Peljhan und Jozo Lonac die Marke gegründet. Laut "Textilwirtschaft", die aus einer Mail an die Einzelhändler zitiert, soll die Marke nicht verkauft werden. Die Branche mutmaßt, die Gründer hätten schlicht keine Lust mehr auf Naketano gehabt. Ein kurioses Phänomen - gerade weil Naketano sich jetzt auf dem Zenit ihrer Bekanntheit befindet. W&V hat Markenexperten befragt, wie sie diesen spektakulären Markenselbstmord einordnen.
"Aus Management-Sicht ist das nicht nachvollziehbar. Die Marke ist nachweislich extrem profitabel. Viele sehen ihr Naketano-Oberteil als Lieblingsstück an", staunt zum Beispiel Marken-Professor Franz-Rudolf Esch, der die eigene Markenberatung Esch the Brand-Consultants betreibt.
Naketano darf auf Umsatz-Boost hoffen
Kurzfristig werden die Umsätze bestimmt erst einmal mal steigen. "Gerade das mysteriöse Ende der Marke Naketano wird noch einige Zeit für Spekulationen sorgen und die Attraktivität der Marke zumindest kurzfristig erhöhen. Es ist durchaus möglich, dass der Umsatz bis zum Jahresende noch einmal stark ansteigt. Wenn es Naketano geschickt anstellt, werden die Produkte zu Ikonen aufsteigen", sagt Judith Meyer von der Markenberatung Brand Trust.
Meyer fügt hinzu: "Natürlich sind die Fans der Marke herb enttäuscht, es herrscht Unverständnis. Das höchste Gut einer Marke, das Vertrauen, wurde erschüttert." Positiv wertet sie hingegen: "Das Stillschweigen über den Ausstieg kreiert eine wahnsinnige Neugier und passt zu dem unkonventionellen Weg der Marke."
Warum die sexistischen Produktnamen so gut funktioniert haben, weiß Judith Meyer gut zu erklären. Abgrenzung heißt das Spiel. "Wer die Produktnamen nicht zumindest belustigend findet, ist einfach nicht die Zielgruppe und wird bewusst abgestoßen. Die starke Abgrenzungswilligkeit der Marke schafft eine sehr enge Markengemeinschaft von treuen Fans, die den Witz der Marke verherrlichen."
Kann Naketano auf den Großhandel verzichten?
Der Einzelhandel, der nun eine saftige Cash-Cow ziehen lassen muss, hat das Nachsehen. Denn Meyer hält einen Neustart der Marke Naketano durchaus für denkbar. Und dieser ginge womöglich auch ganz ohne den Großhandel.
"Die Verhandlungsmacht liegt hier ganz klar auf Endkundenseite – der Kunde diktiert die Distributionsorte." Das Label könne auch via Onlineshops ohne Zwischenhändler vertrieben werden. "Ein Neustart mit suggerierter Exklusivität durch eine selektive Distribution" hält Meyer durchaus für möglich.
Ein riskantes Unterfangen, denn die Fanbasis muss schon ziemlich stark sein, um diese Entscheidung der Markengründer mitzutragen. Franz-Rudolf Esch sieht das zumindest mal skeptisch: "Die zarte Pflanze Naketano hat gerade erst eine hochattraktive Nische gefunden. Die Positionierung als Marke für das Lieblingsstück funktioniert sehr gut. Aber das Modegeschäft ist ein recht schnelllebiger Markt. Eine Marke, die gerade noch glänzt, kann von einer anderen mit einem außergewöhnlichen Versprechen sofort wieder in den Schatten gestellt werden."
Könnte das trotzdem klappen - die Markenkleidung nur noch allein über den eigenen Onlineshop zu verkaufen? Der Einzelhandel ist in vielerlei Hinsicht für eine Modemarke unverzichtbar.
"Im Modevertrieb ist das haptische Aussuchen ein sehr starker Kaufimpuls. Auch Spontankäufe können die Kunden dann nicht mehr tätigen," sagt Esch. Und online seien dann Schnäppchenkäufe über Brands4friends oder ähnliche Portale nicht mehr möglich. Sein Fazit: "Man muss sich seiner Fans schon sehr sicher sein, wenn man sich diese ganzen Vertriebsmöglichkeiten nimmt."
Verkauf wäre der Königsweg
Zwar haben die Gründer in ihrer Mail an die Einzelhändler ausgeschlossen, dass sie verkaufen werden, aber Franz-Rudolf Esch hält diesen Weg für den gangbareren, sollten die Markenschöpfer tatsächlich keine Lust mehr auf ihre Marke haben.
Allerdings: Wenn man als Gründer Wert auf den erarbeiteten Markenwert legt, müsse er Zeit mitbringen, um sich einen Partner zu suchen "mit dem bestmöglichen Fit, den passenden Werten und einer vernünftigen Markenführung anderer Marken seines Portfolios."