TechTäglich:
Apple und das iPad Pro: Ferrari mit Handbremse
Vor dem Mittagessen die wichtigsten Meldungen des Tages – das ist TechTäglich, die Technik-Kolumne von W&V. Heute mit Lob und Kritik für Apples neues iPad Pro und mit den Spotify-Favoriten für den ESC.
Apple und das neue iPad Pro: Ferrari mit Handbremse
Start frei bei Apple! Ab heute sind die neuen bunten M1-iMacs sowie die frisch getunten Neuauflagen von iPad Pro und Apple TV 4K verfügbar – sowohl in den Stores vor Ort als auch online. Allerdings sind die Lieferfristen auch wegen des globalen Chip-Mangels teilweise enorm. Wer heute bestellt, bekommt seinen iMac zwischen 16. Juni und 9. Juli. Und auch beim iPad Pro kann es bis Juli dauern, bis der freundliche Kurier klingelt und das Tablet vorbeibringt. Ob sich das Warten aufs iPad Pro lohnt – darüber geben jetzt die ersten Tests Aufschluss, die alle zu einem ziemlich einheitlichen Fazit kommen: Die Hardware des ersten Apple-Tablets mit M1-Chip ist ungeheuer schnell. Doch das Betriebssystem iPad OS mit seinen iPhone-Wurzeln kommt bei diesem Tempo nicht mehr hinterher.
Das Magazin Curved überschreibt seine Test-Zusammenfassung zurecht mit "Ein Ferrari mit angezogener Handbremse". The Verge urteilt zur Premiere des Mini-LED-Displays bei Apple: "Traum-Bildschirm – aber es ist eben immer noch ein iPad. Es hat sich nicht viel daran geändert, was ein iPad Pro ist, und was es kann." Größtes Problem: Das Turbo-Tablet bietet zwar enorme Leistungsdaten für Grafiker, Musiker, Fotografen oder Filmschaffende. Aber beim Umgang mit Daten und Dokumenten, im täglichen professionellen Arbeitseinsatz, ist es immer noch weit entfernt von den Möglichkeiten, von der Flexibilität und vom Komfort eines Mac. Deshalb steigt mit dem iPad Pro der Druck auf Apple, macOS endlich auch auf seine Tablets zu bringen. Engadget sieht es ähnlich: "Apples Hardware dürfte seine Software überholt haben." Und von MacStories stammt der zitierte Ferrari-Vergleich: "Zukunft auf Standby. Manchmal fühlt sich das iPad Pro 2021 an, als würde man mit einem Ferrari durch die Sackgasse in der Nachbarschaft fahren. Wir brauchen neue Straßen."
Datenschutzerklärungen: So ellenlang dauert das Lesen
Speziell seit Corona erleben Gesundheits-Apps einen ungeheuren Boom. Der Kontaktlinsen-Spezialist Lenstore hat jetzt analysiert, welche dieser Apps in Deutschland und auch weltweit am meisten genutzt werden. Demnach liegen hierzulande die Sport-Begleiter Komoot, Fitbit und Strava vor den Frauengesundheits-Apps Maya und Woom an der Spitze. Weltweit führend sind das Menstruations-Programm Period Tracker, die Trainings-App Home Workout sowie mit Flo eine weitere Perioden-App. Im Zuge seiner Studie hat Lenstore außerdem untersucht, wie lange es dauert, die Datenschutzerklärungen von Deutschlands zehn beliebtesten Gesundheits-Apps zu lesen – mit erstaunlichen bis erschütternden Ergebnissen.
Im Durchschnitt dauert es bei normalem Lesetempo fast 20 Minuten, um die Datenschutzerklärungen zu lesen, für manche Apps sogar fast eine Stunde. Trauriger Spitzenreiter ist Myfitnesspal mit einer Lesedauer von knapp 57 Minuten. Aber auch Komoot, Fitbit und Strava liegen zwischen 15 und 20 Minuten. So viel Zeit dürfte sich kaum jemand ernsthaft nehmen. Nur bei Google Fit geht es richtig schnell. Lesezeit null Minuten – weil gar keine Datenschutzerklärung verfügbar ist. Fazit von Experte Ray Walsh von ProPrivacy: "Fitness- und Gesundheits-Apps haben häufig absichtlich vage Datenschutzrichtlinien, die besagen, dass sie Daten an Geschäftspartner und andere Dritte weitergeben dürfen. Dies schafft Verwirrung und führt letztendlich dazu, dass die Verbraucher keine fundierte Entscheidung treffen können."
Twitter: Die Rückkehr des blauen Hakens
Fast vier Jahre lang hat Twitter keine blauen Haken für seine Konten mehr vergeben – also die Markierung, die auf einen Blick zeigen soll, dass ein Account echt, authentisch und idealerweise auch von öffentlichem Interesse ist. Seither hieß es: "Unser Programm für verifizierte Accounts ist derzeit suspendiert." Doch nun kommen die begehrten blauen Haken zurück. In einem Tweet kündigt Twitter an: "Liebe ‚Könnt Ihr mich verifizieren?‘-Schreiber. Ihr müsst uns keine Tweets und Direktnachrichten mehr schicken. Denn es gibt einen neuen offiziellen Weg, sich um die blaue Markierung zu bewerben, mit dem wir in den nächsten Wochen starten."
Der Antrag funktioniert künftig direkt im Einstellungs-Menü der Twitter-App und kann von dort aus eingereicht werden. Die doch recht strengen Voraussetzungen erklärt Twitter auf einer neuen Hilfe-Seite. Demnach muss ein Konto "authentisch, beachtenswert und aktiv" sein und aus relevanten Bereichen wie Politik, Medien, Organisationen, Marken, Unterhaltung, Sport oder Gaming stammen. Bewerber müssen ihre Identität auf einem von drei Wegen nachweisen – mit einem Link zu einer offiziellen Website, mit einem amtlichen Ausweis oder mit einer offiziellen E-Mail-Adresse einer für die Kategorie relevanten Domain. Nicht berücksichtigt werden unter anderem Parodie-, Newsfeed-, Kommentar- und inoffizielle Fan-Accounts.
Snap: Neue Brille, aber nicht zu kaufen
Snapchat-Betreiber Snap hat gestern viel Neues verkündet, darunter auch gute Nutzerzahlen. Demnach kommt die Plattform auf 280 Millionen tägliche Nutzerinnen und Nutzer, monatlich sind es weltweit rund 500 Millionen. W&V+ berichtet ausführlich über die Veränderungen, die Snap angekündigt hat. Aus technischer Sicht besonders interessant ist die vierte Generation der Snap-Brille Spectacles – die es im Gegensatz zu den nicht übertrieben erfolgreichen Vorgängern zunächst aber gar nicht als Consumer-Version zu kaufen gibt. Stattdessen wird sie vorerst nur an Entwickler geliefert, die damit neue AR-Erlebnisse oder auch Filter erstellen sollen. Wie solche Inhalte aussehen können, zeigt ein Tweet von Snap-Chef Evan Spiegel, in dem er mit einem virtuellen Hund spielt und Schmetterlinge auf seiner Hand landen lässt.
Weil der Akku der Brille derzeit nur 30 Minuten durchhält, dürfte die Spectacles 4.0 wohl auch längerfristig kein Fall für den Massenmarkt sein – ganz im Gegensatz zur Kamera, die in die Snapchat-App integriert ist. Damit werden laut Snap täglich rund fünf Milliarden (!) Fotos aufgenommen. Die Algorithmen ihrer Software sind bisher, ähnlich wie bei Android oder iOS, vor allem dafür optimiert, Menschen mit weißer Hautfarbe zu fotografieren. Diese Priorität entstammt noch den chemischen Prozessen, mit denen Bilder früher entwickelt wurden. "People of Color" werden dagegen häufig mit weniger attraktiven Farben und Hauttönen dargestellt. "Um ehrlich zu sein, ist die Kamera rassistisch", gibt Snap-Ingenieur Bertrand Saint-Preux gegenüber axiom.com zu. Um das zu ändern, arbeitet Snap derzeit mit einer Vielzahl von Experten an einer "inklusiven" Kamera-Software, die auch weitere Schwächen von Foto-Algorithmen beseitigen soll, zum Beispiel die Fixierung auf kleinere, schmalere Nasen.
Eurovision 2021: Die Spotify-Favoriten für den ESC
Endlich wird wieder gesungen! Der Eurovision Song Contest, Europas größte musikalische Wundertüte, kehrt nach einem Jahr Corona-Pause zurück. Das Finale steigt am Samstag um 21 Uhr (ARD live) in der Ahoy Arena in Rotterdam. 3.500 Fans dürfen in die Halle, die normalerweise 16.000 Menschen fasst. Sie werden zuvor alle auf Corona getestet und nehmen an einer medizinischen Studie teil. Dazu passt das Motto des ESC 2021: "Open up!" – "Macht auf!" Wettfavoriten sind Italien (Gewinnchance 24 Prozent), Frankreich (23 Prozent) und Malta (13 Prozent). Deutschlands Teilnehmer Jendrik Sigwart dürfte für die Wettquoten wenig Liebe fühlen. Er liegt mit seinem unlustigen, zappeligen und verkopften Social-Media-Song "I don’t feel Hate" und weniger als einem Prozent Gewinnchance auf dem vorletzten Platz.
Die Spotify-Hörer sehen den ESC 2021 etwas anders als die Buchmacher. Laut aktueller Auswertung liegt in Deutschland bei den Streams naturgemäß Jendrik vorne. Dahinter folgen aber schon die Italien-Rocker Måneskin ("Zitti e buoni"), die großen Favoriten. Weltweit liegen bei den Spotify-Streams die drei Kajal-Jungs aus Italien mit ihrer Bassistin Victoria De Angelis vorne. Dahinter folgen mit Tusse aus Schweden ("Voices") und mit den Metal-Finnen Blind Channel ("Dark Side") aber zwei Songs, die die Buchmacher deutlich weiter hinten sehen. Die Chancen stehen also gut, dass der ESC 2022 in Rom, Mailand oder Turin stattfindet. Die TechTäglich-Redaktion setzt auf das hinreißende Édith-Piaf-artige Chanson "Voilà" von Barbara Pravi aus Frankreich – und auf "El Diablo", die Lady-Gaga-Ohrwurm-Kopie von Elena Tsagrinou aus Zypern, die den ESC am Samstagabend eröffnet. Zur Vorbereitung auf das Mettigel-Event gibt es die Playlists auf Spotify und Apple Music.
Gut, dass er nicht singt, sondern schreibt: Am Dienstag nach Pfingsten meldet sich an dieser Stelle wieder der Kollege Michael Gronau aus Berlin mit den schmissigsten neuen Tech-Schlagern. Wir wünschen schöne und harmonische Feiertage!