Junge Zielgruppen:
Das erste Smartphone im Leben ändert alles
Zwei neue Studien nehmen das Mediennutzungsverhalten von Jugendlichen unter die Lupe. Fazit: Social Media ist für sie mehr als Entertainment - und klassische Medien haben nicht ausgedient.
Das Mediennutzungsverhalten von Kindern und Jugendlichen wird intensiv erforscht. Jetzt gibt es gleich zwei neue Studien, die die junge Zielgruppe unter die Lupe nehmen. Die Arbeitsgemeinschaft Videoforschung (AGF) legt die GenZ Videostudie vor, die im Februar und März 2020 zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Kantar entstand. Rund 5100 Fälle wurden dafür ausgewertet – "AGF GenZ ist damit eine der umfangreichsten Studien, die in den vergangenen Jahren in Deutschland zu diesem Thema durchgeführt worden ist", sagt Kerstin Niederauer-Kopf, Vorsitzende der AGF Geschäftsführung.
Dabei kam zutage, dass 90 Prozent der Drei- bis 17-Jährigen täglich bewegten Content nutzen. Ob lineares Fernsehen oder Online-Video, ist ihnen egal. Wichtig ist vor allem das Gemeinschaftserlebnis, ob nun mit den Eltern oder mit Freunden. Dabei entfällt bei den Drei- bis 13-Jährigen knapp die Hälfte der Nutzung auf TV-Inhalte, bei den 14- bis 17-Jährigen ist es noch mehr als ein Drittel.
Ab elf Jahren wird man zum Streamer
Der Anteil der Streaming-Nutzung steigt ab elf Jahren, also ab dem Zeitpunkt, an dem die Kinder in der Regel ihr eigenes Smartphone bekommen und in weiterführende Schulen wechseln. Über 80 Prozent konsumieren dann das lineare Fernsehprogramm in Kombination mit Streaming-Angeboten (VoD).
Werden die Jugendlichen älter, steigt der Anteil von "Only-Streaming" von zehn auf 15 Prozent (14 bis 17 Jahre). Bei den Lieblings-Apps für Videos liegt in allen Alterssegmenten YouTube klar vor Netflix. Einzige Ausnahme: Bei den Zehn- bis 13-Jährigen hat sich TikTok bereits auf den zweiten Platz vorgeschoben. Im Kindersegment bis zehn Jahre finden sich unter den Top 5 der Plattformen auch die öffentlich-rechtlichen Angebote Kika und die "Sendung mit der Maus".
Tschüs Comics, Hallo Influencer!
Zu den Helden der Kleinen zählen bei den Jungs unter anderem Paw Patrol, Sam oder Spiderman. Bei den Mädchen liegt die Eiskönigin weit vorne, aber auch Ladybug und Peppa Pig stehen hoch im Kurs. Mit dem Schulwechsel ändert sich das dann: Statt Comicfiguren, Tieren oder Fahrzeugen richtet sich das Interesse verstärkt auf reale Personen. Ab diesem Zeitpunkt gewinnen auch die Influencer aus dem Netz an Relevanz und rücken auf Rang zwei vor. Jungs zwischen 14 und 17 Jahren orientieren sich hierbei am stärksten an prominenten Sportlern, Mädchen an den Protagonisten aus Sendungen, Serien oder Comics.
Auf welcher Plattform Bewegtbild genutzt wird, hängt auch von den Inhalten ab. So sammelt die Hälfte der Kinder im Alter bis Sechs maßgeblich über TV-Content ihre ersten Nutzungserfahrungen mit YouTube. Bei den Kindern im Vorschulalter werden Formate mit den TV-Helden wie Paw Patrol, Peppa Pig oder auch das Sandmännchen am häufigsten gesehen.
Im Grundschulalter entdecken Jungs ihre Leidenschaft zum Gaming, während Mädchen dem klassischen TV-Content wie Trickfilme oder Serien treu bleiben. Ab dem elften Lebensjahr stehen bei den Jungs Online-Videos an der Spitze des Bewegtbildkonsums, an zweiter Stelle rangieren humorvolle Inhalte wie Komödien oder witzige Onlinevideos. Die Mädchen zwischen elf und 13 Jahren mögen ebenfalls Online-Videos am liebsten, bei den 14- bis 17-Jährigen sind es dann Musikvideos und Clips.
Wie finden Jugendliche Corona-Initiativen?
Einem anderen Faktor hat sich die repräsentativen Postbank Jugend-Digitalstudie 2020 gewidmet, für die 1000 Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 Jahren befragt wurden. Hier ging es in erster Linie darum, wie Corona-Initiativen wie #WirBleibenZuhause oder #AllefürAlle von den Jugendlichen wahrgenommen werden – und auf welchen Plattformen.
Fazit: Die Social-Media-Kampagnen sind in der jungen Zielgruppe beliebt. Mehr als die Hälfte der 16- bis 18-Jährigen hat eine solche Aktion bereits geliked, geteilt oder kommentiert. Darauf aufmerksam werden sie besonders durch YouTuber und Instagrammer: 53 Prozent liken oder teilen eine Initiative, wenn der Absender im Netz populär ist.
Wichtig: der Zusammenhalt
Die Corona-Kampagnen vermitteln den Jugendlichen vor allem ein Gefühl von Zusammenhalt. Das sagen zumindest zwei Drittel der 16- bis 18-Jährigen. 58 Prozent schätzen derartige Social-Media-Initiativen außerdem für ihren Informationsgehalt, 56 Prozent wurden durch sie erst auf den Ernst der Lage aufmerksam.
In Sachen Reichweite stechen zwei Kanäle besonders hervor: WhatsApp und YouTube. Jeweils 86 Prozent der Befragten nutzen diese Netzwerke. Bei Instagram sind es zehn Prozentpunkte weniger. Dahinter folgen Snapchat (56 Prozent) und TikTok (27 Prozent).
Die klassischen Medien haben dennoch nicht ausgedient. Auf sie setzen die Teenager insbesondere, wenn es um aktuelle Nachrichten und Meinungsbildung geht. So vertrauen 59 Prozent auf die Online-News von seriösen Medien wie Spiegel oder ARD - sechs Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Darüber hinaus verlassen sich 46 Prozent auf die Berichterstattung von Tageszeitungen und Wochenzeitschriften. Immerhin 45 Prozent halten Fernsehbeiträge für vertrauenswürdig.
Soziale Medien: Auch die Jugend ist kritisch
Soziale Medien schneiden hier deutlich schlechter ab: Nur jeder Vierte hat bei YouTube-Clips keinerlei Bedenken. Beiträge auf Instagram stellen zwölf Prozent nicht infrage. Bei Twitter-Posts sind es sogar lediglich sechs Prozent und bei Facebook drei Prozent.
"Fake News oder Hass-Postings gehören zu den Schattenseiten der sozialen Medien. Den Jugendlichen sind diese Probleme durchaus bekannt. Sie reagieren darauf, indem sie Beiträge infrage stellen und den klassischen Medien mehr Vertrauen schenken", sagt Thomas Brosch, Chief Digital Officer der Postbank. Da sie aber mit Social Media aufgewachsen seien, würden sie auf deren Vorteile nicht verzichten wollen. Und: Soziale Medien bieten nicht nur Unterhaltung und Informationen, sondern auch die Möglichkeit, sich mit Freunden und Bekannten darüber auszutauschen. "Gerade für Jugendliche war das in den vergangenen Monaten wichtig, da sie ihre sozialen Kontakte wegen Corona nicht wie gewohnt pflegen konnten."