Apple macht zwei Dinge anders. Sie vermarkten ihre Produkte nicht als Gebrauchsgegenstände, sondern als lebensnotwendige, schöne, begehrenswerte Dinge. Das ist der Unterschied zu Marken, die Features in den Vordergrund stellen. Der gegenüber Samsung besteht in der Konsequenz in der Markenführung. Das heißt nicht nur Produkt-Design, auch Verpackungs-Design, die Gestaltung der Stores und die Produktinszenierung dort. Da liegen nicht zig Geräte auf dem Tresen. Da liegt eins. Das ist eine Konsequenz in der ganzheitlichen Markenführung bis in kleinste Details.

Und dieses ganzheitliche Bild wirkt dann in den Köpfen der Kunden?

Ja. Der Schlüssel für das Verständnis erfolgreicher Marken liegt im Gehirn. Wenn sie das verstehen, verstehen sie auch die Kaufprozesse. Der Harvard-Professor Zaltman etwa sagt, dass bis zu 90 Prozent unserer Kaufentscheidungen unbewusst gefällt werden, durch das sogenannte implizite System.

Und dann danach rationalisiert.

Ja, aber viele Unternehmen haben das nicht verstanden – erst recht nicht, was daraus für ihre Markenführung folgt. Sie müssen dieses Belohnungssystem im Gehirn aktivieren.

Mit Blick auf die 90 Prozent: Greift dann der klassische Split in emotional aufladbare Produkte und solche, bei denen das nicht möglich ist, zu kurz? Muss es dann nicht bei jedem Produkt um eine emotionale Aufladung gehen?

Auf jeden Fall. Ich bin der Meinung, dass sowohl im B-to-B- als auch im Endkundensegment die Emotionalisierung der Schlüssel ist. Die Frage ist: Wie lade ich auf, was sind die richtigen Emotionen? Selbst wenn sie Schrauben verkaufen – der Einkäufer ist ein Mensch, keine Maschine.

Sollten Unternehmen dann nicht eher um das eigene Produkt herum denken?  Nehmen wir das iPhone: Im Grunde ist es ein telefoniefähiger Minicomputer – ein kühler, technischer Gegenstand. So wird es aber nicht kommuniziert.

Genau. Es ist Teil des Lebens und des Lebensgefühls. Ein Modeaccessoire, wenn nicht Teil der eigenen Identität. Das stellt den großen Unterschied zu anderen Geräten dar.

Wirkt sich denn auch das Bild von Warteschlangen auf die Zielgruppe aus?

Die Warteschlange selbst folgt ja als Reaktion auf Apples Markenführung. Dass diese Schlange und Knappheit der Ware das Produkt begehrenswerter erscheinen lassen, ist auch klar. Gerade, wenn der User ohnehin schon an die Marke gebunden ist. Das schürt den "Haben-wollen"-Effekt.

In Apples Wettbewerbsumfeld gelingt es am ehesten noch Samsung, ähnliche Effekte auszulösen. In Sachen Marketing gehen die Südkoreaner inzwischen einen ähnlicheren Weg zu Apple als früher. Und böse gesagt hat Samsung sich ja nicht nur bei den Geräten von Apple inspirieren lassen, sondern in Teilen auch die Apple-Fanboys kopiert. Bei Patentstreitereien zeigt sich das gut: Da duellieren sich zwei milliardenschwere Konzerne vor Gericht, und auf Facebook, Twitter & Co. gehen sich deren Käufer gegenseitig an die Gurgel, weil sie sich mit ihrer Marke so identifizieren. Heißt das, dass sich Samsung da auf Apples Position zubewegt?

In Teilen, ja. Samsung macht die Kommunikation viel besser als vor ein paar Jahren. Und die Geräte sind technisch gut – in Teilen besser als die iPhones.

Das waren sie früher auch schon.

Aber Apple hat imageseitig einen immensen Vorsprung. Das zahlt kontinuierlich auf das Markenkonto ein. Samsung kann viel aufholen. Was ihnen aber fehlt, ist ein klares Markenprofil. Das können sie zwar aufbauen, aber das dauert Zeit.

Kann das ein, sagen wir, Elektronikmischkonzern wie Samsung überhaupt? Bei Apple lässt sich ja nicht nur feststellen, dass sie nach Möglichkeit alles selbst kontrollieren. Sie haben auch immer eher überschaubare Produktportfolios. Sie haben keine 20 Handys gleichzeitig. Kann sich ein breit aufgestellter Konzern überhaupt so eine klare Linie geben?

Es ist natürlich viel schwerer. Nicht unmöglich, aber viel komplexer.

Können Submarken hier einen gangbaren Weg darstellen?

Sie können sicherlich Submarken gründen – mit Galaxy bewegt sich Samsung ja in die Richtung. Man spricht ja auch eher vom neuen Galaxy, nicht dem neuen Samsung.

Ganz allgemein: Lassen sich für andere Unternehmen daraus Lehren ziehen?

Es gibt ganz viele Vorstände und Geschäftsführer, die vor Phänomenen wie Ikea und Apple mit offenem Mund stehen und sagen: Wie machen die das? Die Antwort ist: Sie führen ihre Marke konsequent, in allen Bereichen. Markenführung ist eben nicht die Aufgabe des Marketingverantwortlichen, sondern der Geschäftsführung. Und sie müssen sich vor Augen führen, dass Kaufentscheidungen unbewusst sind und Argumentation über Fakten nicht funktioniert.

Kann so ein einheitliches Bild überhaupt entstehen, wenn das Unternehmen in Silostruktur jedes Segment das eigene Marketing betreiben lässt? Da entsteht doch fast zwangsläufig ein fragmentierter Eindruck.

Ja, und das finden Sie in Deutschland leider noch häufig. In den USA ist das gar keine Frage, dass Markenführung beim CEO liegt oder bei einem eigenen Vorstand.


Autor: Ralph-Bernhard Pfister

Ralph Pfister ist Koordinator am Desk der W&V. Wenn er nicht gerade koordiniert, schreibt er hauptsächlich über digitales Marketing, digitale Themen und Branchen wie Telekommunikation und Unterhaltungselektronik. Sein Kaffeekonsum lässt sich nur in industriellen Mengen fassen. Für seine Bücher- und Comicbestände gilt das noch nicht ganz – aber er arbeitet dran.