Kulturwandel:
Bis zum CEO: Bei "Lidl" wird jetzt geduzt
Lidl macht Ernst mit seiner neuen Konzernkultur. Seit kurzem wird konsequent geduzt - vom Lehrling bis hinein zur Vorstandsebene. Doch das Vorhaben stößt an vielen Orten noch auf Skepsis.
Lidl macht Ernst mit einer neuen Firmenkultur: Seit neuestem wird dort pauschal geduzt - vom Lehrling bis hinein in die Vorstandsetage. Die Initiative läuft seit März dieses Jahres, bislang völlig unbemerkt, so berichtet es die "FAZ". Den legeren Umgang nach amerikanischem Vorbild hat offenbar der Chef der Schwarz-Gruppe Klaus Gehrig höchstpersönlich durchgesetzt. Lidl-Chef Sven Seidel wird also nun mit Sven angesprochen, Kaufland-Chef Patrick Kaudewitz mit Patrick.
Den Anstoß dazu gegeben hat offenbar das Vorbild Otto. Hans-Otto Schrader, Chef des Versandhändlers, hatte im Februar seinen Mitarbeitern das "Du" angeboten - als Zeichen eines digitalen Wandels innerhalb seiner Gruppe. Nach dessen Vorbild habe Gehrig seinem Vorstand eine Mail geschrieben, die mit "Gruß Klaus" unterschrieben war - eine Art Revolution in dem sonst eher hierarchiegeprägten Unternehmen.
In einem Interview im Lidl-Intranet hätte Sven Seidel die Sache mit dem Du noch einmal erklärt, schreibt die Zeitung. Das Interview wurde zu dem meistaufgerufenen Beitrag dort. "Damit wollen wir den Kulturwandel weiter vorantreiben und Hierarchien abbauen" - so ließ sich Seidel im Intranet zitieren. Bislang ist über die Duz-Aktion bei Lidl noch wenig nach außen gedrungen. Nur die Lokalzeitung in Heilbronn hatte darüber berichtet. Aber deshalb werde intern umso mehr diskutiert, sagte Seidel gegenüber der "FAZ". "Wir bekommen viel positives Feedback. Viele berichten, dass die Atmosphäre vertrauensvoller geworden ist." Bis auf einige Gegner im mittleren Management soll die Regelung gut ankommen. Schon vor acht Jahren hatte Lidl den Krawattenzwang bei den Managern abgeschafft. Die Dienstwagenregelung allerdings soll offenbar beibehalten werden.
Lidl arbeitet schon seit längerem konsequent an seiner Imagewirkung nach außen. Nicht nur die jüngste Kampagnen dürften zu einer verbesserten Außenwahrnehmung beitragen. Daneben hat der Konzern auch viele Maßnahmen ergriffen, um die Mitarbeiter wieder besser an sich zu binden. Viele Skandale der Vergangenheit hatten das nötig gemacht. Zeitgleich zum Beginn seiner Kommunikationsoffensive hatte Lidl mit mehreren Veranstaltungen die Mitarbeiter auf die neuen Leitlinien eingeschworen.
Und: In einem emotionalen Spot der Kampagne "Lidl lohnt sich" (Agentur: Freunde des Hauses) hatte sich der Discounter ausdrücklich bei seinen Mitarbeitern bedankt.
Trotzdem scheint noch ein Gutteil Wegstrecke vor Lidl zu liegen: Auf Kununu gab es schon die ersten Beurteilungen zum "Du"-Prinzip. Und die sind nicht besonders positiv. "Ein 'Du' bringt kein besseres Betriebsklima! Vielleicht sollte man mal wieder den Mitarbeiter in den Mittelpunkt rücken", schreibt ein Mitarbeiter, der nicht mehr dabei ist. Ein anderer beklagt sich: "Hochglanzprospekte helfen nicht, wenn sich im Inneren nichts ändert. Es sollte nicht nur zugehört, sondern auch verstanden und umgesetzt werden." Ein weiterer kritisiert: "Die Unternehmensgrundsätze und Führungsgrundsätze laut Papier wären super, werden aber von den Vorgesetzten nicht gelebt." Er lobt allerdings die gute Bezahlung, die Ideen und Konzepte. Das Gehaltsniveau und die Weiterbildungsmöglichkeiten bei Lidl werden auf Kununu allgemein positiv hervorgehoben. 75.000 Mitarbeiter sind derzeit bei dem Unternehmen aus Neckarsulm beschäftigt.