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Content is King: Mipcom wird zur Messe der Produzenten
"Es wird immer mehr eine Fernsehmesse der Produzenten": So lautet die Bilanz des Mainstream-Media-Chefs Gottfried Zmeck zur Mipcom 2015.
Über ProSieben Sat.1 ist auf der Mipcom in Cannes in dieser Woche nur getuschelt worden. Das große Format-Debakel bei Sat.1 stand im Vordergrund, verknüpft mit der Frage, wer dafür wohl die Verantwortung übernehmen würde. Seit Mittwoch ist klar, dass Nicolas Paalzow den Schwarzen Peter einsteckt und seinen Hut nimmt. Er war einer der Messebesucher, nach dem man sich an der Croisette vergeblich umsah.
Richtig groß von sich reden machte dagegen - RTL: Der Kölner Sender wagt im Bereich Fiction einen enormen Vorstoß. Zusammen mit Jan Mojtos Beta Film sind die Kölner bei den beiden Großprojekten "Hitler" (zehnteilige Serie) sowie beim Remake von "Winnetou" (hier arbeitet die Produktionsfirma Ratpack erstmals nicht mehr mit ProSiebenSat.1 zusammen) mit an Bord. Mojto steigt groß in die Produktion von High-End-Programmen ein und kündigt für dieses Jahr insgesamt 30 Stunden "feinsten Stoffes" an. Tendenz steigend. Für 2017 sind bereits 48 Stunden geplant - zu Kosten à zwei Millionen Euro. Mit diesem Budget sollen dann beispielsweise Fantasy-Dramen wie "Der Krieg der Zwerge" (das Drehbuch stammt vom ”Game of Thrones“-Autor Frank Doelger), der Politthriller ”Breaking News“ nach einer Romanvorlage von Frank Schätzing oder auch ein Mehrteiler über die Entstehung der ökologischen Bewegung in den 80er Jahren entstehen.
Einen anderen starken Partner hat sich RTL für die Produktion "Deutschland 83" gesucht: UFA Fiction hat die Serie für die Kölner realisiert, die bereits in 20 Länder verkauft wurde. Die achtteilige Eventserie wird vom 26. November an auf RTL ausgestrahlt. In den USA war die deutsch-deutsche Spionagegeschichte mit Jonas Nay bereits zu sehen. Und UFA Fiction gehört zu den gefragten Verkäufern dieser Fernsehmesse.
Fiktionales Fernsehen aus Deutschland hat sich auf der weltgrößten Messe für TV-Programme überhaupt als Verkaufsschlager erwiesen: Deutschland sei als Partner für internationale Koproduktionen wesentlich attraktiver geworden, sagt etwa UFA-Lenker Nico Hofmann. Auch die Kölner MMC Movies und einer der führenden unabhängigen US-Produzenten, Moonstone Films, verständigten sich in Cannes auf eine strategische Partnerschaft für den weltweiten Markt.
Und RTL zeigt sich kreativ bei der Beschaffung neuer Formate. Der Sender hat hohen Bedarf an Procedurals, also Stoffen mit abgeschlossenen Handlungen. Daher haben sich die Kölner mit den französischen Kollegen von TF1 sowie NBC Universal zu einer kreativen Allianz mit dem Arbeitstitel Trinity zusammengeschlossen. Ein einmaliges Vorhaben. Die Kreativen von NBC Universal haben ein hohes Maß an Erfahrung mit Procedurals. Ob sich daraus ein, zwei oder drei Stoffe ergeben, wird man erst sehen, sagt Vox-Chef Bernd Reichart, der sich für die Sendergruppe in Cannes mit den Kollegen trifft, um an die Projekte voranzutreiben. Fiction ist offenbar auch Reicharts großes Steckenpferd. Bei Vox läuft im November die erste eigenproduzierte Fiction-Serie "Der Club der roten Bänder an". Ohne eigene Serienabteilung im Haus, hat sich Reichart des Projekts selbst angenommen. Sollte die erste Staffel ein Erfolg werden, würde man natürlich eine zweite anschließen wollen. Auch weitere eigenproduzierte Fiction-Serien wären dann denkbar, lässt der Vox-Boss durchblicken.
"Es wird immer mehr eine Fernsehmesse der Produzenten", sagt Mainstream-Media-Chef Gottfried Zmeck. Motto: Inhalt vor TV-Sender. Ein Trend, den er seit ein paar Jahren beobachtet. Noch vor fünf Jahren sei kaum ein Produzent in Cannes zu sehen gewesen. Heute würden sie hofiert, auch angesichts der Tatsache, dass neue Player in den Markt gekommen sind, wie der Streamingdienst Netflix. Hier habe sich die Aufregung der letzten beiden Jahre gelegt, so Zmeck. Im Gegenteil: Es sei sogar Ernüchterung eingetreten.
Woran liegt es? Unter anderem daran, dass die "Newcomer" immer mehr selbst produzieren. Netflix feierte bereits Erfolge damit wie bei "House of Cards". Andere ziehen nach, darunter Vimeo. Die Video-Plattform kündigte in Cannes die ersten Eigenproduktionen an: "The Outs", Webserie von Adam Goldman und Sasha Winters, "Darby Forever" ein Kurzfilm von TV-Shooting-Star Aidy Bryant und Bianca Del Rios "Rolodex of Hate: Live from Austin", Vimeos erstes Standup-Comedy-Special. Alle drei "Vimeo Originals" sollen in diesem Winter auf Vimeo-On-Demand ihre Premiere feiern.
Die Messe geht am heutigen Donnerstag zu Ende.
lip/dpa