Studie:
Abschied von der Gratismentalität
Die Zahlungsbereitschaft der Internetnutzer steigt, ermittelte Fittkau & Maaß im W3B-Report. Für die Onlineangebote von Printmarken ist sie aber nicht so stark ausgeprägt wie etwa bei Musikdownloads.
Die Zahlungsbereitschaft der Internetnutzer steigt, ermittelte Fittkau & Maaß im W3B-Report. Für die Onlineangebote von Printmarken ist sie aber nicht so stark ausgeprägt wie etwa bei Musikdownloads. Dennoch lautet die gute Nachricht: Erstmals sind unter den deutschen Internetnutzern mehr Zahlungsbereite als Nicht-Zahlungsbereite, mehr Käufer als Nicht-Käufer zu verzeichnen (siehe Bild oben). Dafür sorgen vor allem die Gattungen E-Books, Musik und Video. Der Vorteil dieser Web-Angebote gegenüber Printmedien: Bücher, Songs und Filme waren auf legalem Wege niemals in großem Umfang gratis. Magazine und Zeitungen hingegen starteten ihre Internetkarriere in den 90ern mit Gratisangeboten - und leiden heute unter der vielzitierten "Gratismentalität".
Die jedoch nehme ab, konstatieren die Fittkau & Maaß-Experten auf Basis ihrer Umfragedaten. Selbst von den redaktionellen Inhalten in Form von Onlinezeitungen/-zeitschriften bzw. Artikeln daraus wurden im vergangenen Halbjahr von immerhin 7 Prozent der Nutzer käuflich erworben, Testberichte kauften gut 6 Prozent. Für den W3B-Report wurden Ende 2015 gut 10.000 deutsche Internetnutzer zum Thema Paid Content befragt. Die W3B Studie begleitet bereits seit über 15 Jahren Verhalten und Einstellungen der deutschen Internetnutzer im Hinblick auf Bezahlinhalte.
Und das Bild wandelt sich: Über lange Jahre zeigte maximal die Hälfte der User grundsätzliche Bereitschaft, für kostenpflichtigen Online-Content zu zahlen, nur wenige zahlten tatsächlich dafür. Nun misst W3B erstmals eine deutliche Mehrheit der deutschen Internetnutzer - rund drei Viertel -, die bereit ist, für digitale Inhalte zu bezahlen.
Und sogar beim tatsächlichen Bezahlen für Paid Content ist die Trendwende vollzogen: Der Anteil der Content-Bezahler liegt zum ersten Mal höher als der der Nicht-Zahler. Mit 54 Prozent gehören heute über die Hälfte der deutschen Internetnutzer zur Gruppe der Paid-Content-User. Darunter kaufte die Mehrheit (drei Viertel) innerhalb der letzten sechs Monate digitale Inhalte. Zum Kreis derer, die noch nie für kostenpflichtige Inhalte bezahlt haben, zählen dagegen weniger als 40 Prozent.
Als größte Wachstumstreiber erweisen sich im Paid-Content-Bereich E-Books, digitale Musik- und Filminhalte: E-Books wurden von 16 Prozent der Internetnutzer gekauft, Musikdateien von 14 Prozent kostenpflichtig heruntergeladen, 10 Prozent zahlten für Ansehen von Filmen via Stream, 8 Prozent für Video-Downloads. Als besonders hoch ist der Ausschöpfungsgrad beim Musikstraeming mit 49 Prozent einzustufen.
Da ist im Bereich E-Publishing durchaus noch Luft nach oben: So liegt das Verhältnis der Käufer zu den Kaufbereiten bei Onlinezeitungen, -zeitschriften bzw. Artikeln daraus heute erst bei 34 Prozent.
"In nur wenigen der von W3B abgefragten Content-Bereichen werden heute die Intressenpotentiale seitens der Internetnutzer bereits annähernd ausgeschöpft," sagt Susanne Fittkau von Fittkau & Maaß Consulting. "Paid-Content-Zahlungsbereitschaft und -Nutzung sind heute so hoch wie nie."
Darauf setzt unter anderem bereits in Großbritannien voll und ganz die Tageszeitung "The Independent": Sie kontert die Erlösrückgänge in Print damit, dass der Titel von Ende März an nicht mehr in gedruckter Form erscheinen wird. Die Zukunft des Blattes sei eine rein digitale. Der "Independent" ist damit der erste landesweit erscheinende britische Zeitungstitel, der seine Print-Ausgabe einstellt.
Hierzulande probieren sich vor allem die größeren Verlage seit einiger Zeit an Bezahlschranke (Abo), Freemium-Modellen (exklusive Inhalte kostenpflichtig), Metered Models (bestimmte Anzahl an Artikeln gratis) oder freiwilliger Zahlung ("Taz"). Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV führt derzeit 113 Tageszeitungen für die vier genannten Online-Bezahlmodelle auf, darunter "Bild" (Springer), "Hamburger Morgenpost" (DuMont Schauberg), "Handelsblatt" (alle Freemium), "Kölner Stadtanzeiger" (DuMont), "Die Welt" (Springer), "Süddeutsche Zeitung" (alle Metered) und die "Rhein-Zeitung" (Mittelrhein-Verlag/Bezahlschranke).
Die großen überregionalen Zeitungen "FAZ", "SZ", "Handelsblatt" und "Welt" generieren damit inzwischen bereits jeweils zwischen fünf und zehn Millionen Euro jährlich, so die Einschätzung von "PV Digest". Die Markteinschätzung des Vertriebstitels belegt die Untersuchungsergebnisse von Fittkau & Maaß: Der Umsatz mit bezahlten Digitalprodukten steigt, 2015 um gut ein Viertel auf 242 Millionen Euro für die deutschen Verlage. Mehr als zwei Drittel dieser Erlöse stammen laut "PV Digest" von Seiten der Tageszeitungen.
Dass dem Leser aber nicht alles Geld wert ist, davor warnen unter anderem Steven Broschart, Head of SEO and Usability beim Münchner Website-Optimierer Optimizing Experts, und Holger Schöpper, Regional Director CEU von Ooyala für den Bereich Bewegtbildinhalte. Vor allem Nicht-Exklusives finden die User schnell bei anderen Anbietern im Netz.
Fittkau & Maaß Consulting ist seit 1995 als Internet-Marktforschungs- und -Beratungsdienstleister tätig. Die Services umfassen On-Site-Befragungen für Websites und Webshops, Potential-, Konzept-, Zufriedenheits- und Bindungs-Analysen, Online-Werbewirkungsforschung sowie Internet-Trendstudien, z. B. die WWW-Benutzer-Analyse W3B. Zu den Kunden zählen u. a. Consorsbank, Deutsche Bahn, DHL, Douglas, Hotel.de, Nestlé, PayPal, Telekom Deutschland, Tui.