Kolumne zu Food-Trends:
Beyond Schnitzel: Das hat Wien kulinarisch zu bieten
Wien ist mehr als Kaiserschmarrn und Schnitzel. Food-Experte Jochen Matzer, Geschäftsführer von Red Rabbit Hamburg, der in seiner wöchentlichen Kolumne für W&V über Food-Trends schreibt, war in der österreichischen Hauptstadt auf Entdeckungstour.
2019 wurde Wien wieder von der Unternehmensberatung Mercer als die Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität eingestuft. Damit steht Wien seit 2009 durchgehend an der Spitze dieses Ranking, für das weltweit fast 250 Metropolen bewertet werden. Es gibt mehrere Bewertungskriterien, unter anderem auch die Qualität von Restaurants. Letzte Woche war ich im Rahmen eines Projekts in Wien und konnte mir dabei einige Restaurants anschauen...
Das zur Zeit interessanteste Restaurant der Stadt ist das Mraz und Sohn. Wer in das stets ausgebuchte Zwei-Sterne-Restaurant will, der muss zunächst an der Tür klingeln. Sobald die Tür öffnet wird man herzlich begrüßt und geht durch die offene Küche direkt in das minimalistisch eingerichtete Restaurant. Hier fühlt sich von der ersten Minute an wohl: Die Atmosphäre ist, im Unterschied zur oft gespreizt-angestrengten Stimmung manch anderer Sterne-Restaurants, betont lässig.
Dazu tragen, neben dem herzlichen Service, einige unkonventionelle Ideen bei: Es beginnt damit, dass das Menü nicht mit einer Karte sondern "live" präsentiert wird. Dazu fährt der Restaurantleiter Manuel Mraz eine große Platte mit allen Produkten, mit denen im Laufe des Abend gekocht wird, an den Tisch und erzählt neben der Menüfolge auch noch etwas zur Herkunft (fast alle Produkte kommen aus der Umgebung) und Verarbeitung der Produkte.
Vor dem ersten Gang gibt es Glückskekse, in denen die Preise für das Menü und die Getränkebegleitungen eingebacken sind. Die insgesamt 14 Gänge gehen angenehm schnell vorbei, da das Team einen sehr guten Rhythmus in der Abfolge der Gänge gefunden hat. Auch die ausgesprochen gute Musikauswahl von Manuel Mraz, der den ganzen Abend hinweg auch als DJ fungiert und Vinyl vom Plattenspieler auflegt, macht Laune und trägt zur entspannten Stimmung, sowohl bei den anwesenden Österreichern als auch bei gerade angereisten Japanern, bei.
Wie nicht anders zu erwarten ist das Essen qualitativ und handwerklich top, die Mischung reicht von traditionellen Gerichten bis zu exotischen Aromen. Die einzelnen Gerichte werden einfallsreich inszeniert, optional kann ein Teil des Menüs mit Trüffeln zusätzlich aufgewertet werden. Auch die sehr gut gewählte Weinbegleitung und der ausgezeichnete Käsewagen muss unbedingt erwähnt werden.
Wer hier demnächst reserviert, der kann sich auf ein Restaurant freuen, in dem auf höchsten Niveau gekocht und mit bester Stimmung gegessen wird.
Casual mit Austria-Charme
Wer sich nach den traditionellen Klassikern der österreichischen Gastronomie sehnt, der ist hier richtig:
Das Woracziczky ist ein witziges "Neighbourhood-Neobeisl" mit freundlichem Service, fairen Preisen und leckerem Essen. Hier gibt es unter anderem Backhendl, Schnitzel und Zwiebelrostbraten und eine Weinkarte mit regelmäßig wechselnden Winzern. Wer im Sommer da ist, der kann im "Schanigarten" auf der Straße vor dem Restaurant sitzen.
Typisch für Wien sind die über die ganze Stadt verteilten Würstel-Stände, den der Wiener liebt den Happen zwischendurch. "Süß oder scharf?" lautet die Standardfrage, da der Senf zur Wurst traditionell als süßer Kremser oder scharfer Estragon angeboten wird. Auf die Erfindung des "Käsekrainer", einer leicht geräucherten Brühwurst mit 10-20% Käse, sind die Österreicher besonders stolz. Die Community des Gourmetmagazin Falstaff kürt jährlich den beliebtesten Stand: Platz eins ging zuletzt an den Würstelstand "Zum Volkstheater", knapp auf dem zweiten Platz landete "Zum scharfen René". Der Name ist Programm: Hier gibt es die schärfsten Mischungen und eine prämierte Currysauce. Drittplatzierter wurde der "Bitzinger".
Kein anderes Land Europas hat eine so traditionsreiche Kaffeekultur wie Österreich. Es würde den Rahmen sprengen, alle bekannten Wiener Kaffeehäuser aufzuzählen. Daher nur zwei exemplarische Nennungen: Das Café Hawelka ist ein Künstlercafé, dessen Räumlichkeiten seit 1912 unverändert geblieben sind. Zu den Stammgästen gehörte unter anderen Friedensreich Hundertwasser. Ganz anders ist das modernere Balthasar, das als eleganteste Espresso-Bar der Stadt gilt.
Beyond Schnitzel
Wien kann auch anders: Im Schatten des Stephansdomes liegt das Miznon des israelischen Starkochs Eyal Shani. Miznon bedeutet "Kantine", was kulinarisch allerdings eine starke Untertreibung ist. Hier wird die orientalische Küche gekonnt mit der Mittelmeerküche kombiniert. Gekocht wird in einer offenen Küche direkt neben dem Eingang. Dazu gibt es laute Musik und gut gelauntes Personal, die zusammen mit der engen Bestuhlung für eine besondere Atmosphäre sorgen.
Ebenfalls mitten in der Innenstadt und recht neu ist das geschmackvoll eingerichtete Tuya, das die frische, südfranzösische Küche der Cote d´Azur nach Wien bringt. Der Name kommt aus dem Lateinischen und steht für »Deines«. Entsprechend ist das Konzept ausgelegt: Die Gerichte kommen kurz nacheinander, werden in die Mitte gestellt und sollen - wie es im Süden Frankreichs Tradition ist - "familiär" geteilt werden. Alle Zutaten werden von Küchenchef persönlich nach einem Zehn-Punkte Plan kontrolliert, um eine hohe Produktqualität sicherzustellen. Das Konzept besteht aus dem Restaurant und einer gemütliche Lounge inkl. Bar, in der Cocktails serviert werden.
Schon etwas länger gibt es das O boufés. Und auch dieser Name hat eine Bedeutung: "Das Buffet". Der Inhaber ist Konstantin Filippou, der das O boufés direkt neben seinem Sterne-Restaurant eröffnet und zu einem sehr coolen Bistro im "Industrial Style" gemacht hat. Hier gibt es einfache, aber großartige Gerichte, die griechisch angehaucht sind. Außerdem ist das Lokal für seine biologischen, naturnahen Weine (über 100 Positionen auf der Karte) bekannt.