Alles Wurst: Wie die Medien Österreichs Sieg beim ESC feiern
Die österreichische Travestiekünstlerin Conchita Wurst hat den Sieg beim ESC geholt, mit dem viertbesten Ergebnis aller Zeiten. Die Medien haben es natürlich schon vorher gewusst. Auch, wie tolerant Europa wirklich ist.
Der österreichische Komiker Alfred Dorfer hat es mal so formuliert: Es gäbe drei Gemüts-Zustände in Österreich - Yin und Yang und - Wurst. In diesen Tagen scheint das Lebensgefühl "Wurst" die Mehrheit zu haben. Die österreichische Travestiekünstlerin Conchita Wurst hat in der Nacht zum Sonntag den Sieg beim Eurovision Song Contest geholt, mit dem viertbesten Ergebnis aller Zeiten. Weil das so ein klarer Sieg geworden ist, haben es die Medien natürlich alle schon vorher gewusst. Sie überschlagen sich mit toleranten Kommentaren und Gratulations-Berichten.
Im Wurst-Land Österreich jubeln sich die Medien über den "Phönix"-Sieg hoch. Die konservative "Die Presse" schreibt etwa anerkennend: "Die dramatische Kunstfigur, in die sich der Wirtshaussohn aus Bad Mitterndorf so erfolgreich transformiert hat, glänzt vom Atlantik bis zum Ural." Der "Kurier" sieht vor allem in der "moralisch begründeten" Kritik von Politik und Prominenz am Travestie-Spiel den Grund, warum die Künstlerin gewann: Solidarität habe zum guten Ton gehört, sich mittlerweile pro Wurst zu äußern. Dass immer noch - gerade aus dem homophoben Russland - deutlich kritische Töne kommen, dürfte eher ein Randphänomen sein, aber womöglich die Solidarität noch weiter steigern. Der russische nationalistische Politiker Wladimir Schirinowski etwa sieht, wie ihn die "Welt" zitiert, das Ende Europas gekommen. "Da unten gibt es keine Frauen und Männer mehr, sondern stattdessen ein Es. Vor 50 Jahren hat die sowjetische Armee Österreich besetzt, es freizugeben war ein Fehler, wir hätten dort bleiben sollen."
In Deutschland hingegen sind die Töne durchwegs liberal. Das Erste jubelt auf seiner Eurovisions-Seite, dass die Veralberungen, denen der Contest ja sonst ausgesetzt sei, erfreulicherweise mit dem Medien-Phänomen Conchita Wurst gestoppt wurden. Die Ernsthaftigkeit des Themas würde auch dem Wettbewerb gut tun. Auch die "Süddeutsche" freut sich mit den Gewinnern und lobt eine "wundervolle Veranstaltung" und "dass dieser in Sachen Verpackung monströs ausgerüstete Trällerwettbewerb inzwischen auch inhaltlich was zu bieten hat". Während die "FAZ" sich über die grassierenden Wurst-Witze im Netz entrüstet. Und auch "Focus" stimmt in den Reigen ein: "Deswegen ist Conchitas Sieg nicht nur ein erster Platz in Sachen Musik, sondern auch beim Thema Toleranz." Und die "Bild" stellt ein Ausschnitt-Bild für einen Klebe-Bart auf den Titel.
Und natürlich fluten auch schon die ersten Memes das Netz, wie etwa Sissi mit Bart oder das Chiqita-Bananen-Mädel mit eindeutigem Schatten im Gesicht.
Kaiserin Conchita (via @medienheld) #ESC pic.twitter.com/Vhl3WbMOA6
— SZ Magazin (@szmagazin) May 10, 2014
She's rocking a Bond villain look and rocking a Bond theme tune sound
#Conchita pic.twitter.com/ZGdLwQ6MpU
— Jon Carter (@MonkeymafiaJC) May 10, 2014
Auf Twitter war die Schar der Gratulanten groß. Sogar vom österreichischen Bundespräsidenten Heinz Fischer ("Das ist nicht nur ein Sieg für Österreich, sondern vor allem für Vielfalt & Toleranz in Europa") kam Lob. Die Schar der internationalen Gratulanten reicht bis hin zu Lady Gaga ("You complete me"), wie die "Kronen Zeitung" zitiert. Nur der deutsche TV-Moderator Jan Böhmermann scheint derweil ein bisschen über das Ziel zu schießen:
Ein österreichischer Außenseiter mit Bart erobert Europa und Deutschland ist begeistert. Mal wieder! #esc14
— Jan Böhmermann (@janboehm) May 10, 2014
Übrigens, eine interaktive Karte zeigt, wo in Europa die Twitter-Dichte besonders hoch war: Deutschland blieb erstaunlich mitteilungsfaul. Weltweit übrigens führte Conchita Wurst auch an Tweets: 5.384,678 Tweets zählte der Dienst während der Übertragung.
Das ESC-Video von Conchita Wurst hat mittlerweile neun Millionen Abrufe bei Youtube. Zum Vergleich: Lenas "Satellite" liegt bei über 40 Millionen, da ist noch Luft nach oben offen. Und das letzte Wort hat natürlich die Heldin des Abends selbst. In Wien soll vermutlich der nächste ESC ausgetragen werden. Die Gewinnerin sieht sich mittlerweile schon zu Höherem berufen: "Ich wäre gern Gastgeberin".