Kolumne:
Das New Normal bleibt auch künftig ganz normal
Nico Lumma und Christoph Hüning vom Next Media Accelerator beschäftigen sich mit Themen, über die man im Laufe der Woche sprechen sollte. Diesmal: Unternehmen müssen Veränderungen langfristig beibehalten
Für die Aktionäre von Firmen wie Lufthansa oder Airbus startete die letzte Woche mit einem ordentlichen Kurssprung, während zuletzt stets gefeierte Tech-Werte wie Peloton oder Zoom massive Kurseinbrüche zu verzeichnen hatten. Der Grund dafür war die Meldung von Biontech und Pfizer, dass ein Durchbruch bei der Erforschung eines Impfstoffes gegen COVID-19 erzielt werden konnte.
An diesen Bewegungen der Aktienkurse können wir die Sehnsucht vieler Menschen ablesen, dass bald nicht nur die Pandemie endlich vorbei sein könnte, sondern vor allem auch unser Alltag wieder so sein wird wie vor dem Ausbruch der Pandemie - Reisen und Fliegen inbegriffen.
Das ist allerdings ein Irrglaube. Das Büro wird nie wieder so sein wie früher, das flexible Arbeiten hat sich in weiten Teilen durchgesetzt. Wir werden hoffentlich weiterhin zoomen anstatt für einzelne Meetings durch die Republik zu reisen, wir werden weiterhin während der eigentlichen Arbeitszeit auch mal Sport treiben, einen Spaziergang machen oder kurz Netflix gucken, wenn wir meinen, dass uns das weiterhilft. Und die Arbeitgeber müssen sich darauf einstellen, dass Arbeitnehmer:innen die Flexibilität, die heute von ihnen verlangt wird, auch zukünftig einfordern werden. Ganz bestimmt ist das auch sinnvoller, als die überfällige politische Diskussion um ein Recht auf Homeoffice abzuwarten.
Die Veränderungen dieses Jahres sind nachhaltig und zwar mit Auswirkungen auf alle Bereiche. Warum sollten wir plötzlich unseren Medienkonsum wieder verändern, wenn es doch mit Streaming-Angeboten dieses Jahr ziemlich gut geklappt hat und diese sich sogar auf neue Nutzungsszenarien einstellen? Warum sollten wir wieder zeitfressende Meetings machen anstatt uns mal eben via Slack oder Teams abstimmen? Unternehmen, die dieses Jahr nicht genutzt haben, um ihre Arbeitsweisen nachhaltig zu verändern, werden nächstes Jahr sehen, dass innovativere Marktbegleiter viel besser in der Lage sind, sich auf Veränderungen einzustellen. Einfach nur endlich alle Mitarbeiter:innen mit Laptops auszustatten reicht nicht mehr, wenn ansonsten die Prozesse nur stumpf von analog zu digital gewandelt werden. Wir werden alle digitaler leben und arbeiten, das müsste 2020 nun wirklich jede:r verstanden haben.
Wir haben Anfang des Jahres in die Firma Moderne investiert, nicht weil wir wussten, dass sich dieses Jahr alles verändern wird, sondern weil wir davon ausgegangen sind, dass sich der kollaborative kreative Prozess in Agenturen verändert, je mehr Teams interdisziplinär und an unterschiedlichen Standorten zusammenarbeiten. Ebenso haben wir Anfang des Jahres in Yieldpass investiert, weil wir davon ausgegangen sind, dass sich die digitalen Angebote von Medienhäuser weiter durchsetzen werden, da immer weniger Menschen morgens auf Papier die Nachrichten vom Vortag lesen wollen. Yieldpass hilft Website-Betreibern dabei, mehr Geld zu verdienen, indem 24/7 überprüft wird, ob alle Werbemittel einwandfrei funktionieren, und das vollautomatisch. Unsere Beteiligung Sceenic musste viele Jahre lang immer wieder erklären, warum Menschen gemeinsame Live-Events dezentral per Video erleben wollen. Dieses Jahr müssen sie das nicht mehr erklären, stattdessen schaffen sie mit Kunden wie BT Sports oder dem niederländischen Sender NPO gemeinsame Fußball-Erlebnisse in Zeiten von Lockdown und Kontaktbeschränkungen.
2020 hat sich die Digitalisierung beschleunigt, sogar in Deutschland. Es ist also nicht alles schlecht dieses Jahr - auch wenn wir uns wünschen, dass 2021 insgesamt besser wird!