"Eine hohe Online-Reputation ist die beste Vorsorge gegen einen Shitstorm"
Der sogenannte "Shitstorm" gehört inzwischen zu den gefürchteten Szenarien der Krisenkommunikation. Wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können und was sie in so einer Situation dringen vermeiden sollten, erläutert André Wigger von Burson Marsteller im Gespräch mit W&V Online.
Die Krisenkommunkation hat sich mit dem Social Web grundlegend geändert. In den vergangenen zwei, drei Jahren ist Social Media daher auch zu einem ihrer Kernbereich geworden. Der sogenannte "Shitstorm" gehört inzwischen zu den gefürchteten Szenarien. Wie sich Unternehmen darauf vorbereiten können und was sie in so einer Situation dringen vermeiden sollten, erläutert André Wigger von Burson Marsteller im Gespräch mit W&V Online. Er ist Managing Director im Büro Frankfurt am Main und leitet die Bereiche Krisenmanagement, Unternehmens- und Technologiekommunikation .
Es gibt ja verschiedene Gründe dafür, dass User plötzlich gesammelt ihren Unmut gegen ein Unternehmen im Social Web äußern. Das Unternehmen und sein Service kann selbst in die Kritik geraten, wie das bei der Bahn der Fall war oder bei Wiesenhof. Auch ein unbedachter Post kann den sogenannten „Shitstorm“ auslösen, wie kürzlich bei Nikon. Oder das Unternehmen hat die Gesetzmäßigkeiten des Social Web einfach nicht verstanden, wie Pril bei seinem Facebook-Design-Wettbewerb. Bei welchem Szenario entsteht der größte Schaden?
Dauerhafter Schaden entsteht vor allem dann, wenn ein Unternehmen wiederholt mit der selben Problematik in die Kritik gerät. Da sind es meist Fälle aus dem operativen Geschäft, die im Social Web diskutiert werden. Bei einer Sache wie dem Facebook-Wettbewerb von Pril, würde ich nicht von einem dauerhaften Schaden ausgehen. So etwas führt zu Unmut in der Community, amüsiert vielleicht, geht aber dann auch vorüber.
Was sind die wichtigsten Regeln für ein Unternehmen, das sich in einem "Shitststorm" befindet?
Zunächst: Cool bleiben. Es ist niemandem gedient, wenn im Affekt auf eine Weise reagiert wird, die die Sache womöglich nur noch schlimmer macht. Ein Unternehmen, das in der Kritik steht, muss dann natürlich kommunikativ reagieren – aber auch operativ, wenn die Kritik berechtigt ist. Nestlé beispielsweise hat einen Vertrag mit einem seiner Lieferanten für Palmöl gekündigt, nachdem Greenpeace bekanntgemacht hat, dass dieser indonesischen Regenwald rodete, um Plantagen anzulegen.
Welches Vorgehen würde dagegen nur zusätzliches Öl ins Feuer gießen?
Wenn ein Unternehmen auf Kritik nicht eingeht und sie nicht ernst nimmt, sondern sie als reine Meckerei abtut – oder sie gar zu zensieren sucht. Die Kritiker selbst anzugreifen oder nicht ernst zu nehmen heizt eine Krise zusätzlich an oder kann sie auch erst auslösen. In Nordamerika etwa wurde einem Musiker während eines Flugs mit United Airlines die Gitarre beschädigt. Als die Fluglinie seiner Schadensersatzforderung nicht nachkam, schrieb er den Song "United Breaks Guitars" und postete das Video bei Youtube. Drei Tage später begannen die Publikumsmedien über den Fall zu berichten. Auch die falsche Tonlage kann zusätzlichen Schaden anrichten. Der Duktus der alten Pressemittelung funktioniert im Social Web nun mal nicht. Individuelle Antworten sind gefragt, denn der Dialog zwischen Menschen ist eines der bestimmenden Merkmale von Social Media.
Aber nicht immer handelt es sich ja um fundierte Kritik. Häufig ist ein "Shitstorm" der Anlass für viele User, einfach mal ihren Unmut über das Unternehmen kundzutun.
Bei reinen Meckeren kann und muss ein Unternehmen gar nicht reagieren. Das muss man manchmal auch einfach aushalten. In der Regel flaut so ein Sturm dann aber auch schnell wieder ab.
Man braucht also gute Nerven für die Krisenkommunikation. Aber wie kann sich ein Unternehmen sonst auf einen "Shitstorm" vorbereiten?
Eine gute Online-Reputation, verbunden mit einem lückenlosen Monitoring, ist die beste Vorsorge. Außerdem muss Social Media heute in die klassische Krisenvorbereitung eingebunden werden. Ein Unternehmen kann sich vorbereiten, wenn es vorher Szenarien definiert, Entscheidungsprozesse festlegt und Simulationen durchführt. Außerdem muss das geeignete Personal bereit stehen, eventuell auch mit externer Hilfe. Denn im Fall der Fälle muss das Krisenteam in Echtzeit reagieren.
Sicherlich ist diese Beschleunigung auch ein Grund, weshalb viele Unternehmen dem Social Web skeptisch gegenüber stehen.
Ja, wir haben Mitte des Jahres eine Umfrage unter Entscheidern durchgeführt, bei der herauskam, dass 50 Prozent nicht wissen, wie sie mit Stakeholdern im Social Web kommunizieren sollen. Dabei unterschätzen viele von ihnen die Chancen. Wie gesagt, die beste Vorbereitung auf einen "Shitstorm" ist eine gute Online-Reputation und Vernetzung im Social Web. Wenn ein Unternehmen eine eigene Community hat, dann wird sie sich bei ungerechtfertigter Kritik sogar für das Unternehmen einsetzen. Und es kann sich aktiv in die Kommunikation einschalten. Wenn man die Firma im Social Web aber überhaupt nicht kennt, sie keine Follower oder Fans hat, dann fällt es ihr schwer, einzugreifen. Sie wird kein Gehör finden.
Ist der Sturm vorbei, hört die Arbeit ja nicht auf. Was muss da beachtet werden?
Die Arbeit hört eigentlich nie auf. Monitoring muss ständig betrieben werden, um frühzeitig reagieren zu können. Dann sollte nach einer Krise analysiert werden, wie die Kommunikation gelaufen ist, was gut und was schlecht war. Nur so lässt sich die Krisenkommunikation ständig weiterentwickeln. Wenn allerdings ein massiver Imageschaden entstanden ist, dann muss eine Marke ganz klassisch wieder aufgebaut werden.