Zukunft der digitalen Werbung:
Warum Online-Werbung nicht funktioniert
Es ist keine besonders bequeme These, aber Thomas Koch hat Argumente dafür: Online-Werbung funktioniert nicht, glaubt der W&V-Blogger. Und fürchtet, dass die digitale Marketingrevolution vorbei ist, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Es ist keine besonders bequeme These, aber Thomas Koch* hat Argumente dafür. Online-Werbung funktioniert nicht, glaubt der W&V-Blogger. Und fürchtet, dass die digitale Marketingrevolution vorbei ist, bevor sie überhaupt begonnen hat.
Online-Werbung funktioniert nicht. Diese gewagte These kann man an zahlreichen Faktoren festmachen. Es reicht von der mangelhaften Sichtbarkeit der Werbemittel, über eine erschreckend geringe Beachtungsdauer, am dramatischen Einbruch der Klickraten, bis hin zur sprunghaften Zunahme der Adblocker.
Was läuft schief? Ganz einfach:Wir haben das Internet als Werbemedium bis heute nicht verstanden.Wir machen im Netz die gleiche Display-Werbung wie in allen anderen Medien. Und wir haben vor lauter Online-Begeisterung vergessen, wozu die anderen Medien überhaupt gut sind. Ebenso wie ein Brand Funnel existiert, gibt es nämlich auch einen "Media Funnel" entlang der Kommunikations-Kette.
Die Stärke von Print besteht - am Beginn der Kommunikations-Kette - in Branding, Markenaufbau, Positionierung und Markenpflege. TV kann eine durchaus ähnliche Funktion besitzen, spielt jedoch zusätzliche Stärken in der Verkaufsförderung aus. Radio wird (leider) nur als reines Aktivierungsmedium verstanden. Und Online setzt nach dem derzeitigen Verständnis der Werber - am Ende der Kommunikationskette - allein auf Aktivierung und E-Commerce.
Je mehr die Werber jedoch Geld aus Print abziehen und in Online investieren, desto mehr schwächen sie die Marken und bauen immer kurzfristiger auf reinen Abverkauf. Sie tauschen die langfristige Markenpflege gegen kurzfristige Vertriebserfolge. Das rächt sich bereits jetzt, denn 40 Prozent aller Marken in Deutschland verlieren derzeit Stammkäufer. Man investiert zwar Millionen in Werbung - verliert aber Kunden. Diesen "Media-GAU" muss man den Marketing-Experten erst mal nachmachen.
Aber nicht nur die Print-Etats sinken. Wir verändern gleichzeitig unseren Umgang mit TV. Sinn- und achtlos müllen wir die Werbeblöcke mit Online-Portalen und Equity-Deals zu und berauben das Fernsehen damit seiner Fähigkeit zur Marken-Bildung und -Pflege. Die Folge: Die Aufmerksamkeit der Zuschauer sinkt. Und der einzige Ausweg, der uns einfällt, ist ihnen auf ihre mobilen Second Screens zu folgen, wo sie der Werbung noch weniger Aufmerksamkeit zu schenken bereit sind.
Wir sind gerade dabei, Werbung zu verlernen. Wir verführen die Menschen nicht mehr. Wir umgarnen sie nicht. Wir kämpfen nicht mehr um ihre Sympathie. Stattdessen nutzen wir neue Tools wie Targeting, Retargeting und Programmatic Buying um sie zu stalken, um ihnen unsere Kauf-mich-Reklame so lange um die Ohren zu hauen, bis sie entnervt aufgeben - oder wir sie auf ewig verlieren.
Wir müssen begreifen, dass Online kein prädestiniertes Werbemedium ist. Es ist ein Kommunikations-, Informations-, Unterhaltungs-, Such- und Vertriebs-Medium. Wenn wir nicht sehr bald lernen, wie wir unsere Zielgruppen Online - und erst recht in Social Media - verführen, einladen und umwerben, können wir das Internet als Werbemedium endgültig aufgeben. Dann wird Online zur Müllabgabestelle für Gammel-Media.
Dann ist die digitale Marketingrevolution vorbei, bevor sie überhaupt begonnen hat.
* Thomas Koch, Agenturgründer, Ex-Starcom-Manager, Wirtschaftswoche-Kolumnist, Herausgeber von "Clap" und Media-Persönlichkeit des Jahres, bloggt für W&V. Er ist "Mr. Media".