Blattkritik "Wired": Sind so bunte Bilder hier
Die deutsche "Wired" kommt am Donnerstag an den Kiosk. Die W&V-Redakteurinnen Manuela Pauker und Petra Schwegler haben sich das Magazin schon angesehen - und es war schwer, es ihnen wieder zu entreißen.
Kaum ein Titel dürfte nach der Ankündigung, ihn auf dem deutschen Markt einzuführen, so hohe Erwartungen geweckt haben wie "Wired". Der Verlag, Condé Nast kennt das schon: Als vor einigen Jahren "Vanity Fair" an die hiesigen Kioske gebracht wurde, war die Erwartung an den Titel so hoch, dass er eigentlich kaum eine Chance hatte, den Hoffnungen gerecht zu werden – und es ging dann ja auch bekanntlich schief.
Bei "Wired" sieht das etwas anders aus. Es geht schon damit los, dass die erste, 134 Seiten starke Ausgabe nicht mit einem gigantischen Marketing-Aufwand präsentiert wird, sondern erst einmal vorsichtig im Doppelpack mit dem Männermagazin "GQ" daherkommt – als One-Shot und Beilage zur Oktober-Ausgabe der Lifestyle-Postille. Die Erleichterung steigert sich noch, wenn man beim ersten Durchblättern bemerkt, dass das Produkt "stimmt": Die Optik, die sich natürlich an den Look des US-Originals anlehnen muss, schafft die nicht ganz einfache Gratwanderung zwischen aufgeräumt und langweilig.
Der Titel ist zum deutschen Start – sehr symbolträchtig - in Schwarz-Rot-Gold gehalten. Etwas opulenter bebilderte Seiten wechseln sich innen mit kleinteiligeren, bunten Layouts ab, dazwischen tummeln sich Schaubilder und Infografiken, die offensichtlich mit Liebe zum Detail gebastelt wurden. Auch für die Themen haben Chefredakteur Thomas Knüwer und sein Team eine gute Mischung gefunden: Nicht nur Tekkies dürften Spaß an dem Blatt haben, auch der Durchschnittsleser mit Spaß an Multimedialem und darüber hinaus kann sich damit anfreunden. Letzterer wird schlau gemacht – Chefredakteur Knüwer persönlich klärt beispielsweise über "Geeks" auf.
Ein erstes Fazit: Die erste deutsche "Wired" ist ein Blatt, das sich durchaus für eine Fortsetzung empfiehlt – die Nische ist jedenfalls vorhanden. Schafft es der Verlag, die Qualität dieser Ausgabe zu halten, hätte das Blatt durchaus Chancen auf dem Markt – wie auch Mediaplaner schon bemerkt haben. Mit dieser "Wired" würde man sich gern vernetzen, auf manchen Link gleich klicken. Danke auch für den Humor – der kommt andernorts oft zu kurz und findet sich hier ganz konzentriert auf der letzten Seite mit der Märchen-Vorschau "Es wird einmal..." – und für diesen tollen Link: "Kuscheln mit EHEC" unter riesenmikroben.de.
Am Tag vor Erscheinen gibt auch Wired.de mehr Einblick: Herausgeber und Geschäftsführer Moritz von Laffert beantwortet Fragen, die Nutzer in den vergangenen Tagen zu "Wired Deutschland" gestellt haben. Auf die Frage, wie es weitergeht, schreibt er: "Wir wissen, dass ‚Wired‘ in Deutschland kaum echte Wettbewerber, aber viele Anhänger hat. Und wir glauben, dass die Themen von ‚Wired‘ für viele Menschen in Deutschland interessant sind. Das reichte uns für die Entscheidung, der Idee eine Chance zu geben." Jetzt sei der Verlag gespannt auf die Reaktionen derjenigen, "auf die es ankommt: der Leser, App-User und Anzeigenkunden. Wann, wie und in welcher Frequenz es weitergeht, werden wir aber nicht entscheiden, bevor der Titel überhaupt erschienen ist", so von Laffert. Und er kündigt an: "Vorausgeschickt werden muss, dass wir ‚Wired‘ nach der "Huckepack"-Phase mit ‚GQ‘ auch solo verkaufen werden."
Dass "Wired" als Printmagazin über digitale Themen berichtet, verteidigt Moritz von Laffert – und gibt preis, dass der Aufwand hinter "Wired" für Condé Nast ein großer ist: "Selbst bei einem visionären Titel wie ‚Wired‘ halte ich die Printversion für unverzichtbar. Die starke Wirkung der Ausgabe liegt in großen Teilen an der anspruchsvollen Optik (die wir dem talentierten Art Director Markus Rindermann zu verdanken haben), sie lebt von starken Bildern und den für ‚Wired‘ so typischen, herausragenden Illustrationen und Grafiken und – so konservativ das klingen mag – sie lebt auch von dem, was wir uns das spezielle Papier und den Druck haben kosten lassen."
Condé Nast hat "Wired", die 1993 in San Francisco gegründet wurde, im Jahr 1998 in den USA erworben und den Titel nach eigenen Angaben "zu einer einflussreichen, weltweit beachteten Magazinmarke mit einzigartigem Profil entwickelt". Seit 2009 erscheint "Wired" mit eigenständigen Ausgaben auch in Großbritannien und Italien. Die iPad-App der US-Ausgabe gelte international als Benchmark bei der Entwicklung von Tablet-Apps, so der Hinweis des Verlags. Auch die deutsche Ausgabe kommt mit einer App daher.
ps/mp