Influencer Marketing:
200 Influencer an einem Ort: So war die Glow in Berlin
Kreisch-Faktor und KPIs: Die Glow hat sich zu einer der wichtigsten Influencer-Veranstaltungen Deutschlands entwickelt. W&V-Autor Moritz Meyer war dabei.
Natürlich kennt Dagi Bee das Geschäft. Wer über 3,5 Millionen Abonnenten auf seinem Youtube-Kanal versammelt hat, weiß, wie man auf einer Veranstaltung wie der "Glow", auf der neben ihr 200 weitere Influencerinnen und Influencer auftauchen werden, zum Top-Gesprächsthema wird. Und deshalb erscheint der Social Media-Star in Berlin mit grün gefärbter Frisur auf dem roten, Entschuldigung, pinken Teppich von "Deutschlands größter Beauty-Convention" (Selbstbeschreibung der Glow).
Was die 11 bis 15 Jahre alten, überwiegend weiblichen Fans der Youtuberin natürlich aufgeregt zur Kenntnis nehmen. "Papa, Dagi hat grüne Haare!", platzt es wenig später aus einer der jungen Besucherinnen raus, während sie stolz das eben ergatterte Selfie mit ihrem Liebling präsentiert. "Wahnsinn", sagt Papa und versucht gar nicht erst, begeistert zu klingen.
Eltern mögen vielleicht den Kopf schütteln über eine Veranstaltung wie die Glow. Doch für alle anderen Beteiligten ist die Beauty-Convention längst eine der wichtigsten Influencer-Veranstaltungen Deutschlands und auf dem besten Weg, den etablierten Kölner "Videodays" den Rang abzulaufen.
Größer, bunter, lauter ist das Motto: Erstmals ging die Veranstaltung in der Station Berlin am ersten Novemberwochenende 2017 über zwei Tage. In einer Phase, in der die Werbebranche intensiv wie nie über das Für und Wider von Influencer Marketing diskutiert, wollen die Macher der Glow-Convention aufs Gas drücken, erklärt Glow-Geschäftsführer Maiko Heinrich: "Auch wir bewegen uns in diesem Kosmos aus Awareness, Conversion, Performance, Influencern, Engagement und mehr oder weniger belastbaren KPIs. Mit der Glow bringen wir das echte Leben in diese Gleichung."
Neben Autogramm- und Selfiestunden mit Influencern gab es für die rund 12.000 Besucherinnen und Besucher an den Ständen der rund 80 Marken reichlich Goodies abzustauben. Showacts wie "Marcus und Martinus", ein norwegischer Verschnitt der "Lochis", oder Model Stephanie Giesinger sorgten für obligatorische Kreischkonzerte.
Allgegenwärtig sind Smartphones und Kameras, mit denen die Besucher ihr Wochenende auf der Glow live im Netz dokumentieren. Allein auf Instagram finden sich zum Hashtag #Glowcon schon mehr als 18.000 Beiträge. Heiko Hebig, Partnerships Manager Nordeuropa bei Instagram, nutzt die Veranstaltung, um mit den Topstars der Plattform direkt ins Gespräch zu kommen: "Ein großes Thema ist nach wie vor Branded Content. Transparenz in der Zusammenarbeit von Marken und Content-Erstellern wird immer wichtiger und darum haben wir unser Tool für Branded Content ausgerollt, dass sehr gut angenommen wird. Darüber und über viele andere Dinge sprechen wir mit den Künstlern hier vor Ort."
Den Fans sind die abstrakten Diskussionen der Marketing- und Social Mediaprofis natürlich egal. Sie sind für das Erlebnis gekommen. Und ein solches Erlebnis ist Influencer Marvyn Macnificent (sic!), der an einem der Stände sich und seine Frisierkünste vorführt. Bunte Haare, knallenge Jeans, eine Jacke in Hippiefarben, lila geschminkte Lippen, es fällt einem leider kein anderes Adjektiv als "schrill" zu Marvyn ein, dessen Videos auf Youtube immerhin von mehr als einer halber Million Abonnenten geschaut werden.
Während Mädchen, die kaum das Teenageralter erreicht haben, begeistert ihre Smartphones zücken, versteckt eine Mutter ihre Fassungslosigkeit nur mühsam hinter dem Satz: "Guck’ dir diese Fingernägel an!" Die Zurechtweisung erfolgt prompt durch ihre empörte Tochter: "Mama! Es gibt eben noch Menschen mit gesundem Selbstbewusstsein." Dass Marvyn gerade mit gesundem Selbstbewusstsein Haarpflegeprodukte präsentiert, spielt in diesem Moment keine Rolle.
Es sind diese kleinen Begebenheiten, die zeigen, wie vielschichtig die Beziehungen zwischen Fans, Influencern und Marken sind. Um genau das zu erleben und zu beobachten, dafür ist Thorsten Mühl auf der Glow. Der Mann mit dem Zungenbrecher-Jobtitel "Director Digital Marketing Disney Deutschland" beobachtet das Treiben, als Dagi Bee und Co. vor den Fotografen über den Roten Teppich flanieren. Auch wenn Beauty und Lifestyle nicht zum Kerngeschäft des Unterhaltungskonzerns gehören, will er live spüren, welchen Sog die Glow entwickelt: "Das ist mehr als bemerkenswert, was hier bewegt wird. Es ist digital, es ist schnelllebig und durch die Influencer wird es emotional. Ich denke, jeder, der im Marketing tätig ist, sollte genau beobachten, was hier passiert."
Aus der Rolle des Beobachters ist Christoph Werner, Geschäftsführer Marketing und Beschaffung bei DM, schon raus. Als neuer Mitveranstalter der Glow setzt der Drogeriehändler ein deutliches Zeichen, wie er die Zielgruppe in Zukunft erreichen will. "Die Kommunikation mit dem Kunden muss sich zeitgemäß weiterentwickeln", begründet Werner den Einstieg bei der Beauty-Veranstaltung. Für Werner vollzieht sich damit eine Entwicklung, die schon vor ein paar Jahren begonnen hat: "Es wurde immer davon geredet, dass sich durch Soziale Medien die Deutungshoheit über Marken vom Marketing zum Kunden verschiebt. Jetzt sehen wir erst, was das wirklich bedeutet. Im Mittelpunkt dieser Entwicklung stehen die Influencer, die mit ihren Empfehlungen die neuen Orientierungspunkte für die Kunden sind."
Wenn das aufgeht, kann Werner schon mal die Regale in seinen Märkten neu befüllen lassen. Es könnte sein, dass demnächst häufiger Fragen nach grüner Haarfarbe kommen werden.