
Strategiewechsel:
Berentzen-CEO Schwegmann: "Wir müssen wieder mehr Reichweitenstärke erzielen"
Berentzen-CEO Oliver Schwegmann kürt Pahnke Markenmacherei zur neuen Leadagentur für die Marken Berentzen, Puschkin und Mio Mio.

Foto: Berentzen; Giovanni Paolo Antonelli
2015 hat der Spirituosenhersteller Berentzen die TV-Werbung eingestellt und das Budget in digitale Kanäle verlagert. Zum wichtigsten Projekt wurde Echtland. Die im Februar 2016 gegründete Online-Community und gleichnamige Kampagne sollte die Zielgruppe 18 plus besser und nachhaltiger erreichen. Doch jetzt wird Echtland eingestellt. Gemeinsam mit der Agentur Pahnke Markenmacherei hat CEO Oliver Schwegmann ein neuen Markenauftritt konzipiert und die Mediastrategie überarbeitet. Was sich Schwegmann von der Kurskorrektur verspricht, weshalb er dem Unternehmen in Haselünne eine Matrix-Struktur verpasst hat und wie es mit den beiden Marken Puschkin und Mio Mio weitergehen soll, erzählt er im exklusiven W&V-Interview.
Herr Schwegmann, Sie bauen kräftig um und verordnen der Berentzen-Gruppe eine Matrix-Struktur. Weshalb?
Wir haben für einen Mittelständler ein recht komplexes Business mit Spirituosen, antialkoholischen Getränken, eigenen wie Konzessionsmarken, das Frischsaft-System Citrocasa und mehr. Das hat sich auch in der Struktur widergespiegelt. Unsere interne Organisationsstruktur war zu komplex. Nun haben wir Bereiche, von denen die ganze Gruppe profitiert, zusammengelegt. Das betrifft auch das Marketing. Wir haben beispielsweise mit der alkoholfreien Marke Mio Mio einen Rohdiamanten im Portfolio, den wir national ausbauen und stärken wollen. Das Marketing unserer Tochter Vivaris ist dafür aber bislang personell zu schwach aufgestellt. Auf der anderen Seite haben wir bei den Spirituosen eine komplett ausgestattete Einheit und Partneragenturen. Indem wir das Marketing nun konzernweit organisieren, können wir diese Stärke eines Teilbereichs für die anderen Geschäftsfelder nutzbar machen. Das gilt unter anderem auch für Einkauf, Logistik und Supply-Chain. Unser Ziel ist es, insgesamt synergetischer und integrativer zu werden.
Ihr Vorgänger hat bei der Marke Berentzen komplett auf digitale Kommunikation und Kanäle gesetzt. Bleiben Sie dabei?
Ich bin kein Freund von Schwarzweiß-Betrachtungen und beteilige mich auch nicht an dem Glaubenskrieg digital versus klassisch oder TV versus Social Media. Für mich ist es wichtig, dass wir eine Touchpoint-Strategie fahren. Ich will den Konsumenten da erreichen und ihm Botschaften mitgeben, wo immer er sich befindet und auch empfänglich dafür ist. Das kann eben am Fernseher sein, auf der Straße, am PoS oder auch in den sozialen Medien.
Also einen breiten Mix anstelle einer Fokussierung.
Das bisherige Konzept war stark auf Engagement und Community ausgerichtet. Das möchte ich in der Form nicht weiterführen. 80 Prozent unseres Geschäfts machen Einmalkäufer aus, also im Sinne von einem Kaufakt pro Jahr pro Person. Darum macht es keinen Sinn, ausschließlich auf die ständige Ansprache einer verhältnismäßig kleinen Community zu setzen. Diese dauerhafte Betreuung darf nicht unser alleiniger Fokus sein. Unsere größte Herausforderung ist die Penetration. Wir müssen wieder mehr Reichweitenstärke erzielen. Aber wie gesagt: kein Schwarz-Weiß-Denken. Es geht hier nicht um „entweder-oder“, sondern um „sowohl-als auch“.
Wird es die Echtland-Kampagne weiter geben?
Nein. Der Markenkern von Berentzen stand und steht schon immer für ‚gesellige Lebensfreude‘, ‚Lebensbejahung‘. Echtland stand für Bodenständigkeit, Authentizität. Beides Attribute, die die Marke auch begleiten, aber viel mehr als Reason to Believe denn als Benefit. Es ist aber vor allem die Benefit-Struktur, die eine Marke nach vorne bringt. Deshalb rückt die Lebensfreude auch wieder in den Fokus unserer Marketingstrategie. Wir starten eine völlig neue Kampagne mit dem Claim „Freude bekennen“.
Eine Strategie auch für das alkoholferie Mio Mio?
Grundsätzlich sind wir bei Mio Mio noch voll im Distributionsaufbau. Mio Mio gibt es beispielsweise in Süddeutschland kaum und auch im Norden sind wir noch nicht flächendeckend präsent. Daher werden wir zunächst die Vertriebsaktivitäten massiv steigern. Wenn wir damit bestimmte Ziele erreicht haben, werden wir auch mit der Markenkommunikation durchstarten. Aber selbst dann werden wir eine andere Mediastrategie verfolgen, auch wenn wir auch hier den Konsumenten dort erreichen wollen, wo er anzutreffen ist. Mio Mio hat einen Geheimtipp-Charakter, den wir erhalten möchten. Darum werden wir in der Kommunikation bewusst keine lautstarke, mainstreamige Mediamarke aufbauen. Es geht um authentische, aber auch sehr punktuelle Kommunikation. Ich kann mir beispielsweise gut Plakatwerbung vorstellen, auch Social Media. Aber eher verhalten. Der Blogger mit drei Millionen Followern wird es nicht sein. Es muss alles sehr glaubwürdig sein.
Gibt es Änderungen bei Puschkin?
Bei Puschkin ist die Inszenierung der Marke am PoS ein wesentlicher Hebel. Gerade durch den hohen Innovationszyklus und die damit einhergehenden Varianten ist es wichtig, die Marke nah am Konsumenten zu platzieren. Daher verfolgen wir den eigeschlagenen Weg weiter und fokussieren uns auf den PoS und auf Social Media.
Für die drei Marken haben Sie eine neue Agentur gesucht. Warum?
Die Agentur Aimaq von Lobenstein, die auch das Echtland-Konzept entwickelt hat, hat für uns als Kampagnenagentur gearbeitet. Aber die Anforderungen haben sich geändert. Ich wollte eine ganzheitliche Markenbetreuung mit einer tieferen Auseinandersetzung mit den Marken, mit Markenstrategie, -architekur, und Innovation. Es ist mir wichtig, jemanden zur Seite zu habe, der nicht nur Ideen für Kommunikation entwickelt, sondern als strategischer und integrierter Sparringspartner auf Augenhöhe mit uns Markenarbeit macht. Ich wollte eine Beratung als integrativen Bestandteil unseres Marketings einziehen. Daher haben wir einen Pitch gemacht, an dem vier Agenturen teilgenommen haben.
Am Ende haben Sie sich für Pahnke Markenmacherei entschieden. Weshalb?
Pahnke hat uns als ganzheitliche Agentur überzeugt. Die neue Markenkampagne für Berentzen, die wir ab 2018 starten, hatte Pahnke schon fast vollständig für den Pitch entwickelt und uns damit absolut begeistert. Wir brauchen schon das Multitalent auf Agenturseite - im Sinne von Kreation, Strategie und Mitbegleiten unserer Innovationsprozesse. Wenn ich so einen Partner habe, dann möchte ich diese Kompetenzen für unser ganzes Portfolio einsetzen. Das entspricht auch unserer neuen Struktur.