Kritik am "Ausnahmekünstler":
ARD macht ESC zur Naidoo-Show - und empört die Fans
"Unser Song für Xavier" statt ESC-Vorentscheid: Weniger das neue Konzept des NDR für den Eurovision Song Contest, als vielmehr die Wahl des umstrittenen Xavier Naidoo verstimmt die Fans.
Wie sich die ARD nach dem Reinfall mit der deutschen Kandidatin im Vorjahr künftig den Eurovision Song Contest (ESC) vorstellt, steht jetzt fest: Der Sender verzichtet in diesem Jahr auf einen Vorentscheid. Dafür wurde vom federführenden NDR Barde Xavier Naidoo dazu bestimmt, im kommenden Jahr nach Schweden zu reisen und dort zu singen. Nur über den Song, den der Mannheimer mit starker Vox-Präsenz in Stockholm anstimmen wird, entscheidet das Publikum.
In der Show am 18. Februar werden nach ARD-Angaben ESC-Gewinnerin Lena und zwei weitere "prominente Experten" die Songs bewerten. Sie haben aber kein Stimmrecht - es entscheiden ausschließlich die Zuschauer. Wer die Show moderiert, will der NDR zu einem späteren Zeitpunkt kommentieren. Wörtlich erklärt der NDR am Donnerstagmorgen das neue ESC-Konzept rund um den Xavier Naidoo so:
"Mit welchem Song er am 14. Mai 2016 in Stockholm auf der Bühne steht, entscheiden die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Show ‚Unser Song für Xavier‘ am Donnerstag, 18. Februar 2016, um 20.15 Uhr live im Ersten. Einige der renommiertesten deutschen Komponisten und Produzenten werden von Xavier Naidoo und dem deutschen ESC-Team um Song-Vorschläge gebeten. Sechs Lieder schaffen es in die Show. Wenn sie am Ende des Jahres feststehen, werden Film- und Kunsthochschulen aus Deutschland aufgerufen, Inszenierungsideen für die Performance der einzelnen Lieder einzubringen. Auch diese Ideen finden Eingang in den deutschen Vorentscheid."
Auch wenn die ARD das neue Konzept in der Ankündigung vom Donnerstag beschwört und Naidoo als "Ausnahmekünstler" mit großem gesellschaftlichen Engagement präsentiert: Die Wahl wird massiv kritisiert. Xavier Naidoo gilt vielen als fremden- und schwulenfeindlich, er wird mit Auftritten vor Rechtsradikalen in Verbindung gebracht. Dumm nur: Bei Schwulen und Lesben hat der ESC traditionell eine große Fangemeinde. Eingeschworene ESC-Fans und ARD-Kritiker empören sich umgehend via Twitter, die Satire kommt dabei aus den eigenen Reihen:
Wir legen uns schon mal fest #Naidoo #ESC2016 pic.twitter.com/OCepoWQwCh
— extra3 (@extra3) 19. November 2015
Xavier Naidoo tritt 2016 für die Bundesrepublik (oder das Deutsche Reich, man weiß es bei ihm ja nicht) beim #Eurovision Song Contest an.
— Stefan Niggemeier (@niggi) 18. November 2015
Auch ARD-Mitarbeiter distanzieren sich von der ESC-Entscheidung des @ndr https://t.co/B6PJXzefSK
— Dominik Rzepka (@dominikrzepka) 19. November 2015
Warum schickt Deutschland jmd zum #ESC, der wegen homophoben und antisemitischen Texten in Kritik steht? @eurovisionde
— Volker Beck (@Volker_Beck) 19. November 2015
Hey @ARDde, falls ihr noch einen Moderator für #ESC braucht: Lutz Bachmann wär doch was. Der kann immer. Außer Montags. #protipp #Naidoo
— Katharina König (@KatharinaKoenig) 19. November 2015
Warum nur hat bei der ARD DEN Knall niemand gehört? #esc #naidoo https://t.co/EGgAsplcNE pic.twitter.com/6odmau7lK7
— Johannes Boie (@johannesboie) 19. November 2015
Xavier Naidoo vertritt Deutschland beim ESC. Eigentlich wollte man Akif Pirincci, aber der kann nicht singen.
— NN-Redaktion (@NordRedaktion) 19. November 2015
Update: Inzwischen hat der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) die Teilnahme von Naidoo am ESC als ”äußerst kritisch“ eingestuft. ”Deutschland steht für eine pluralistische Gemeinschaft“, sagte LSVD-Bundesvorstand Tobias Zimmermann der "dpa". ”Dann jemanden dorthin zu schicken, der Deutschland als Kolonie der USA bezeichnet, ist sehr schwer nachzuvollziehen."
Der Mannheimer hatte 2014 in Berlin bei einer Demonstration der so genannten Reichsbürger gesprochen und behauptet, es gebe geheime Vereinbarungen, wonach die USA die Bundesrepublik überwachen dürften.
Der Lesben- und Schwulenverband hatte 2012 zudem Anzeige wegen eines Liedes von Naidoo und dem Rapper Kool Savas erstattet, weil das Stück aus Sicht des Verbands schwulenfeindlich war. Über Naidoos ESC-Teilnahme sei man ”mehr als unglücklich“, so der LSVD.
Die Popakademie Baden-Württemberg hat den Auftritt von Naidoo beim ESC hingegen als "erste Wahl" unter künstlerischen Gesichtspunkten bewertet.
Wer sich dennoch für das neue Konzept des ESC begeistern mag und kann, der findet auf der Eurovision-Seite Interviews mit Xavier Naidoo und mit Thomas Schreiber, ARD-Unterhaltungskoordinator.