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Daniel Steil: "Die Huffington Post ist ein Marathon"
Die deutsche Huffington Post bekam schon vor ihrem Launch Gegenwind zu spüren. Chefredakteur Daniel Steil stellt sich im Gespräch mit W&V Online der Kritik und zieht eine erste Bilanz nach den ersten sechs Wochen.
Schon lange bevor die Huffington Post nach Deutschland kam, formierte sich Kritik an dem Nachrichtenportal. Auch nach dem Start blieb sie nicht aus. Blogger beschwerten sich öffentlich über die schlechte Betreuung durch die Redaktion. Daniel Steil, der bis zum Antritt von Sebastian Matthes Chefredakteur ist, stellt sich im Gespräch mit W&V Online der Kritik und zieht eine erste Bilanz nach den ersten sechs Wochen.
Herr Steil, seit dem Launch der deutschen Huffington Post gab es immer wieder Kritik an dem Blogger-Konzept, nicht zuletzt von den Bloggern selbst. Einige fühlten sich nicht gut betreut und äußerten ihre Kritik im Netz. Der HuffPo warfen sie vor, zu wenig mit ihnen zu kommunizieren, teilweise gab es wohl keine Rückmeldung von der Redaktion und keine Infos über den Veröffentlichungstermin. Was ist da los?
Wir wurden von Bloggern überrannt und sind am Anfang nicht hinterher gekommen. Dieser Ansturm hat uns riesig gefreut und gleichzeitig auch überrascht. Bei sehr wenigen Bloggern war die Freude nicht so groß, weil wir ihnen mit Verspätung geantwortet haben oder es etwas dauerte, bis wir ihren Blogbeitrag veröffentlichten. Inzwischen schreiben über 400 Blogger regelmäßig für uns und zu Beginn hatten wir einen Mitarbeiter für die Blogger-Betreuung. Inzwischen sind es drei und wir können den Bloggern innerhalb von 24 Stunden eine Rückmeldung geben. Wir stellen derzeit ungefähr 25 Blogger-Beiträge pro Tag online. Das ist weit mehr, als wir geplant hatten.
Anhand des Blogger-Index kann man erkennen, wie die Klickzahlen der einzelnen Beiträge sind und wie stark oder schwach die Texte im Social Web geteilt werden. Da gibt es zwar Ausreißer mit fünfstelligen Klickzahlen, aber viele krebsen eher bei ein paar Hundert Klicks herum. Dafür, dass die Reichweite die einzige Bezahlung für die Blogger ist, teilweise recht wenig.
Leute wollen veröffentlichen, an einer Diskussion teilnehmen oder eine anstoßen. Die Frage nach dem Gegenwert für die Veröffentlichung hat uns noch niemand gestellt. Das scheint eher Medien-Experten-Denke zu sein. In unserem Alltag spielt sie keine Rolle. Bei Artikeln mit einer sehr spitzen Zielgruppe ist es selbstverständlich, dass man weniger Leser erreicht. Aber wenn Sie für die Huffington Post schreiben, dann haben Sie schon durch das Umfeld automatisch eine höhere Aufmerksamkeit. Außerdem gibt es Beiträge wie "Sind die Österreicher die neuen Griechen?" von dem österreichischen Journalisten Wolfgang Ainetter. Dieser Text gehörte 48 Stunden lang zu den meistgelesenen auf unserer Seite und schaffte es sogar in die Top-100 der HuffPost weltweit. Mit fünf Artikeln waren wir bereits in dieser Liste und die Schlagzahl wird höher. Auch der Social Traffic entwickelt sich erfreulich. Am vergangenen Wochenende machte er fünf bis sechs Prozent aus.
Searchmetrics hat für uns die Visability der deutschen Huffington Post im Social Web ausgewertet und kam zu dem Ergebnis, dass die Marke in sozialen Netzwerken zwar angekommen ist, allerdings von der Online-Community noch nicht wirklich als etablierter Player wahrgenommen wird.
Sie müssen sehen, dass wir ein neues Produkt auf dem Markt sind. Das ist kein 100-Meter-Lauf. Die Huffington Post ist ein Marathon. Wir müssen die Seite nun Schritt für Schritt bekannter machen. Mit Hilfe von Social Media, mit eigenen Geschichten und mit unserem Blogger-Netzwerk. Beim Traffic, bei den Umsätzen, bei allen Indikatoren, die wir zum Start für uns definiert haben, liegen über unseren Erwartungen.
Sie haben ja ein sehr kleines Team. Wie viele eigene Geschichten kann das denn überhaupt recherchieren und schreiben?
Insgesamt haben wir täglich 70 bis 80 Geschichten, 10 bis 15 davon eigene Geschichten, 15 bis 25 von Bloggern. Wir haben ja eine schier unendliche Zahl potenzieller Themen im Netz und unsere Blogger liefern uniquen Content.
Wie sieht die Blogger-Betreuung konkret aus?
Alle Texte werden von Redakteure gelesen bevor sie auf die Seite gehen. Rechtschreibfehler und offensichtliche Fehler werden korrigiert, außerdem kontrollieren wir sie auf links- und rechtsradikale Inhalte. Falls wir hier auch nur Ansätze finden, lehnen wir sie ab. Das kam auch schon vor.
Werden die Texte, abgesehen davon, weiter inhaltlich überarbeitet?
Wir ändern schon mal – in Rücksprache mit dem Blogger - die Zeile über dem Artikel, wenn wir glauben, dass er dann mehr Leser anspricht. Aber wir gehen nicht inhaltlich an die Themen heran. Wir geben mal einen Ratschlag, aber nicht sehr oft. Die Blogger können diese Beratung aber in Anspruch nehmen, wenn sie wollen.
Das bedeutet, Texte wie "Warum ich nicht mehr für die Huffington Post schreibe" wird es in Zukunft nicht mehr geben?
Das ist wie in einer Ehe. Da hat man eine Auseinandersetzung mit seinem Partner und der verspricht, die Zahnpasta künftig nicht mehr auf der Glasablage unter dem Badezimmerspiegel liegen zu lassen. Das funktioniert dann 14 Tage und danach passiert es vielleicht wieder einmal. Das könnte uns auch passieren. Wir versuchen, Erwartungen zu erfüllen. Aber die Erwartungen ändern sich und wir werden nicht allen entsprechen. Das positive an Beschwerden ist doch, dass sich die Leute mit der Seite beschäftigen und das sie engagiert sind. Viel schlimmer wäre es doch, wenn ihnen die Huffington Post egal Wäre. Beschwerde ist Kritik, und Kritik ermöglicht Verbesserung.
Und wie sieht es mit der Kritik des DJV aus, der die fehlende Bezahlung der Blogger kritisiert?
Cherno Jobatey hat sich gerade am Wochenende in Berlin dem DJV gestellt und dort alle Fragen beantwortet, nichts blieb mehr übrig. Allerdings konnte da ein Missverständnis aufgeklärt werden. Der DJV kritisiert grundsätzlich und auch zu recht, wenn freie Mitarbeiter kein Honorar bekommen. Die HuffPo hat aber keine freien Mitarbeiter. Es wurden 15 Stellen geschaffen, die über Tarif bezahlt werden.
Wenn es, wie Sie meinen, nur um Verständnis geht, hätten Sie dann nicht vielleicht schon vor dem Start mehr Eigen-PR gebraucht, um das Produkt zu erklären?
Wir hatten im Vorfeld viele Gespräche. Aber da startet etwas Neues in Deutschland und das wird erst einmal kritisiert. Man kann es aber auch so sehen: Wir investieren in Journalismus. 2014 wird es weitere - bezahlte - Stellen geben. Wo gibt es das denn noch in der deutschen Medienlandschaft? Wir werden neue Leute einstellen.
Ein Neuzugang steht ja schon länger fest: Sebastian Matthes wird Chefredakteur, Sie vertreten ihn, bis er die "Wirtschaftswoche" verlassen kann. Gibt es da schon einen Zeitpunkt?
Wir freuen uns sehr, dass Sebastian Matthes am 1. Dezember bei der Huffington Post startet.