
DynaSummit:
CRM - die Lösung für die Daumenschrauben der EU-Datenschutzregeln
Die Kundengewinnung über Targeting wird durch härtere EU-Datenschutzregeln stark erschwert. Pia-Chef Dirk Kall erklärt, warum das zu einer stärkeren Fokussierung auf CRM führt.

Foto: Pia
Kanalübergreifende Personalisierung ist die Zukunft für Kundengewinnung und Kundenbindung. Wobei CRM, sprich der Umgang mit Bestandskunden, dank der EU-Datenschutzgrundverordnung deutlich stärker in den Vordergrund rücken wird. Davon ist Dirk Kall überzeugt. Der Geschäftsführers von Pia (Performance Interactive Alliance) dürfte auf dem DynaSummit in München Unterstützung für seine Thesen erfahren. Auf der Münchner Veranstaltung der Pia-Tochter Dymatrix erklären am Mittwoch unter andrem Vertreter von Aida, Bet-at-home.com, HRS, Maxdome, Polo Motorrad und S.Oliver ihre Reaktionen auf die härteren Datenschutzregeln.
W&V hat CRM-Experte Kall vorab gesprochen:
Vor dem Hintergrund der am 25. Mai 2018 geltenden DSGVO, wird die Ansprache von Bestandskunden im Vergleich zur Neukundenakquise dadurch effektiver?
Auch vor einer DSGVO war und ist die Ansprache von Bestandskunden immer effizienter und effektiver als die Neukundenakquise. Kein einziger Neukunde ist einem Unternehmen mit einem professionellen CRM-Ansatz so gut bekannt wie ein Bestandskunde.
Das ist ein Grund dafür, warum Kundenbindung in der Regel deutlich wirtschaftlicher ist als Kundengewinnung. CRM ist seit vielen Jahren in den Unternehmen gelernte Praxis. Darunter fällt das Kundenverhalten auf Basis eingeholter und dokumentierter Opt-ins zur Datenanalyse und werblichen Ansprache zu analysieren und daraus Kundenbindungsaktivitäten abzuleiten. Und dies über alle in der Kundenkommunikation relevanten Kanäle.
Die meisten Unternehmen kennen ihre Kunden auf Basis vielfältiger Data-Mining-Analysen sehr genau und haben klare Strategien für die gezielte Bindung und Entwicklung der Kundenbeziehung entlang der für die jeweilige Branche typischen Kundenlebenszyklen.
Inwiefern verändert die neue rechtliche Situation die Vorgehensweise bei der Bestandskundenansprache?
Die Neukundenakquise über digitale Kanäle auf Basis von Cookies wird bekanntlich deutlich schwieriger. Allein schon, weil die explizite Einwilligung des Users zur Analyse seines Nutzungsverhaltens über das Setzen und Analysieren von Cookies hinzu kommt. Daraus ergeben sich große Herausforderungen für die profilbasierte Ausspielung von Werbung. Die aktuell in Diskussion stehende neue ePrivacy-Verordnung birgt weitere große Risiken für die werbetreibende Industrie sowie deren Dienstleister.
Die Nutzung von Cookies würde auf der aktuell diskutierten Form der Verordnung in digitalen Kanälen nicht mehr ohne weiteres zur gezielten Werbeansprache möglich sein.
Dagegen ändert sich das grundsätzliche Arbeiten im CRM nicht. Das nationale Bundesdatenschutzgesetz schrieb schon bislang die explizite Einholung zentral dokumentierter und jederzeit widerrufbarer (Double) Opt-ins als Voraussetzung einer Analyse von Kundennutzungsdaten und einer werblichen Kundenansprache vor. Wer diesen Prozess bislang umgesetzt hat, hat auch nichts zu befürchten. Ganz im Gegenteil – er wird in seiner Arbeit bestätigt.
Wirft die DSGVO Deutschland als Innovationsstandort in Sachen Marketing und Werbetechnik zurück?
Machen wir uns nichts vor: Deutschland ist in Sachen Marketing – und dabei vor allem im digitalen Marketing – schon lange kein Innovationsstandort mehr und war hier noch nie Vorreiter. Die DSGVO ist – da in vielen Teilen auf dem BDSG basierend – nicht das größte Problem. Demgegenüber würde die vielfach diskutierte ePrivacy Verordnung (hier alles Wissenswerte im Dossier) in der jetzt vorliegenden Form das Online Marketing in Europa ganz deutlich in seinen Grundsätzen einschränken. Aber hier ist das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.
Im Moment drängt sich der Eindruck auf, die Politiker würden die Konsequenzen der DSGVO und einer vorliegenden ePrivacy-Verordnung nicht wirklich verstehen. Ist die Politik also wirtschaftsfeindlich?
Die Politik hat ganz klar die Aufgabe, für Chancengleichheit der europäischen werbungtreibenden Unternehmen und Werbedienstleister mit Nicht-EU-Wettbewerbern im digitalen Raum zu sorgen. Aber nicht um jeden Preis. Aktuelle Vorgänge belegen, dass einzelne Anbieter in einigen Punkten überzogen haben. Ich rate zu einem konstruktiven Dialog zwischen Politik und Interessenvertretern der europäischen Werbeindustrie. Es ist nicht zu spät.
Dirk Kall verantwortet alle CRM-Themen bei Pia. Die Holding liegt mit ihren Digitalagenturen mit 66 Mio. Euro Honorarumsatz auf Platz fünf im aktuellen Ranking der Digitalagenturen. Zuvor war Kall unter anderem bei BBDO Consulting und Droege & Comp tätig. Auf Unternehmensseite stand er als Vice President CRM bei der Deutschen Telekom. Wie eng und emotional Kundenbindung sein kann, erlebte er als Vorstandsvorsitzender von Fortuna Düsseldorf.
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