Mehr Rundfunkbeitrag:
ARD/ZDF: VPRT und Politik zetteln neue Debatte um Werbebann an
Der VPRT - will einmal mehr - die Werbung in den Programmen von ARD und ZDF abschaffen oder weitestmöglich reduzieren. Aktuell beraten die Länder über derlei Möglichkeiten, während die ARD-Werbung vor der großen Lücke im Werbemarkt warnt.
Der Zeitpunkt des Statements des VPRT-Vorsitzenden Tobias Schmid könnte nicht besser gewählt sein: Während sich Rundfunkreferenten der Länder in Richtung Hamburg auf den Weg machen, um die Ergebnisse einer Arbeitsgruppe zur Zukunft von Werbung und Sponsoring bei ARD und ZDF zu beraten, fordert der Verbandschef privater Sender per Pressemitteilung erneut eine deutliche Reduzierung der Werbezeiten in den öffentlich-rechtlichen Programmen. Schmid nimmt Bezug auf die vorläufige Rechnung der Gebührenkommission KEF. Sie musste nach der Umstellung des Gebührensystems auf die Haushaltsabgabe namens Rundfunkbeitrag berechnen, ob und wie viel mehr in den Kassen der Öffentlich-Rechtlichen hängen bleibt. Der VPRT ist überzeugt, wenn die "jetzt veröffentlichte Zahl von 1,5 Milliarden Euro bis 2016" so Bestand habe, müssten ARD und ZDF aus dem Rundfunkbeitrag rund acht Milliarden Euro jährlich zur Verfügung stehen – Spielraum genug für nur noch 60 Minuten Radiospots auf jeweils einem Landesprogramm im ARD-Hörfunk und keine Werbung mehr im TV.
Nur: 1,5 Milliarden Euro sind noch gar nicht gefixt. Erst im März wird die KEF die Nettozahlen vorlegen, also das, was die Bürger wirklich zahlen. Mehrere hundert Millionen Euro stehen nur in den Büchern, als Nachforderungen, Mahnungen, schöne Annahmen. Bewusst ist den Ländern durchaus, dass eine ganze Reihe von Haushalten nicht zahlen können oder wollen. Rund 1,15 Milliarden Euro Mehreinnahmen bis 2016 – das klingt für den Kreis der Rundfunkreferenten schon realistischer, auf dieser Basis werden sie wohl rechnen.
Apropos rechnen: Damit werden die Medienpolitiker wohl erst so richtig Anfang 2016 beginnen, nach dem 20. KEF-Bericht. Für dieses Jahr stehen erst einmal einige bilanzrelevante Termine an, die in das Werk der Gebührenkommission einfließen werden: im März die KEF-Nettozahlen zu den Mehreinnahmen, im April die längst beschlossene Senkung des Rundfunkbeitrags um 48 Cent auf monatlich 17,50 Euro, dann die Bedarfsanmeldung der Öffentlich-Rechtlichen bis zum Ende des Jahrzehnts, wobei die Zuständigen mit erhöhten Personalkosten rechnen. Bis dahin fließen die Mehreinnahmen schlicht auf ein Sperrkonto, das dann ab 2016 zur Diskussion steht. Auch wenn sich Ökonomen und Länder wie NRW auf Basis dieses Geldsegens im Sinne des VPRT vehement für einen umfassenden Werbebann über ARD und ZDF aussprechen: Sie haben Gegner in anderen Staatskanzleien, die das Mehr an Rundfunkbeitrag lieber für mehr Gerechtigkeit im System nutzen möchten – Firmen bei den Beiträgen entlasten, ärmere Haushalte ausklammern. Die Unions-Bundestagsfraktion verlangt gar eine weitere Senkung des Beitrags. Die klammen Kassen vieler Gebührenzahler als Konkurrenz für werbefreie Öffentlich-Rechtliche?
Auf ARD-Seite, anders als das ZDF vor allem mit dem umsatzstarken Hörfunk von der jetzt neu angezettelten Debatte betroffen, ist man naturgemäß entsetzt. Bernhard Cromm, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der ARD-Werbegesellschaften, betont auf Anfrage: "Der Beitrag des VPRT zur Frage der Mischfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks belässt es leider bei den üblichen Mantra-artigen Schlagworten. Die Faktenlage bei der Werbung ist doch eine ganze andere: In Fernsehen und Radio sind ARD/ZDF in der Vermarktung engste Grenzen gesetzt." Weitere Beschränkungen in der Radiowerbung zum Beispiel hätten gravierende Folgen für die Gattung Radio insgesamt, warnt Cromm erneut. Maximal 20 Minuten werktägliche Fernsehwerbung bis 20 Uhr seien "mit Sicherheit keine Bedrohung für die privaten Vermarktungsriesen", betont er. "Gleichwohl sind sie in den spezifischen Qualitätszielgruppen der öffentlich-rechtlichen Sender für die Werbungtreibenden unersetzlich", so der Manager der ARD-Werbung, der ins selbe Horn stößt wie etwa die Kunden selbst in ihren Verbänden.
Ob nun die Werbung in den öffentlich-rechtlichen Programmen reduziert oder teils sogar abgeschafft wird? Noch unklar. Nach dem Treffen der Referenten am heutigen Mittwoch in Hamburg könnte bei der nächsten Sitzung der Ministerpräsidenten in einigen Wochen eine Richtung vorgegeben werden. Den Auftrag zur Debatte haben die Länder jedenfalls, den Willen haben einige Staatskanzleien sowieso. Die Medienpolitiker haben es sich selbst zum Auftrag gemacht, darüber zu beraten. Als Notiz im letzten Rundfunkstaatsvertrag, der den Rundfunkbeitrag mit Start des Jahres 2013 geschaffen hat. Und als ein Art "Gegengeschäft" dafür, dass ARD und ZDF mit dem neuen Zahlsystem stabiler dastehen als zuvor – mit einem Gebührentopf, der nach dem Wechsel "insgesamt etwa dem Staatshaushalt eines europäischen Kleinstaates" entspreche, wie VPRT-Boss Schmid vorrechnet.