
BGH-Verhandlung:
Öko-Test streitet mit Otto und Baur
Haben die Versandhändler Otto und Baur das Gütesiegel von Öko-Test widerrechtlich verwendet? Diese strittige Frage verwies der Bundesgerichtshof heute an den EUGH.

Foto: BGH
Dem Bundesgerichtshof (BGH) liegen zwei Klagen der Zeitschrift "Öko-Test" vor, über die heute verhandelt wurde. Das Magazin hat die Versandhändler Otto und Baur wegen unlauterer Werbung verklagt (Az: I ZR 173/16 und 174/16). In beiden Fällen wurde demnach mit einem "Öko-Test"-Label geworben, obwohl die abgebildete Ware nicht getestet wurde. Auch wenn die Produkte nur in Farbe oder Größe von den tatsächlich geprüften abwichen, sieht "Öko-Test" sein Markenrecht verletzt.
Worum geht es in den Verfahren?
Im ersten Fall klagt "Öko-Test" gegen den Online- und Versandhändler Otto. Der hatte in seinem Internetportal eine blaue Baby-Trinkflasche und einen grünen Baby-Beißring angeboten und daneben jeweils das Test-Label "sehr gut" gestellt (I ZR 173/16).
Im zweiten Fall hatte der zu Otto gehörende Baur Versand im Internet einen Lattenrost in verschiedenen Größen und Ausführungen sowie einen schwarz-weiß-roten Fahrradhelm angeboten - auch hier waren daneben die "Öko-Test"-Labels "gut" bzw. "sehr gut" abgebildet, beim Lattenrost mit der Fundstelle für den tatsächlich getesteten Rost mit verstellbarem Kopf- und Fußteil (I ZR 174/16).
Was gibt es dagegen einzuwenden?
Das Magazin "Öko-Test", das Waren und Dienstleistungen testet, sieht seine Markenrechte verletzt. Es hat die Versandhändler auf Unterlassung und Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von insgesamt über 4500 Euro verklagt.
Der Kläger-Anwalt warf den Händlern vor, sich des guten Rufs der Marke "Öko-Test" zu bedienen, ohne eine eigene wirtschaftliche Leistung dafür zu erbringen.
Warum die Aufregung wegen einer anderen Farbe oder Größe?
Eine andere Farbe hat andere Inhaltsstoffe und so teilweise andere Eigenschaften - und auch die Eigenheiten eines Lattenrostes können je nach Größe differieren, wie eine Sprecherin der Verbraucherzentrale Bundesverband sagt. Für "Öko-Test"-Chefredakteur Jürgen Stellpflug ist es schlicht Irreführung, wenn ein Label neben einem Produkt prangt, das gar nicht getestet wurde - selbst, wenn es noch so ähnlich ist. "Wenn wir uns darauf einlassen, weiß der Verbraucher am Ende nicht mehr, was wirklich getestet wurde." Der Versandhändler Otto, der die Öko-Siegel nicht mehr verwendet, sieht hingegen keine Irreführung, solange man auf das tatsächlich getestete Produkt hinweise.
Wie haben die Vorinstanzen entschieden?
Das Landgericht Berlin hat der ersten Klage (I ZR 173/16) stattgegeben und die zweite (I ZR 174/16) abgewiesen. In zweiter Instanz waren beide Klagen erfolgreich: Aus Sicht des Kammergerichts Berlin haben die Versandhändler die Wertschätzung der Marke in unlauterer Weise ausgenutzt und signalisiert, "Öko-Test" habe die angebotenen Produkte kontrolliert. Dagegen haben die Händler Revisionen eingelegt.
Was prüft der BGH?
"Öko-Test" hat im Jahr 2012 bei der EU das Label als sogenannte Unionsmarke zur Verbraucherberatung eintragen lassen. Danach kann das Magazin Herstellern und Händlern die Werbung mit von "Öko-Test" geprüften Produkten gestatten. Voraussetzung ist ein Lizenzvertrag, den die beklagten Versandhändler nicht mit "Öko-Test" hatten. Das höchste deutsche Zivilgericht muss nun prüfen, ob das Markenrecht von "Öko-Test" verletzt wurde.
Welche Bedeutung hat der Fall?
Aus Sicht von Jürgen Stellpflug weist der Fall weit über "Öko-Test" hinaus. "Es geht um die Nutzung von Wort-/Bild-Marken - das betrifft auch Institutionen wie ADAC, TÜV oder Stiftung Warentest, die ihre Labels nach einem Test zur Verfügung stellen." Klar ist, dass Hersteller und Händler es in der Werbung mit den Labels nicht immer ganz so genau nehmen. Allein "Öko-Test" hat in den letzten vier Jahren an die 1000 Abmahnungen wegen Label-Missbrauchs verschickt (siehe dazu: www.labelmissbrauch.de). "Öko-Test"-Geschäftsführer Stellpflug hofft, dass der BGH mit seiner Entscheidung dem einen Riegel vorschiebt.
Wie geht's weiter?
Alle Seiten warten nun gespannt auf die EuGH-Entscheidung (im Verfahren C-690/17). Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf hat dem EuGH einen ähnlichen Fall vorgelegt. Dabei geht es um eine aus Sicht von "Öko-Test" missbräuchliche Nutzung des Labels für Zahnpasta, bei der die Rezeptur im Vergleich zur getesteten Paste verändert wurde. Laut BGH sind die vorgelegten Fragen des OLG auch für die beiden in Karlsruhe verhandelten Fälle erheblich.
"Öko-Test"-Chefredakteur Jürgen Stellpflug äußerte sich enttäuscht. Er hatte gehofft, dass der BGH mit einem Urteil dem "wachsenden Label-Missbrauch einen Riegel vorschiebt". Nun gebe es möglicherweise erst in zwei Jahren Rechtssicherheit. Der Otto-Anwalt hatte hingegen schon in der BGH-Verhandlung auf Aussetzung plädiert, um die EuGH-Entscheidung abzuwarten.
dpa