Digitalwährung:
"Bitcoin ist dem derzeitigen Finanzsystem überlegen"
In den USA trommeln Investoren für die Kryptowährung. Und hierzulande? Geschieht wenig. Damit könnte einmal mehr eine wichtige technologische Entwicklung an Deutschland vorbeilaufen. Über die aktuelle Situation sprach W&V-Autor Franz Scheele mit Brian Fabian Crain, der sich in mehreren Bitcoin-Projekten engagiert.
Das Aus des Bitcoin-Handelsplatzes Mt. Gox im Februar sorgte für Negativschlagzeilen. Der Wert der Kryptowährung ist seither um die Hälfte gefallen. Was aber mitunter übersehen wird: Nicht die Währung selbst ist das eigentlich Revolutionäre, sondern die ihr zugrunde liegende Technologie. Über die aktuelle Situation sprach W&V-Autor Franz Scheele mit Brian Fabian Crain, der sich in mehreren Bitcoin-Projekten engagiert. So ist er Gründer des Epicenter Bitcoin und der Veranstaltungsreihe Bitcoin Startups Berlin.
Herr Crain, verschläft Deutschland gerade eine wichtige technologische Entwicklung?
Ja, da ist etwas dran. Beispielsweise habe ich auf der Heureka-Konferenz während der Berlin Web Week einen Vortrag zum Thema "Bitcoin" gehalten und gefragt, wie viele der Zuhörer Bitcoin haben. Selbst in einem so technikaffinen Publikum waren es gerade einmal drei. Deutschland hinkt in diesem Bereich den USA hinterher, insbesondere im Start-up-Bereich. Eine kleine und sehr aktive Bitcoin-Community gibt es in Berlin aber durchaus schon.
Ist Bitcoin denn derzeit überhaupt ein relevantes Thema?
Absolut. Bitcoin ist eine Technologie, über die man Werte, etwa Geldbeträge, von Person zu Person transferieren kann. Ohne dass dabei eine Institution wie eine Bank oder ein Kreditkartenunternehmen zwischengeschaltet ist. Diese Technologie ist meiner Meinung nach dem derzeitigen Finanzsystem überlegen. Bitcoin – oder jedenfalls etwas auf Grundlage derselben technologischen Struktur – wird langfristig Zahlungsmittel wie etwa Kreditkarten ersetzen.
Inwiefern ist Bitcoin Zahlungssystemen wie etwa PayPal überlegen?
Am offensichtlichsten sind natürlich die geringeren Transaktionskosten. Nach Berechnungen von Goldman Sachs würde der Gebrauch von Bitcoin allein in den USA zu Einsparungen in Höhe von etwa 165 Milliarden Dollar pro Jahr führen. Die Transaktionsgebühren bei normalen Bitcoin-Zahlungen liegen bei fast null. Und selbst wenn eine Firma Bitcoins in Lokalwährungen umtauschen will, um kein Währungsrisiko einzugehen, kostet das weniger als ein Prozent. Bei Kreditkarten sind es um die drei Prozent. Das ist ein enormer Unterschied.
Gibt es weitere Vorteile?
Ein anderer großer Unterschied ist, dass Bitcoin ein offenes System ist. Jeder kann ein Bitcoin-Wallet kreieren und damit an dem System partizipieren. Das ist besonders für Entwicklungsländer interessant, wo es mittlerweile eine Milliarde Menschen gibt, die zwar einen Internet-Zugang haben, aber keine Bankkonten und damit keinen Zugang zum Finanzsystem. Bitcoin wird für diese Menschen das Problem lösen und ihnen Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglichen.
In Deutschland wird derzeit Bitcoin kaum als Zahlungsmittel akzeptiert.
Es gibt in Berlin schon einige Cafés, Restaurants, Buchläden, die Bitcoin akzeptieren. Es sind nicht sehr viele, vielleicht 20 oder 25. Im Internet sind es einige Unternehmen mehr wie etwa 9Flats oder Lieferheld. Aber natürlich stehen wir hier noch am Anfang.
Bitcoin wird nicht nur als Zahlungsmittel, sondern auch als Spekulationsobjekt verwendet. Gerade die Kursschwankungen halten viele davon ab, sich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen oder gar Bitcoin zu kaufen.
Die Kursschwankungen hängen damit zusammen, dass wir es mit etwas völlig Neuem zu tun haben. Und damit, dass es noch relativ wenige Leute gibt, die Bitcoin nutzen. Das Transaktionsvolumen ist noch gering. Es gibt noch nicht viele Handelsplätze, die wirklich liquide sind. Das macht Bitcoin anfällig für Kursschwankungen. Das wird mit der Zeit abnehmen. Ich halte es auch nicht für ein besonders relevantes Problem. Unternehmen können Bitcoin akzeptieren und eine Firma zwischenschalten, die die Zahlungen sofort in Euro umrechnet, um das Wechselkursrisiko zu minimieren. Und es wird Tools geben, bei denen man Bitcoin nur im Backend nutzt und auf beiden Seiten in Lokalwährung umtauscht, also zum Beispiel Euro - Bitcoin, Bitcoin - Euro.
Der Bitcoin-Handelsplatz Mt. Gox ist vor wenigen Monaten zusammengebrochen und sorgte damit für Negativschlagzeilen. Bitcoin hat in der Folgezeit die Hälfte des Wertes eingebüßt. Was kann man aus dem "Fall Mt. Gox" lernen?
Es sind in dieser frühen Phase einige Bitcoin-Unternehmen von Leuten gegründet worden, die nicht über die Erfahrung verfügt haben, um solche Unternehmen professionell zu führen. Mt. Gox ist das beste Beispiel dafür. Aber es gibt noch ein zweites Problem: Wenn man Hacker ist und Webseiten angreifen möchte, dann ist natürlich nichts lukrativer als eine Seite, die große Mengen an Bitcoin hält. Viele Angriffe fokussieren sich auf Bitcoin-Seiten und manche haben nicht die Fähigkeit, sich zu verteidigen. Inzwischen gibt es aber technologische Lösungen, die deutlich sicherer sind. Derzeit werden Exchanges errichtet, die auf dieser neuen Technologie basieren. Ich denke, dass das Problem in den nächsten zwei Jahren gelöst werden kann.
Händler, die Bitcoin akzeptieren, verzeichnen nach einem anfänglichen "Boom" jetzt eher zurückgehende Transaktionen. Was läuft da schief?
Die Transaktionsvolumina in den vergangenen Monaten waren eher konstant. Allerdings gab es auch keine klaren Zuwächse. Die Barriere, Bitcoins zu kaufen, ist noch groß. Es ist kompliziert und dauert oft lange, bis man bei einem Bitcoin-Handelsplatz das Konto freigeschaltet bekommt. Im Moment ist deshalb der Anreiz für Nutzer, die nicht von einem potenziell steigenden Bitcoin-Kurs profitieren möchten, nicht groß genug. Das wird sich ändern, braucht aber seine Zeit.
Was würden Sie jemandem empfehlen, der erstmals diese Digitalwährung ausprobieren möchte? Worauf sollte er auf jeden Fall achten?
Man sollte zunächst ein gewisses Verständnis für die Technologie erwerben. Das muss nicht sehr tief gehen. Bitcoin in allein Details zu verstehen, ist durchaus schwierig. Doch sollte man wissen, wie Transaktionen funktionieren. Dann kann man in Deutschland zum Beispiel auf Bitcoin.de Bitcoin kaufen. Ich würde empfehlen, zunächst einen kleinen Betrag zu kaufen, ein Wallet zu installieren und etwas online einzukaufen, um damit Erfahrungen zu sammeln. Und wenn man später einen größeren Betrag in Bitcoin investiert, sollte man sich unbedingt mit dem Thema "Sicherheit" auseinandersetzen.
Wer über Bitcoin spricht, meint in der Regel die Digitalwährung. Nicht die zugrundeliegende Technologie. Was ist an der eigentlich das Revolutionäre?
Es handelt sich um ein Netzwerkprotokoll, über das ein Konsens erreicht werden kann, obwohl sich die verschiedenen Parteien innerhalb des Netzwerks nicht unbedingt vertrauen. Es gibt bei Bitcoin bekanntlich keine zentrale Instanz, sondern das Netzwerk besteht aus etwa 100.000 Bitcoin-Knoten, also Rechner, die an diesem Netzwerk partizipieren. Wie die einen Konsens erreichen können über irgendeinen Sachverhalt, das ist das eigentlich Revolutionäre.
Und wofür kann man es nutzen?
Einmal kann man einen Konsens darüber herstellen, wer die Rechte an wie vielen Bitcoins hält. Aber das ist eben nur ein Punkt. Eine andere Anwendungsmöglichkeit wäre zum Beispiel, dass man die Existenz eines bestimmten Vertrags beweisen kann. Gegenwärtig würde man zu einem Notar gehen, um sich dies bescheinigen zu lassen. Aber man kann auch einen Hash machen, über den Dateien eindeutig gekennzeichnet sind. So kann man beweisen, dass dieses individuelle Dokument zu einem bestimmten Zeitpunkt existiert hat. Anwendbar ist das überall dort, wo man derzeit eine notarielle Beurkundung braucht wie etwa bei der Eigentumsübertragung an einer Wohnung oder bei einem Testament.
Könnte es also sein, dass selbst bei einem Scheitern von Bitcoin sich die dahinterliegende Technologie durchsetzt?
Absolut. Natürlich ist es möglich, dass Bitcoin scheitert. Wir befinden uns gegenwärtig noch in einer recht frühen Phase. Persönlich glaube ich allerdings, dass ein Scheitern unwahrscheinlich ist. Die Technologie wird sich aber mit Sicherheit durchsetzen.
Wo liegen hier Chancen für Start-ups?
Im Moment ist der Bedarf an Services groß, die den Wechsel von Euro zu Bitcoin und von Bitcoin zu Euro vereinfachen. Das ist derzeit noch zu kompliziert. Darüber hinaus gibt es eine enorme Bandbreite an dezentralen Services, die entwickelt werden können. In New York arbeitet zum Beispiel ein Start-up daran, Frequent-Flyer-Bonuspunkte durch Krypto-Currencies zu ersetzen. Auch Hardware-Wallets sind ein interessantes Gebiet für Start-ups. Wallets, also digitale Geldbörsen, sind ja eigentlich eine Software, die Bitcoins halten. Weil die Möglichkeit von Diebstählen besteht, sind Hardware-Wallets eine interessante Lösung, also Wallets mit eigenem Chip. In diesem Bereich existiert zwar schon einiges, es gibt aber dennoch einen großen Bedarf, dass jemand ein Produkt auf den Markt bringt, das günstig ist und gut funktioniert.