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Conleys: Die coolen Rosinenpicker des Modehandels
Auf der Suche nach neuen, stylishen Modemarken reisen die Macher von Conleys um die Welt. Der ständige Sortimentsaustausch schafft aber auch Probleme: Auf Facebook häufen sich die Beschwerden über Lieferschwierigkeiten.
Schon mal daran gedacht, ein fliegendes Luftkissenfahrzeug zu kaufen? Oder einen Schwerelos-Flug in einer russischen Ilyushin? Nein? Dann wollten Sie aber bestimmt schon immer mal in einer aufblasbaren Kirche heiraten. Und natürlich an nachgeahmten Flossen einer Wasserschildkröte durch den Ozean gezogen werden. Sie ahnen es sicher: Das alles gibt es nach ein paar Klicks im Internet zu haben.
„Cool Stuff“ nennen die deutschen Macher um Stephan Schneider (unten rechts im Bild) und Sven Hansen (links) ihr ungewöhnliches Sortiment auf conleys.de, einem Online-Shop, der aus dem gleichnamigen Mode-Katalog hervorgegangen ist und heute, 15 Jahre nach dem Start, fünf Millionen Seitenabrufe monatlich generiert. Der spacige Hovercraft-Flieger ging zwar bisher nicht weg – immerhin würden dafür läppische 200.000 Euro fällig –, aber die aufblasbare Kirche für 39.000 Euro fand schon ein paar Käufer.
Doch Schneider und Hansen geht es gar nicht in erster Linie um den Absatz solcher Produkte, vielmehr wollen sie damit deutlich machen, dass es sich bei Conleys um ein originelles Sammelsurium handelt. Die beiden bezeichnen sich gerne als „Rosinenpicker“. Was bedeutet, dass sich unter den Hunderten von Modemarken, die sie online und im Katalog versammeln, viele persönliche Entdeckungen der Scouts befinden, die weltweit auf der Suche nach jungen Labels sind. Dazu kommen starke Marken, die für Menschen um die 35 einen guten Klang haben, darunter 7 For All Mankind, Diesel oder Scotch & Soda. Den exotischen Touch unterstreichen die mit ironischen Texten unterlegten Modefotos. Jeder Katalog hat ein anderes Länderthema: „Wir shooten in Brasilien, den USA, Vietnam oder auch mal Bhutan oder Botswana, gehen auf Storecheck in New York, L.A. und Tokio“, sagt Schneider. „Alles was wir cool finden, versuchen wir in den Shop zu bringen.“
Klingt nach einem Konzept, das prima in der weiten Einkaufswelt der Otto Group mit ihren zahlreichen Online-Tochterfirmen heimisch sein könnte. Ist es aber nicht: Seinen Ursprung nahm der kosmopolitische Ansatz von Conleys in der ganz und gar erdverbundenen Werbeartikelfirma von Schneiders Vater. 1965 gründete der die Schneider Versand GmbH und begann damit, Prämienprodukte und Werbegeschenke für kleine und mittelständische Unternehmen zu produzieren. Seit zehn Jahren sieht sich das Unternehmen als Marktführer in Europa. 2005 verkaufte Heiner Schneider sein Unternehmen an die Beteiligungsgesellschaft Barclays Private Equity, seit 2010 gehört das Versandhaus mehrheitlich dem englischen Finanzinvestor Silverfleet Capital.
Die Holding Creatrade bündelt den traditionellen Werbeartikelversand sowie die Online-Shops Conleys, Impressionen, Discovery und Gingar. 250 Millionen Euro setzt Creatrade pro Jahr um, ein Drittel davon bringt das alte Stammgeschäft ein. Conleys ist mit dreißig Mitarbeitern derzeit für 45 Millionen Euro jährlich gut. Die hält Stephan Schneider für ausbaufähig. Internationale Expansion? „Definitiv. Aber gut Ding will Weile haben“, sagt er. Erst einmal stünde „die Verbesserung unserer Shopqualität“ im Vordergrund, nachdem im vergangenen Jahr „mit großem Erfolg unsere Onlinemarketing-Aktivitäten stark ausgebaut“ wurden.
Verbessert werden muss nach Meinung vieler Kunden allerdings auch die Servicequalität. Auf der Facebook-Seite von Conleys häufen sich die Beschwerden über lange Lieferzeiten und fehlende Produkte schon kurz nach Auslieferung des Katalogs. Auch die Versandkosten in Höhe von 6,95 Euro stehen in der Kritik. Kunde Olaf Bast etwa schreibt: „Bin ganz schön frustriert.... !!!! Regelmässig mache ich die Erfahrung, dass Artikel nicht lieferbar sind, oder erst sehr spät geliefert werden. Das kann/muss besser werden, sonst habt ihr einen Kunden verloren!“ Die offizielle Reaktion von Conleys bei einem ähnlichem Posting: „Da wir häufig neue Produkte in unser Sortiment aufnehmen, ist es trotz moderner Dispositionssysteme schwer, die benötigten Mengen richtig einzuschätzen. Einige Artikel sind so beliebt, dass selbst wir gelegentlich von der Nachfrage überrascht werden!“
Aufgrund der hohen Retourenquote – ein traditionelles Problem bei Modeversendern – rechnet Conleys mit der zurückgehenden Ware von Kunden, kommt dabei aber terminlich offenbar öfters in die Bredouille: Rücksendungen und Neubestellungen passen zeitlich eben nicht immer zusammen.
An der hohen Zahl neuer Produkte pro Katalog will Schneider dennoch nichts ändern. Im Gegenteil: Seit diesem Jahr erhalten Männer ihren eigenen Katalog, „mit großem Erfolg“, wie Schneider betont. Bisher waren ihnen stets nur einige Seiten im Hauptkatalog gewidmet. Zusammen mit einem Kundenmagazin und einigen Folgekatalogen für die jeweilige Saison kommt Conleys derzeit auf 14 Anstöße pro Jahr. Die Gesamtauflage der Printprodukte liegt bei rund fünf Millionen Exemplaren.
Taxifahrer haben eben oft doch die besten Ideen: Der Legende nach kam Schneider Anfang der neunziger Jahre während eines Gesprächs mit Jack Conley, seines Zeichens stolzer Cab Driver in New York, darauf, den Modehandel um „einen exklusiven Sortimentsmix mit Ecken und Kanten“ zu erweitern.