Sascha Lobo über Sobooks:
"Wir gehören zu den langsamsten Startups Deutschlands"
Im Interview mit W&V erzählt Sascha Lobo von seiner Fake-Rezension beim "Spiegel" und davon, wie die Öffentlichkeit reagiert hat. Über sein Buchprojekt Sobooks sprach er übrigens auch.
Eigentlich hatten Sascha Lobo und W&V-Redakteurin Anja Janotta auf der Frankfurter Buchmesse ein Interview zum Thema Sobooks vereinbart. Doch dann war Lobo mit einem ganz anderen Thema groß in der Presse: Er hatte im "Literatur Spiegel" ein Buch rezensiert, das es gar nicht gibt. Um den Fake perfekt zu machen, hatten Lobo und sein Redakteur sogar einen Twitter-Account, eine Website und ein Video-Interview zu "Cybris" in die Welt gesetzt.
Herzlichen Glückwunsch, Ihre Drohung, den Mond zu sprengen, brauchen Sie nicht mehr einzuhalten. Ihr Favorit Johannes Korten hat ja als Persönlichkeit des Jahres den Virenschleuderpreis gewonnen. Macht aber gar nichts, die Nachricht, dass Sie eine Rezension in der Literaturbeilage des "Spiegel" gefaket haben, hat ja auch eingeschlagen wie eine Bombe. Wie kam's denn zu der Idee?
In einem neuen "Literatur Spiegel" schien mir der perfekte Ort für ein neues literarisches Instrument: die Offensivrezension, also die Besprechung eines Buchs, das es zwar noch nicht gibt, aber geben sollte. Ich hoffe, dass man ein solches Buch cargokultisch herbeirezensieren kann. Deshalb habe ich es probiert.
Ein eigener Twitter-Account für die Fake-Autorin, ein fingiertes Interview, sogar eine eigene Verlags-Website wurdenn angelegt. Dabei hätte nur die fehlende ISBN-Nummer, eine Amazon- oder Web-Recherche gereicht, um Sie zu enttarnen. War die Verschleierungstaktik überhaupt nötig? Und rein interessehalber: Wie viele User waren denn schlussendlich auf der Verlags-Website?
Ein paar tausend waren es schon, auch die Zahl der Buchbestellungen per Mail ist überraschend hoch (dreistellig). Die Verschleierungstaktik war allerdings keine, sondern eine Inszenierung, überhaupt muss man das eher als feuilletonistisches Gesamtkunstwerk betrachten. In digital vernetzten Zeiten ist "Enttarnung" aber doppelt relativ, weil ein wenig Recherche alles klarmachen sollte, aber zugleich bestimmte digitale Mythen von Offenlegungen unabhängig weiterleben.
Inwieweit waren die "Spiegel"-Oberen eingeweiht?
Natürlich wusste der "Spiegel" Bescheid, ich habe das vorgeschlagen und offensichtlich wurde es gedruckt.
Einige Hinweise gab es ja dann doch schon vorab, nur hat niemand vorher den Fake richtig mit Brimborium enttarnt. Hatten Sie eine Art Exit-PR dafür, wenn's zu früh aufgeflogen wäre?
Der Begriff "aufgeflogen" deutet in eine falsche Richtung, die Enttarnung gehört natürlich zum Gesamtkunstwerk der Offensivrezension dazu. Es gibt auch keinen Exit, sondern nur die Aufforderung an die Autorenschaft der Welt: Ein solches Buch fehlt, schreibt es, es wird gebraucht.
Hätten Sie einen solchen Roman zur skeptischen Digitaldebatte, den man "gar nicht schreiben kann", gern selbst geschrieben? Wenn man die Rezension liest, klingt es fast danach, als hätte man Sie des öfteren nach einem Roman mit erklärendem Sujet angebettelt.
Natürlich hätte ich dieses Buch gern selbst geschrieben, aber ich glaube nicht, dass ich das kann. Jedenfalls auf absehbare Zeit nicht, und das liegt eher daran, dass ich den in der Rezension vorkommenden Sturz in die digitale Realität für echt halte, ebenso wie die Einschätzung, dass wir darüber noch sehr, sehr wenig wissen. Also wirklich wissen. Angebettelt hat mich außer an diversen Bahnhöfen und vor Supermärkten bisher niemand, und das schien mir seltener um Romane zu gehen. Ich gebe jedenfalls immer etwas ab von dem vielen Geld, mit dem mich die Welt überhäuft, und empfehle auch allen anderen, das zu tun; es ist richtig, abzugeben an Leute, die weniger haben oder nichts.
Nun sagen Kritiker, dass "das niemanden mehr aufregt". Schließlich wäre das betrügerische Vorgehen zu professionell gewesen. Kann man heute nur plump und mit Haudrauf-Manier Medien-/Digitalschelte betreiben?
Das verstehe ich nicht so richtig, auch, weil gar nicht so viel Schelte in diesem Stunt verborgen ist, wie man gern hineinlesen möchte, höchstens 18 Prozent Schelte. Natürlich trägt das satirische Elemente in sich, Züge einer Parodie der Literaturkritik, aber das ist literarisch betrachte ja ohnehin ein wiederkehrendes Element: Unterhaltsamkeit durch Nachahmung und Überzeichnung.
War es denn überhaupt so - hat es niemanden aufgeregt? War es zu wenig Echo? Oder gab's nur einfach zu viel Konkurrenz bei der Buchmesse?
Die Antwort darauf möchte ich mal aus meiner persönlichen Perspektive geben: Käme es mir nur auf Getöse an, hätte ich sicher nicht diesen Weg gewählt, man kann mir ja viel vorwerfen, aber sicher nicht, dass ich regelmäßig Projekte mit mangelnder Presselautstärke machen würde. Hier war von Anfang an klar, dass es sich um eine Art Schelmerei für Eingeweihte handelt, die auch gar nicht alle verstehen würden können oder wollen. Eine Andy-Kaufmaniade, sozusagen. Sowas eignet sich kaum als großes Aufmerksamkeitsinferno.
Jetzt muss ich aber natürlich auch noch eine Frage zu dem stellen, worüber wir uns eigentlich unterhalten wollten: Ihre Buchcommunity Sobooks hat eine umfangreiche Koop mit Lufthansa gestartet. Passagiere können künftig über den Wolken in E-Books reinschnuppern, sie dort auch gleich kaufen. Gibt's denn weitere geplante Deals mit anderen Partnern?
Es kommen bestimmt irgendwann noch weitere Kooperationen, aber diese ist für uns sehr essenziell. Nicht nur, weil die Lufthansa so viele Passagiere transportiert, sondern weil wir im Flugzeug auch alle Vorteile von Sobooks sehr gut ausspielen können.
Die Verbindung E-Book - Flieger ist ja eigentlich naheliegend. Ist dies die erste Kooperation dieser Art?
Ein klares Jein, in den USA gibt es seit Mitte 2015 zumindest zwei Fluglinien, Jet Blue und South West, die E-Books im Flugzeug anbieten. Dazu kommt ein Bord-Entertainment-System von Lufthansa Systems, das viele Linien einsetzen. Aber – die funktionieren entweder mit zusätzlichem App-Download oder bieten nur Leseproben an und Kaufmöglichkeiten nach der Landung. In dieser Form, wie wir das tun, existiert es noch nicht. Insbesondere das Angebot, das E-Book direkt im Browser zu lesen und zu kaufen, die Zahlung mit Meilen und das E-Book-Angebot, das auf das Flugziel zugeschnitten ist. Für mich liegt der Charme in der Unmittelbarkeit, sofort loslesen zu können, mit zwei Klicks.
Gibt es Umsatz- bzw. Reichweitenziele, die mit der Kooperation verknüpft sind?
Natürlich, aber ebenso natürlich werde ich die jetzt hier nicht preisgeben. Die Ziele sind aber angemessen formuliert, weil ja klar ist, dass hier ein Markt gerade erst im Entstehen ist.
Wie wird das neue Angebot beworben?
In manchen Flügen loggen sich bis zu 30 Prozent der Passagiere ins Flugzeug-WLAN ein und sehen dann als erstes die Startseite, auf der wir prominent vertreten sind. Das ist bei über 100 Millionen Passagieren im Jahr in der Lufthansa-Gruppe ein enormes Kontaktpotenzial, also bereits Werbung für sich selbst durch die Platzierung. Zusätzlich wird es natürlich Öffentlichkeitsarbeit und gezielte Kommunikation im Netz geben, allerdings wohl erst 2016.
Wieviel aktive Nutzer hat eigentlich Sobooks derzeit? Und wie viele sollen es noch werden?
Diese Frage muss ich etwas ausholend beantworten. Wir sind ja noch am Anfang, weil wir uns als Startup nach dem Launch im Oktober 2014 der Buchwirtschaft angepasst haben: Wir gehören sicher zu den langsamsten Startups Deutschlands. Wir verfügen zwar inzwischen über die E-Book-Rechte an mehreren zehntausend Titeln und darunter sind auch die meisten Neuerscheinungen (was nicht so selbstverständlich ist, wie man vermuten möchte). Aber trotzdem haben wir erst rund 100 E-Books zum Kaufen auf der Plattform. Wir bauen das nach und nach aus, finden heraus, wie unser sehr neues Geschäftsmodell am besten funktioniert, wo die Stolpersteine sind und wo die Fallstricke und was aber dafür großartig läuft. Das ist auch deshalb ein langsamerer Prozess, weil wir als Startup natürlich zwischendurch immer wieder Kapital hereinholen müssen. Eingedenk dieser Tatsachen halte ich die Nutzerzahl von Sobooks von rund 20.000 Leuten für gut. Bis Mitte 2016 wollen wir sie in die Sechsstelligkeit hieven. Sehr großen Schub hat uns gegeben, dass nach langem Flehen die großen deutschen Verlagshäuser im Herbst 2015 endlich das harte DRM aufgegeben haben. Das stand uns sehr, sehr im Weg, aber jetzt weist alles in Richtung einer gleißend hellen Strahlezukunft.