Branding:
"Bestnote" oder "Hipster Design"? - Meinungen zum Dmexco-Relaunch
Was sagen eigentlich Design-Profis zum neuen Markenauftritt der Dmexco? Ein W&V-Umfrage ergab wohlwollende Zustimmung bis Begeisterung - mit einer Ausnahme.
Über kaum etwas streiten Branding-Experten so gern wie über neue Logos und Markenauftritte. Beim Rebranding der Digitalmesse Dmexco dagegen ist sich die Branche fast einig: Der Koelnmesse und ihrer Agentur Navarra ist ein guter Wurf gelungen. Manchen Branchenköpfen ist sogar Erleichterung anzumerken - nicht, weil man Navarra den Job nicht zugetraut hätte, sondern weil man sich mit dem alten Corporate Design der Messe zunehmend unwohl fühlte. Insgesamt acht Design-Profis hat W&V zum neuen Demexco befragt. Nur einer von ihnen findet den Relaunch misslungen - vor allem die Website.
Jürgen Siebert: "Weniger Zeitgeist, mehr Verbindlichkeit"
"Als Monotype vor drei Jahren zum ersten Mal an der Dmexco teilnahm, fiel es uns schon ein bisschen schwer, unseren Stand mit dem türkis-roten Stellwand-Logo zu promoten: zu schrill, zu Techno, zu beliebig. Umso mehr freut es mich nun, dass das Branding der Digital-Marketing-Messe komplett überarbeitet wurde. Was man auf der Website aktuell sehen kann, ist vielversprechend. Kompliment an die Agentur Navarro, die nur drei Monate Zeit für den Relaunch hatte! Mir gefällt vor allem die Font-Wahl (Pressura, von der Schweizerischen Foundry Grilli Type), eine abgerundete Korrespondenzschrift, die der Website ordentlich Dynamik verleiht. Die beiden Schmuckfarben Blau und Rot sind jetzt solide definiert, und damit zeitloser. Fazit: weniger Zeitgeist, mehr Verbindlichkeit." Jürgen Siebert, Marketing Director bei Monotype DACH
Christian Hanke: "Die wahre Herausforderung kommt noch"
"Die Neuerfindung der Demexco war schon auf der letzten Messe spürbar nötig – daher freue ich mich sehr über den Neuanfang. Wissen braucht keinen geografischen Ort mehr, deshalb ist es konsequent Inhalte ganzjährig zu verteilen und dadurch relevant zu werden. Das neue, angenehm zeitgemäße Erscheinungsbild ist genau dafür gedacht. Erfolgreich der Versuchung widerstanden, sinnlos Grundrisse oder Ortsbezüge oder Ähnliches zu nehmen. Stattdessen steht der Inhalt wirklich im Vordergrund – bin gespannt wie gut das durchgehalten wird.
Das Markenzeichen funktioniert meist wunderbar flexibel bis zum reinen Quadrat-Kreis – einzig das Stottern des Akronyms stört: man liest entgegen der Aussprache Dm-Expo, aber das ist inhaltlich begründbar. Die Anwendung im Web ist spielerisch und gut differenziert. Ich bin allerdings gespannt auf die wahre Herausforderung: wie kann durch den visuellen Rahmen die naturgemäß grabbelig-wuselige Expo besser ausschauen? Hoffentlich werden dort die Stände visuell strenger kuratiert, um auch dort Niveau zu halten." Christian Hanke, Partner Edenspiekermann
Felix Damerius: "Man musste an das Design ran"
"Zweifelsfrei: An das Corporate Design der Dmexco musste man ran – und wenn man die inhaltliche Neuausrichtung berücksichtigt, ist ein neuer Auftritt der richtige Hebel. Das überarbeitete Corporate Design wirkt jetzt auch moderner, jünger und dynamischer. Der responsive Ansatz ist gut und kann durch die reduzierte Farb- und Formensprache einfach variiert und an vielen Touchpoints charakteristisch eingesetzt werden. Noch stärker würde es überzeugen, wenn man diesen Ansatz in den kommenden Jahren kontinuierlich weiterentwickelt und er seine Wandelbarkeit jedes Jahr neu belegen kann. Was nicht so ganz klar wird ist, warum das Quadrat und der Kreis als Symbole verwendet werden. Das lässt sich vielleicht formal begründen, inhaltlich herleiten aber nicht. Und was noch auffällt: Auch weiterhin wird man D-mexco und nicht Dm-exco sagen. Das ist gelernt." Felix Damerius, Creative Director Peter Schmidt Group
Annika Kaltenthaler: "Ein wirklich gelungener Case"
"Für den neuen Dmexco Auftritt vergebe ich Bestnoten. In unserem Branding-Alltag erleben wir ja leider oft, dass in die Jahre gekommene Konzepte und Erscheinungsbilder notdürftig an der Oberfläche schönheitsoperiert werden – was der Marke im Kern aber wenig weiterhilft. In diesem Fall wurde der gesamte Auftritt aber konsequent neu gedacht, entwickelt und für die Digitalisierung fit gemacht. Das Logo-Design entspricht zu 100% dem, was sich die Zielgruppe heute wünscht: es ist minimalistisch, smart, digital und animiert.
Die Vereinfachung der Bildmarke auf zwei simple Formen – Kreis und Quadrat – ist zwar keine neue Form-Erfindung, entspricht aber dem Simplify-Gedanken des State-of-The-Art im Design; und funktioniert als Kurzform mobil auch noch sehr gut. Die Farbigkeit des Designs wurde perfekt ins Jetzt übersetzt, mit dem leuchtenden RGB Blau im digitalen Hauptmedium toll in Szene gesetzt.
Der puristische Schwarz-Weiß-Gesamtlook ist auch im Raum stimmig und wirkungsvoll. Besonders spannend: auf den ersten Blick ist zu erkennen, wieviel sich inhaltlich getan hat. Ein Storytelling-Ansatz und aktivierende Headlines erwecken das vormals starr wirkende Format zu neuem Leben – und laden dazu ein, Teil der Dmexco zu werden. Das Thema Customer Centricity ist gerade DAS große Branding-Thema, wurde hier aber ernst genommen – und zwar eben nicht "nur mal so grundsätzlich als nette Idee", sondern bis zur tatsächlichen Umsetzung an den unterschiedlichen Touch Points. Insgesamt ein ganzheitlich wirklich gelungener Case." Annika Kaltenthaler, Creative Director bei Zeichen & Wunder
Christian Büning: "Adios, Mexico"
"Eine Wortmarke zu gestalten, die das 'Mexico' aus dem Kopf verschwinden lässt, ist keine leichte Aufgabe, die aber tatsächlich gelungen ist. Sperrigkeit als Umparkhilfe im Kopf ist nicht ganz ohne Risiko, funktioniert hier jedoch ziemlich gut." Christian Büning, Büro Büning / Vizepräsident Deutscher Designertag
Mo Toutoungi: "Alles richtig gemacht - mit einer kleinen Ausnahme"
"Aus meiner Sicht ist die "DM-Exco" ein sehr gutes Beispiel, wie eine Transformation durch eine kluge Markenstrategie und durch ein neues Design erlebbar gemacht wird. Den Auftritt im Web und Mobile finde ich sehr zeitgemäß, plakativ und mutig. Alles richtig gemacht. Mit einer kleinen Ausnahme: Leider ist der Boomerang Effekt etwas zu viel des Guten - etwas mehr Ruhe aus Usersicht hätte dem Auftritt gut getan." Mo Toutoungi, Creative Director, The Hamptons Bay Design Company
Christine Lischka: "5 Sterne"
"Dass eine Digitalmesse beim Redesign ihres Auftritts auf optimale Funktion im Web setzt, ist nachvollziehbar. Der neue Dmexco Auftritt involviert, bietet Content und setzt Maßstäbe wie eine Messe, die als innovativ und kommunikativ positioniert ist, sich neu erfindet. Allein das Wort Messe wirkt eigenartig altertümlich in Verbindung mit diesem Auftritt.
Das Vorgängerlogo wirkte in der Tat schon etwas ältlich.
Das neue Logo gehört zum Gesamtkonzept eines responsiven Auftritts. Logos müssen heute in verschiedensten Anwendungen funktionieren, auf dem Smartphone wie auf dem Citylight Poster. Darum liegt das neue, responsive Logo der Dmexco voll im Trend: die Typografie ist serifenbetont und bold, formal sehr reduziert. Die Formsprache zusätzlicher Logo-Elemente beschränkt sich mit Kreis und Quadrat auf geometrischer Grundformen. Der rote Kreis und das blaue Quadrat tauchen als Navigationselemnte im Leitsystem wieder auf. Insgesamt ist die Beschränkung auf 2 Farben sehr wohltuend.
Zum Glück ist der Trend vobei, wonach sich digitale Kompetenz in wabernden, dreidimensionalen, das ganze Farbspektrum abdeckender Formen präsentieren muß.
Die Dmexco zeigt ein neues und entspanntes Selbstverständnis mit ihrem souveränen Auftritt. 5 Sterne." Christine Lischka, Managing Director Serviceplan Design
Tim Böker: "Ein Hipster Design ohne Identitiät"
"Moderner ist der Auftritt gestalterisch meines Erachtens nicht. Man merkt, dass der Markenauftritt in so kurzer Zeit aus dem Boden gestampft wurde.
Das Ganze erinnert stark an an Bauhaus in 2018 übersetzt. Eine mehr als langweilig übersetzte Typologie, die nichts mit Innovation, Customer Centricity oder "Fast Forward" zu tun hat.
Ein Hipster Design ohne Identitiät. Langweilige Typo, die schon vor drei Jahren in jedem modernen urbanen Blog zum Einsatz gekommen ist.
Speziell bei der Website gilt leider das Prinzip "Function follows form". Nutzerführung und Informationsaufbereitung sind alles andere als nutzerfreundlich. Das zeigt zum Beispiel die Conference-Seite. Einfach nur ein Design mit Selbstzweck statt nutzerfreundlicher Bedienung.
SXSW, Websummit oder Fifteen Secons machen das leider alle besser.
Natürlich war das alte Dmexco-Design schlimmer, das ist keine Frage. Umso trauriger, dass man nicht mehr rausgeholt hat." Tim Böker, Gründer und Geschäftsführer Kommerz