Vernünftig, warum?

Das ist aus unserer Sicht ein Modell mit Augenmaß, das in vier norddeutschen Bundesländern erfolgreich funktioniert, ohne dass die Gattung Radio hier Schaden genommen hätte. Nach allem, was wir wissen, hätte eine Ausweitung dieser Praxis keinen bedrohlichen Einfluss auf die Stellung von Radio im intermedialen Wettbewerb, weil Werbekunden mit Kampagnen im Radio weiterhin hohe Nettoreichweiten in allen relevanten Zielgruppen erreichen werden.

Die Privaten führen auch das BBC-Modell an - mit werbefreiem TV - dafür aber nur Online-Werbung. Ist das auch für den Hörfunk denkbar?

Ein vollkommen werbefreier öffentlich-rechtlicher Hörfunk war und ist nicht unsere Intention, eine sinnvolle Beschränkung der Werbemöglichkeiten aber durchaus. Im gleichen Atemzug jetzt allerdings eine Ausweitung der öffentlich-rechtlichen Werbemöglichkeiten im Internet in die Diskussion einzubringen erscheint geradezu absurd und gänzlich ohne Zusammenhang zum öffentlich-rechtlichen Auftrag.

Laut BLM ist Werbefreiheit der Öffentlich-Rechtlichen ohne Schaden für die Gattung Radio im Werbemarkt möglich. Markenverband und OWM kommen in einer Studie zu Werbereduzierungen in den ARD-Hörfunksendern zu gegenteiligen Ergebnissen. Hier heißt es, es seien deutlich negative Effekte für die Gattung insgesamt zu erwarten. Schließen Sie sich der BLM an?

Wie bereits gesagt, ist ein vollkommen werbefreier öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht in unserem Sinne. Was die Studienlage angeht, hat der VPRT im Herbst 2012 gemeinsam mit der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) einen Zertifizierungsauftrag an das Media Audit Unternehmen Ebiquity gegeben. Ebiquity hat aus eigenem Datenbestand 500 reale Mediapläne unterschiedlichster Unternehmen aus verschiedenen Branchen wie PKW, Handel, FMCG und Telko mit vielfältigen Zielgruppen daraufhin überprüft, ob diese Pläne unter werberegulierten Bedingungen nach dem NDR-Modell den Qualitätsanforderungen eines Auditors standhielten.

Also bestätigen die Ergebnisse die Argumente für die Werbereduzierung?

Die Analyse dient unter anderem der Versachlichung der Diskussion um die Werberegulierung. Die wesentlichen Erkenntnisse aus dieser Untersuchung lauteten: Die Nettoreichweiten für nationale Kampagnen bleiben auf hohem Niveau. Die Kapazitäten für eine gestiegene Nachfrage bei Privatsendern sind ausreichend, die Auslastung stößt nicht an Grenzen, die negative Auswirkungen auf das Programm hätten. Relevante Zielgruppen werden im Radio weiterhin sehr gut erreicht. Bei jungen, gut gebildeten und kaufkräftigen Zielgruppen zeigt sich sogar eine Optimierung der Mediapläne, weil vor allem öffentlich-rechtliche Programme mit älteren Zielgruppen rausfallen.

Warum sieht das die OWM-Studie anders?

Der Bellieno-Analyse fehlt an vielen Stellen der reale Blick auf den Radiowerbemarkt, die Untersuchung ist daher ungeeignet, um sich ein vollständiges Bild zu machen. So ist zum Beispiel eine Datenbasis aus zwölf Experteninterviews und simulierten Plänen wenig aussagekräftig. In der Betrachtung der Bundesländer ist die Auswahl der jeweils werbeführenden Programme nicht nach sinnvollen Kriterien wie umsatzstärkster Sender im Sinne der Marktnachfrage getroffen worden. Zum Beispiel wurde in NRW WDR2 anstelle von 1Live ausgewählt. Die wichtigsten Erkenntnisse liefern aber keine Studien oder Simulationen, sondern die Praxis. Dort hat sich das NDR-Modell zweifellos bewährt.

Bei der BLM heißt es auch, die Folge der AS&S-Preispolitik sei, dass die Privatradios in den Regionen bei der überregionalen Werbung verlieren. Stimmt das?

Zumindest hat die Preispolitik der AS&S in den letzten Jahren eine Entwicklung der Entwertung eingeleitet, speziell mit Blick auf ältere Zielgruppen, die aufgrund der demographischen Entwicklung im Werbemarkt an Bedeutung gewinnen. Hier vernichtet der öffentlich-rechtliche Marktteilnehmer die Wertbasis, von der kommerzielle Marktteilnehmer zukünftig leben müssen.

Auch die Webradioangebote der Öffentlich-Rechtlichen stehen in der Kritik. Sie sollen die privaten Angebote nachahmen...

Der Vorwurf, dass öffentlich-rechtliche Programme sich inhaltlich an kommerziellen Angeboten orientieren und diese kopieren, beschränkt sich nicht auf einen Kanal. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen klar definierten Auftrag. Kommt er diesem nicht mehr nach, ist eine Qualitätsdebatte mit all ihren Folgen selbst verursacht. Eine angemessene Selbstreflektion der Verantwortlichen wäre schon mal ein erster sinnvoller Schritt. Und auch die vorhandenen Aufsichtsgremien sollten hier ihrer Aufgabe nachkommen.

Sie haben ihr Webangebot vor Kurzem mit Spotify erweitert. Können sie schon eine erste Bilanz zur Kooperation ziehen?

Das Interesse im Markt ist groß, die Buchungen für Spotify laufen sehr gut.

Neu im Portfolio sind seit diesem Jahr auch die RTL-Sender. Wie hat sich das auf ihre Bilanz ausgewirkt?

Über einzelne Angebote treffen wir keine Aussagen. Insgesamt gilt aber. Wir werden in diesem Jahr im zweistelligen Bereich wachsen, wir gewinnen deutlich Marktanteile auch über den Portfolioeffekt hinaus und wir erzielen eines unsere besten Ergebnisse im Bereich Neukunden.

Wie die ARD-Werbung Sales & Services auf Vorschläge zur Werbereduzierung reagiert und wie Geschäftsführerin Elke Schneiderbanger die Forderungen aus dem Konkurrenz-Lager einordnet - dazu lesen Sie mehr in der aktuellen Printausgabe der W&V (EVT: 09.12.). Abo?


Autor: Katrin Otto

ist Expertin für Medien. Sie schreibt über Radio, Außenwerbung, Kino, Film und und natürlich Podcast und Streaming. Privat ist sie gern auf Konzerten, im Kino oder im Wasser.