Mobil in Austin

Mobil in Austin

Bevor ich hier einen auf alter Hase mache, sollte ich aber vielleicht etwas klar stellen: Ich weiß noch nichts über Austin und diese verrückte Veranstaltung; außer, dass man sie auf Social Media #SXSW und im Gespräch von Angesicht zu Angesicht "South-by" abkürzt. Ich bin das erste Mal vor Ort und cruise darum erstmal reichlich verwirrt und einigermaßen überwältigt zwischen gläsernen Hochhausfassaden und protzigen, texanischen Pseudo-Renaissance-Bauten herum. Kommt es mir nur so vor oder ist hier alles ein bisschen größer, als es eigentlich sein müsste? Zum Glück dauert es nur ein paar Stunden, bis ich meine erste South-by-Bekanntschaft mache.

Deutsche lieben die "South-by"

Felicitas Hackmann lerne ich über eine WhatsApp-Gruppe kennen, in der sich ein paar deutsche Teilnehmer vernetzen. Schnell haben wir uns verabredet und ich bekomme einen Crash-Kurs in Sachen SXSW von Feli. Sie ist schon zum achten Mal dabei, und damit sowas wie eine South-by-Veteranin, die nicht nur für mich ein paar gute Tipps hat. "Du warst also schon in Austin, bevor die gesamte deutsche Medienfilterblase hierher gepilgert ist", sage ich zu ihr mit ganz unironischer Anerkennung.

So ein bisschen habe ich ja schon das Gefühl, late to the party zu sein. Immerhin hat sich das Tech-, Digital-, Film- und Musikfestival längst zum Mekka für die heimische Digitalbranche entwickelt. Mehr als 1.200 deutsche Besucher waren im vergangenen Jahr hier, verrät die Webseite des German Haus, der deutschen Vertretung in Austin für die Dauer der SXSW. Für dieses Jahr haben sich auf der Networkingplattform der Konferenz bereits 861 deutsche Teilnehmer registriert. Mehr auswärtige Besucher kommen nur aus Brasilien und Großbritannien.

Großes Hallo

Auf sie wartet ein Programm, dass so überwältigend ist wie die Hochhäuser im Austin, von denen sich jedes Jahr ein paar mehr im pulsierenden Zentrum auftürmen, sagt Austin-Kennerin Feli. Rund 5.000 Speaker sprechen an zehn Tagen in 29 Thementracks über Dinge wie Blockchainanwendungen in der Ernährungsbranche, Trends in E-Sports, VR und AR oder auch die Anforderungen der modernen Cannabis-Konsumenten. Dazu kommen unzählige Film- und Serienpremieren, Konzerte, Partys und Side-Events von Konzernen wie Microsoft, Daimler oder LinkedIn. Es ist ein irres Spektrum, dass die Republica wie ein gemütliches, kleines Barcamp wirken lässt.

Ich habe mir nur zwei Panels notiert, die ich unbedingt sehen möchte. Da ist einmal Roger NcNamee. Der Investor und Mentor von Mark Zuckerberg rechnet in seinem aktuellen Buch "Zucked" mit Facebook ab. Auf der South-by will er erklären, wie die Plattform und ihre Geschäftsführung nicht nur das Internet, sondern gleich die Demokratie in den USA und anderen Ländern ausgehöhlt hat.

Einfach treiben lassen

Und dann muss ich noch dem Fanboy in mir was Gutes tun. Der will nämlich auf keinen Fall Neil Gaiman verpassen. Die Fantasy- und Comicbuch-Legende ("Sandman", "American Gods") stellt mit großem Pomp seine neue Amazon-Serie "Good Omens" vor. "Mindestens eine Stunde vorher da sein! Sonst kommst du nicht mehr rein", empfiehlt South-by-Expertin Feli mir. Ansonsten: Nicht zu viel vornehmen, treiben lassen und einfach die Atmosphäre genießen.

Wahrscheinlich ist das der genau der richtige Weg, denke ich mir, während ich auf meinem E-Scooter immer entspannter durch Austin cruise. Nachdem ich eine Stunde in Downtown unterwegs war, fühlen sich die ersten Ecken bereits vertraut an. Auch die SXSW wird für mich eine solche Entdeckungstour sein, von der ich zu Beginn wahrscheinlich überwältigt sein werde, aber auf der ich mich hoffentlich schnell zurecht finde.


Autor: Moritz Meyer

Moritz Meyer (Jg. 1981) schreibt hauptsächlich über Online-Video und den digitalen Wandel. Er war schon so häufig im Internet, dass er aus Versehen mal in einem Video von Y-Titty gelandet ist. Wenn er nicht auf Burgen lebt, trifft man ihn meist in Köln. Fun Fact: Liest immer noch Comics von den Teenage Mutant Ninja Turtles.