Umfrage:
Diese Trends bewegen die Digitalbranche - Teil 1
Die Dmexco präsentiert sich dieses Jahr mit einem an die Corona-Pandemie angepassten Konzept. Im ersten Teil der W&V-Serie verraten Branchenexperten, welche Trends an Bedeutung gewinnen.
In wenigen Tagen werfen im Zuge der Dmexco in zwei moderierten Studios internationale Speaker – live vor Ort aus Köln oder per Stream von überall auf der Welt – einen Blick auf zukünftige Business-Potenziale. W&V hat im Vorfeld Experten der Digiconomy gefragt, welche Trends richtungsweisend für die Zukunft sind, insbesondere vor dem Hintergrund, dass COVID-19 viele Business-Modelle verändert hat und einige Entwicklungen rasant vorangetrieben hat.
Gaming goes mainstream
Jahrzehntelang galt Gaming als Nischenmarkt - obwohl der Sektor in vielen technologischen Belangen führend war. Die Pandemie macht es nun möglich, dass alle 'heiß' auf die Technologien, aber auch Anwendungen sind. Facebook Horizon wird nach mehreren weniger erfolgreichen Versuchen der Durchbruch zusammen mit Oculus Venues gelingen. Die im September erscheinende Oculus Quest 2, die allem Anschein nach zu einem Massenmarkt-tauglichen Preis von nur 300 Dollar alle Rekorde brechen wird, bringt den Tipping Point im Markt für VR Brillen. Hybride Live Events wie z.B. NBA Basketball-Spiele lassen sich in Zukunft via Oculus live vom Spielfeldrand in VR anschauen. Durch Corona hat VR eine breitere Akzeptanz gefunden und trifft auf das Verlangen, Live Events zwar erleben zu wollen, aber keine Gesundheitsrisiken eingehen zu müssen. Gleichzeitig mieten Gaming Companies wie bspw. LVL in Berlin Innenstadtflächen an und erfüllen damit einen neu entstandenen Bedarf ihrer Zielgruppe. Dies lässt auf eine ähnlich rasante Entwicklung wie nach der Einführung des iPhones schließen. Gaming Expertise wird nachgefragter denn je und die Gaming Community noch hipper.
Mathias Ullrich, Managing Director bei LIGA2037
Sustainable Convenience im neuen Normal
Ein Trend, der gerade vorsichtig aus internationalen Umfeldern herüberschwappt und absolut in die Zeit von Greta und COVID-19 passt, ist Sustainable Convenience. Wir haben einen Großteil dieses Jahres zuhause verbracht und konnten auch über Corona die Klimakrise nicht ganz vergessen. Und da kommen sie, die neuen Konzepte für unseren Alltag, die nicht nur auf Convenience setzen, sondern auch Nachhaltigkeit im Blick haben. So macht es uns zum Beispiel Loop vor, die hochwertige Verpackungen für Lebensmittel und Produkte des täglichen Gebrauchs anbieten. Der Twist dabei: Sie sind alle wiederverwendbar, werden mit Inhalt bis zur Haustür gebracht und leer wieder abgeholt. Kein Müll und kein Einkaufsstress, was will man mehr? Loop hat bereits zahlreiche Marktführer im Programm, kooperiert in den USA mit Walgreens und in den UK mit Tesco. Die Frage ist: Schaffen wir es in Deutschland auch einmal Vorreiter zu sein, oder schauen wir den anderen weiter beim Sprung in ein neues Zeitalter zu? Der Launch von Loop für Deutschland steht auf jeden Fall schon an.
Eva Reitenbach, Managing Director bei Oddity Jungle
Werbung in Podcasts: Die Branche boomt, aber die Vermarktung hinkt
Die Userakzeptanz bei Werbung in Podcasts liegt derzeit bei knapp 90 Prozent – ein sensationeller Wert. Das Angebot ist breit und wächst schnell – mit hochwertigen Podcasts für nahezu alle Zielgruppen. Aber im Vermarktungsbereich wurde die wichtigste Hürde noch nicht genommen: übergreifende Standards und anwendbare Lösungen für das Programmatic Zeitalter, heißt: Dynamic Ad Insertion, einheitliche
Mess-Standards auf allen Ausspielplattformen und aktuelle Mediadaten. Nur eine gemeinsame Initiative kann die Gattung voranbringen.
Maximilian Balbach, Geschäftsführer der Crossvertise GmbH
Mobile First: Mobile Nutzung, Apps und kontaktlose Technologien erleben starken Zuwachs
Die Pandemie hat gezeigt, dass die Nachfrage nach mobilen Inhalten sprunghaft angestiegen ist. In fast allen Lebensbereichen, so das Ergebnis einer Studie, die wir während des Lockdowns weltweit durchgeführt haben. Verbraucher haben nicht nur damit begonnen, mobile Apps und mobile, kontaktlose Services vermehr herunterzuladen, sondern viele haben sie auch zum ersten Mal genutzt. Diese Entwicklung im Verbraucherverhalten hin zu Mobile sollten Marken für sich nutzen, um neue Kunden zu gewinnen und ihre mobile Nutzererfahrung so einfach und angenehm wie möglich zu gestalten. Die neue Normalität wird auf absehbare Zeit bestehen bleiben, also müssen sich viele Marken und Unternehmen auf den Wandel einstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Laura Schwarz, Regional Manager for Central and Eastern Europe bei Airship
Darf's ein bisschen agiler sein?
Ob wir wollen oder nicht, COVID-19 hat Entwicklungen angestoßen, die nicht mehr reversibel sind. Marketingverantwortliche prüfen Budgets, Unternehmer wägen bedachter ab und Resilienz ist das Wort der Stunde. Während wir jahrelang Strategien, neue Tools und schnellere Technologien auf dem Plan hatten, wissen wir heute: Der bessere Plan heißt Agilität. Gefordert ist eine besondere Flexibilität, um auf Veränderungen reagieren zu können. Mit Digitalisierung rund um KI und 5G haben wir das Rüstzeug. Kommt eine entsprechende agile Haltung dazu, können Unternehmen auch in fordernden Situationen im Markt weiter bestehen, ein neues Geschäftsmodell entwickeln oder eine Produktinnovation hervorzubringen. Dazu brauchen wir kleinere Organisationseinheiten, die autonom Entscheidungen treffen können und das Prinzip von Intrapreneurship.
Nadine Rigele-Hübl, Director Innovation Consulting bei TOWA
Konsumenten wünschen sich personalisierte Relevanz
Zweifellos hat die COVID-19-Krise die Adaption digitaler Kanäle - ganz gleich ob Medien, Retail oder Erlebnis - massiv vorangetrieben. Damit einher geht jedoch das steigende Konsumentenbedürfnis nach persönlicher Relevanz. In der gegenwärtigen Krise hinterfragen Konsumenten aufgrund ihrer ökonomischen (und emotionalen!) Situation zunehmend die Sinnhaftigkeit ihrer Konsumentscheidungen. Das spiegelt sich schon heute in der zurückhaltenden Konsumstimmung wider. 2021 wird zeigen, dass Personalisierung im Marketing weit über den korrekten Vornamen in der E-Mail-Ansprache hinausgeht: Hyper Targeting wird nur dann funktionieren, wenn Produkte, Themen und Inszenierung in die Lebenswelt der Konsumenten passen. Ob Nachhaltigkeit, Gesundheit oder Resilienz: Marken, deren digitale Erlebnisse sich diesen Themenfeldern bedienen, diese individuell für ihre Zielgruppen aufbereiten und mit dem eigenen Angebot verknüpfen, werden im kommenden Jahr gestärkt aus der Krise gehen.
Ulrich Köhler, Geschäftsführer Trendbüro
Cloud-basiertes Arbeiten bringt Kreation auf ein neues Level
COVID-19 hat das Unvermeidliche beschleunigt. Der Lockdown hat alle ins Netz gezwungen. Für Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit Remote-Arbeitsplätzen haben, war der plötzliche Shift sicherlich erträglich. Das Entwickeln neuer Ideen und Kreationen ist ein anderes Kapitel. Viele Unternehmen speichern immer noch kreative Bausteine wie Entwürfe, Schriften oder Templates auf lokalen Servern oder sogar auf den Rechnern eines jeden Teammitgliedes, was für die Unternehmens-IT eine große Herausforderung bedeutet, wenn alles synchron gehalten werden soll. Ganz anders sieht das bei einem Cloud-basierten Asset-Management aus, auf das Teams überall und jederzeit zugreifen können. Die Cloud-basierten Lösungen ermöglichen ein ungehindertes zusammenarbeiten für Kreative in Verbindung mit Remote-Arbeitsplätzen. Damit nicht genug. Es liegt nämlich nahe, die aktuellen Umstände nicht als vorübergehend zu betrachten, sondern als eine Chance (vielleicht die beste Chance), sich längerfristig anzupassen.
Christopher Kollat, Senior Vice President, EMEA Revenue bei Monotype
Von der Messe zum virtuellen Event
Durch die weltweiten Absagen von Messen und Events ist ein zwar sehr kostspieliges, aber für Viele auch essentielles Marketinginstrument weggefallen. Vorausschauende Marketer haben ihr Budget für Messen in diesem Jahr zügig in ihre digitale Präsenz und in Tools für virtuelle Produktpräsentation sowie Rundgänge, z.B. mit Augmented Reality, Instrumente zur Leadgenerierung, hybride Events etc. investiert. Frühestens im 2. Quartal nächsten Jahres werden wir sehen, was davon langfristig zur Ergänzung realer Veranstaltungen nutzt oder wo noch Nachholbedarf besteht. In jedem Fall hat die Krise spannende Impulse gesetzt und digitale Entwicklungen im Marketing massiv beschleunigt.
Judith Koller, Senior Account Director bei Schalk & Friends
Auch nach Corona heißt es: flexibel bleiben
Wenn Corona uns eines gelehrt hat, dann ist es, flexibel zu sein. Sowohl auf Dienstleister-, als auch auf Unternehmensseite waren immer wieder schnelle Anpassungen gefragt. Sei es die Mehrwertsteuersenkung, die bei vielen sehr schnell umgesetzt werden musste, oder auch die gesamte Kundenkommunikation während Corona: Filialschließungen, Filialöffnungszeiten, Lieferzeiten, Kundenservice – all das musste von einem Tag auf den anderen in den Online Shop eingebunden werden. Wer da flexibel ist, punktet! Das Thema Flexibilität und Schnelligkeit wird uns noch länger begleiten. Wer weiß, was COVID-19 noch für uns in petto hat.
Kira Schirl, Chief Operating Officer der trbo GmbH