Wegen US-Geschäft?:
Springer: Strenges Reglement für Mitarbeiter-Beziehungen
Die Causa Reichelt hat ein Nachspiel: Axel Springer will eine Art Infopflicht zu innerbetrieblichen Beziehungen einzuführen. Den Plan habe er schon länger - seit Beginn der #MeToo-Debatte, so CEO Mathias Döpfner.
Der Medienkonzern Axel Springer will bis Jahresende ein Regelwerk mit Informationsstandards zu innerbetrieblichen privaten Beziehungen erstellen. Das bestätigte das Medienhaus in Berlin am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur, zuvor hatte die Zeitung "Financial Times" berichtet.
Im Kern geht es nach Angaben des Konzerns darum, dass der Arbeitgeber über Liebesbeziehungen informiert wird, bei denen ein Interessenkonflikt bestehen könnte, etwa bei Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Vorgesetzten und direkt untergebenen Kollegen. Hintergrund sind auch Konsequenzen aus früheren Ermittlungen im Frühjahr gegen Ex-"Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt.
Es soll keine generellen Verbote von Beziehungen geben, aber Mitarbeiter sollen in bestimmten Fällen, also bei Interessenkonflikten, verpflichtet werden, über Beziehungen zu informieren, wie es weiter vom Unternehmen hieß. Denkbar wäre zum Beispiel eine Vertrauensperson im Konzern oder eine zuständige Stelle in der Compliance- oder der Personalabteilung, die diese Informationen entgegennimmt. Die Privatsphäre solle möglichst gewahrt bleiben.
Das Ganze soll helfen, einem möglichen Missbrauch von Abhängigkeitsverhältnissen oder möglichen Ungerechtigkeiten in einer Abteilung durch Beziehungen und Nachteilen für Dritte entgegenzuwirken. Dabei wolle man internationale Standards festlegen, die für alle Länder gelten. Das Unternehmen beschäftigt rund 16 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
In einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) sagte Döpfner: "Schon vor vier Jahren wollten wir, unter dem Eindruck der MeToo-Bewegung in USA auf meine persönliche Initiative hin, eine Regel verabschieden, die Mitarbeiter verpflichtet, Liebesbeziehungen in einer Hierarchie offenzulegen. Aber das wurde von unserem damaligen Betriebsrat vehement abgelehnt. Unsere Arbeitnehmervertreterinnen zögern bis heute, eine solche Regel einzuführen." Er hoffe, bald zu einem konstruktiven Ergebnis zu kommen.
Der Prozess wurde laut Springer nach Abschluss des Compliance-Verfahrens gegen Reichelt neu gestartet. Im April habe der Vorstand beschlossen, dass eine solche Regelung eingeführt werden solle. Seither sei man in Gesprächen mit Arbeitnehmervertretern.
Mitte Oktober hatte Springer "Bild"-Chefredakteur Reichelt von seinen Aufgaben entbunden. Anlass waren Presserecherchen, die auf einem internen Verfahren gegen Reichelt aus dem Frühjahr aufbauten. Nach Springer-Angaben standen damals im Kern der Untersuchung Vorwürfe des Machtmissbrauchs im Zusammenhang mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen sowie Drogenkonsum am Arbeitsplatz. Der Konzern kam zum Schluss, dass Reichelt seinen Posten behalten sollte.
Mitte Oktober hieß es dann von dem Medienhaus: "Als Folge von Presserecherchen hatte das Unternehmen in den letzten Tagen neue Erkenntnisse über das aktuelle Verhalten von Julian Reichelt gewonnen. Diesen Informationen ist das Unternehmen nachgegangen. Dabei hat der Vorstand erfahren, dass Julian Reichelt auch nach Abschluss des Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021 Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt hat."
Döpfner demütig vor VDZ-Aussprache
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) wird sich in seiner nächsten regulären Präsidiumssitzung am 24. November mit einem anderen Detail aus den Presseberichten rund um die Causa Reichelt befassen - zu einer privaten SMS des Verbandspräsidenten Döpfner. Dieser hatte in der älteren Kurznachricht, aus der die "New York Times" zitiert hatte, den damaligen "Bild"-Chefredakteur Reichelt als letzten und einzigen Journalisten in Deutschland bezeichnet, der noch mutig gegen den "neuen DDR-Obrigkeitsstaat" aufbegehre. Fast alle anderen seien zu "Propaganda Assistenten" geworden. Springer hatte das als Ironie eingeordnet. Das hatte breite Kritik hervorgerufen, einige Medienhäuser äußerten sich öffentlich.
Döpfner hatte sein Bedauern ausgedrückt und zugleich um Unterstützung bei den verbandlichen Aufgaben gebeten.
Die "FAZ" verwies in dem Interview auf Stimmen, die den Rücktritt Döpfners als Verbands-Präsident forderten und fragte, ob er zurücktrete. Der Springer-Chef sagte dazu unter anderem: Der Verband habe viel erreicht, das Wichtigste liege noch vor ihm. Zugleich sagte Döpfner: "Aber wenn eine Mehrheit der Mitglieder findet, dass ich durch eine sehr unglückliche Formulierung in einem privaten Meinungsaustausch zur Belastung für den Verband geworden bin, dann werde ich das selbstverständlich akzeptieren."
# Notizblock
## Internet
- ["FAZ"-Interview](http://dpaq.de/BMaha)
- ["FT"-Bericht](http://dpaq.de/EFaZq)
092035 Nov 21