Andere wie Derk formulieren vom Start weg mit großem Selbstbewusstsein, welche Führungsrolle sie einnehmen wollen, wenn es darum geht, eine neue Gesellschaftsstruktur von der Pike auf zu erschaffen. Der Key-Account-Manager will jedenfalls das Finanzielle regeln, wenn die Newtopisten dann irgendwann vom Verkauf der eigenen Produkte leben müssen. Die bayerische Kerstin macht als allererstes deutlich: Sie ist im Camp, um Anführerin zu werden. Was ihre Mitbewohner in der bescheidenen Scheune erwartet, wird deutlich, als sie wie die anderen Mitkämpfer 15 Minuten nach Zuhause zurückkehren darf, um die notwendigsten Dinge für ein Jahr "Newtopia" in eine genormte Kiste zu packen. "Zack, zack, zack, zack" lautet das Motto der resoluten 38-Jährigen. Tochter und Mann funktionieren. Wird das "Newtopia"-Team auch so spuren (müssen)?

Alles in allem trägt Sat.1 dick auf. Schlafen auf Stroh, kein fließendes Wasser, keine Toilette - nicht einmal Klowände, Wärme in Form eines Lagerfeuers, Milch und Eier als einzig garantierte Lebensmittel. Die Neuzeit tritt für die Gruppe nur in Form von holografischen Anweisungen der Produzenten auf. Das muss aber wohl so sein, wagt sich der Sender mit dem Reality-Format in die Vorabendhölle, wo schon vieles gescheitert ist. Wer hier als TV-Anbieter überleben will, braucht etwas ganz Besonderes, etwas sehr Unterhaltendes, etwas liebevoll Gemachtes oder einfach eine Mischung aus allem. Wo sich "Newtopia" einordnen wird – noch unklar.

Profitiert vom neuen Umfeld hat bereits der Werbekunde Toyota, der die Reihe mit seinem umfangreichen Auftritt begleitet. Mit der neuen RAV4-Flotte kutschiert der Autohersteller die Kandidaten zum letzten Heimaufenthalt und zurück nach Brandenburg. Das Product Placement kommt aus Kundensicht bestens zum Tragen, da ansonsten die Werbedichte gering ist. Nur ein 80-Sekunden-Spot-Block kurz vor Ende gegen 19.50 Uhr unterbricht "Newtopia" und den Werbekunden Toyota. Besser gepasst hätte nur noch, wenn das Team des Vermarkters SevenOne Media einen Baumarkt als Sponsor gefunden hätte: Die meisten Kandidaten packen Sägen, Nägel, Hammer und anderes Werkzeug in ihre Kiste.

Die Premiere ist aus Sendersicht sicher sehr gut gelungen: Die erste Folge "Newtopia" lockte ab 19 Uhr für 55 Minuten im Schnitt 1,61 Millionen junge Zuschauer vor die Bildschirme. Das macht satte 17,0 Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen in einer Zeitschiene, in der sich Sat.1 sonst mit der Zehn-Prozent-Hürde abmüht. Der Aufwand im Vorfeld war entsprechend groß, im Web ist #Newtopia schon mehrere Wochen alt.

Zum Auftakt ist dem Duo Sat.1/de Mol durchaus ein kurzweiliges Stück gelungen. Nun muss der oft glücklose Sender aber am Drücker bleiben und auf den Magnetismus der Gruppe hoffen. Welche Kandidaten stoßen sich ab, welche ziehen sich an, welche setzen sich an die Spitze ab? Wer kommt mit dem primitiven Leben und der Isolation zurecht - und wer nicht? Kann die Spannung gehalten werden? Schafft es das neue Vorabendformat, möglichst Zuschauer täglich wieder vor den Bildschirm zu ziehen?

Fazit: Solides Handwerk im Reality-Bereich – das hat Sat.1 an Tag eins in "Newtopia" bewiesen. Natürlich ist es ein Leichtes, wenn "Newtopia" erst einmal umfangreich vorgestellt und der Einzug der Probanden begleitet werden muss. Hier hat der Münchner TV-Kanal aber ordentliche Arbeit geleistet und durch die Social-Media-Einbindung vor Start im TV klug agiert. Dem Bällchensender muss es nun allerdings gelingen, am Ball zu bleiben und den Kampf ums Weiterkommen in "Newtopia" spannend abzubilden. Wenn nicht, dann dürfte es schnell ein krampfhafter Kampf um die Quote werden. Oder noch schlimmer - das, was der Bayer unter "Krampf" versteht: kompletter Schwachsinn.

Update: Am Dienstag – Tag zwei in "Newtopia" – verliert das neue Format zwar etwas an Zuschauerinteresse, hält sich aber dennoch wacker. 14,1 Prozent der 14- bis 49-jährigen Zuschauer verfolgten den zweiten Tag der Pioniere in ihrer neuen Welt. Insgesamt 2,6 Millionen Gesamtzuschauer waren weiterhin mit von der Partie.


Autor: Petra Schwegler

Die @Schweglerin der W&V. Schreibt seit mehr als 20 Jahren in Print und Online über Medien - inzwischen auch jede Menge über Digitales. Lebt im Mangfalltal, arbeitet in München.