Journalistenpreis:
Lead Awards: Viele Sieger und eine verpasste Chance
Mehr Mut zu Diversität wünscht sich Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit und einer der Sieger der Lead Awards, von seinen Kollegen. Am Montagabend zeichnete die Lead-Academy die kreativsten und innovativsten Journalisten aus. Das sind die weiteren Gewinner.
Zum 26. Mal wurden am 9. Dezember im Hamburger Curio-Haus die Lead Awards verliehen, um herausragende redaktionelle Leistungen zu ehren. Überschattet wurde die Preisverleihung vom Relotius-Skandal, der kurz nach den Lead Awards 2018 ans Licht kam.
Nominiert waren insgesamt 600 Journalisten aus den acht Kategorien "Zeitung regional", "Zeitung überregional", "Magazin Debatte", "Magazin Lifestyle", "Magazin Popular", "Magazin Independent" und "Webleader für das besten Online-Magazin". 2019 wurde der Journalistenpreis außerdem zum ersten Mal in der Kategorie "Podcast National" verliehen. Auf die Shortlist schafften es Anfang November 140 Preisanwärter. Die Independent-Kategorie wird zusammen mit Hauptsponsor Porsche vergeben und hebt besonders mutige und innovative Leistungen hervor.
Im Vorfeld hatte es noch eine Änderung an der Nominierten-Liste gegeben. Anlass dafür war die deutsche Novemberausgabe des Modemagazins "Elle" mit dem Schwerpunkt Schwarz. Sie hatte international Kritik ausgelöst, auch bei Prominenten wie Topmodel Naomi Campbell.
Chefredakteurin Sabine Nedelchev hatte eingeräumt, es sei ein Fehler gewesen, die Titelzeile "Back to black" (dt.: Zurück zu Schwarz) zu nutzen. Missverständlich ausgelegt könnte es bedeuten, dass Schwarze eine Art Modetrend seien. Laut Lead-Academy wurde im Nachgang Nedelchev von der Nominierten-Liste genommen.
Ein schwieriges Jahr für die Branche
Durch den Abend führte Moderator-Liebling Michel Abdollahi, der schon bei den Effie-Awards 2019 das Publikum bezauberte. Lead-Award-Vorsitzender Markus Peichl sagte: "Am Ende eines schwierigen Jahres für die Verlage und die Medienbranche, einem Jahr im Zeichen von Stellenabbau, Strukturwandel und Relotius, würdigt die Lead-Academy die Medienmacher, die der Glaubwürdigkeitskrise etwas entgegenhalten, Brücken zu den Lesern schlagen, Impulse setzen und ihren Beitrag zur Meinungsfreiheit leisten."
Das Besondere an den Lead Awards ist, dass eine Bewerbung oder Einreichung nicht möglich ist. Die Vorauswahl wird von einer zwölfköpfigen Jury der Lead-Academy unter Leitung von Markus Peichl getroffen, die Endauswahl und Preisvergabe von einem 30-köpfigen Gremium.
Nach der Pause 2017 und der darauffolgenden Neustrukturierung, liegt der Fokus seit 2018 außerdem nicht mehr auf Inhalten der Titel, sondern auf den Persönlichkeiten dahinter – den Blattmachern. Für jede Kategorie werden je eine Gold-, Silber- und Bronzeplatzierung sowie bis zu acht Auszeichnungen vergeben.
Hier sind die acht Goldgewinner:
In der Kategorie "Magazin Debatte" geht der Lead Award in Gold an Michael Ebert und Timm Klotzek, Chefredakteure des SZ-Magazin. "Sie zählen seit Jahren zu den Leistungsträgern des deutschen Magazinjournalismus", urteilt die Jury. "2019 haben sie mit ebenso investigativen wie umsichtigen Berichten über breite gesellschaftliche Problemfelder wie Rassismus, Nationalismus, Altersarmut, Wohnungsnot, aber auch Pädophilie auf vorbildliche Weise Akzente gesetzt. Sie stehen für einen differenzierten, fundierten, leidenschaftlichen und empathischen Qualitätsjournalismus."
Der Lead Award in Gold geht in der Kategorie "Zeitung überregional" an Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit. "Di Lorenzo hat mit der Zeit bereits Mitte der 2000-er Jahre den Prototyp der zeitgemäßen, modernen Zeitung geschaffen, an der sich alle orientiert haben. Eindrucksvoll stellte er nun 2019 unter Beweis, dass man als Blattmacher nie stehenbleiben, sondern auf gesellschaftliche und politische Veränderungen auch mit publizistischen, blattermacherischen Mitteln reagieren muss." Die Jury bezog sich dabei auf die Einführung des neuen Resorts "Streit", das verschiedene Meinungen gegenübergestellt.
Di Lorenzo betonte bei der Verleihung, dass "Streit" das Aufsehenerregendste in den letzten Jahren bei der Zeitung sei. Er sagte in seiner Rede auch, dass er in seinem Berufsleben diese Erfahrung gemacht habe: Alles, was gut gelaufen ist und was Leser mögen, habe zunächst unter hämischem Gelächter der eigenen Branche gestanden. Di Lorenzo ergänzte dazu: "Hört nicht so sehr auf Journalisten, dann wird alles gut." Er appellierte auch daran, mehr Mut zu haben, um mehr Diversität zu zeigen.
Der Sieger und damit Gewinner des Lead Awards in Gold in der Kategorie "Zeitung regional" heißt Lars Haider, Chefredakteur des Hamburger Abendblatt. Die Begründung der Jury lautet, dass Haider eine umfassende und zeitgemäße Regionalzeitung mache, die nicht nur den Anspruch erhebt, mit überregionalen Blättern mithalten zu können, sondern es auch schafft. "Wie kein anderer erfindet er laufend neue Rubriken, neue Serien, neue Spezials, neue Sonderbeilagen, neue Elemente. Mit Kreativität, Fantasie, Mut und Innovationsgeist spielt er auf der Klaviatur des modernen Blattmachens."
Goldgewinner in der Kategorie "Magazin Lifestyle" ist Sinja Schütte, Chefredakteurin Flow, Living at Home, Hygge und Holly. Die Jury: "Sie macht Magazine nicht nur für den Lifestyle, sondern für ein Lebensgefühl. Mit großer Intuition, Entschlossenheit und perfektem blattmacherischen Handwerk hat sie in Deutschland das Genre der Mindstyle-Magazine durchgesetzt."
Sabine Ingwersen, Chefredakteurin von Tina, Bella, Laura, Alles für die Frau und Meins, wird mit einem Lead Award in Gold in der Kategorie Popular geehrt. Sie habe die Frauenvertriebstitel des Bauer Verlags nicht bloß renoviert, sondern mit Konsequenz und Power ins Heute geführt. Ob Tina, Bella oder Laura – Ingwersen zeige, dass populäre Massentitel und ein neues, selbstbewusstes Frauenbild kein Widerspruch sein müssen, sondern – im Gegenteil – einander bedingen, findet die Jury.
Gold in der Kategorie "Magazin Independent" geht an Oliver Wurm, Herausgeber und Chefredakteur Das Grundgesetz als Magazin, Fußballgold und Schwarz Rot Gold. "Wurm ist aus der deutschen Indie-Szene nicht mehr wegzudenken. Einer, der immer wieder mit neuen ungewöhnlichen Heftkonzepten überrascht und den Magazinmarkt bereichert", findet die Jury.
Über einen Lead Award in Gold in der Kategorie "Webmagazin national" können sich Matze Hielscher und Pierre Türkowsky, Chefredakteure Mit Vergnügen, freuen. Sie bereichern die deutsche Weblandschaft mit dem smartesten, originellsten, verlässlichsten und sympathischsten Navigator durch deutsche Großstädte - von München bis Berlin, so die Begründung der Jury.
Den ersten Lead Award in Gold in der Kategorie "Podcast national" erhalten Sabine Rückert, stellvertretende Zeit-Chefredakteurin, und Andreas Sentker, Leiter des Wissensressorts der Zeit, für ihren Podcast "Zeit Verbrechen". Das Konzept: große Kriminalfälle, packende Prozesse, menschliche Abgründe, tiefsinnig ausgeleuchtet, immer spannend und fundiert, sodass einem der Atem stockt.
Alle Lead-Gewinner im Überblick:
Zeitung Regional
Gold
Lars Haider, Chefredakteur Hamburger Abendblatt
Silber
Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur Augsburger Allgemeine
Bronze
Hannah Suppa, Chefredakteurin Märkische Allgemeine
Auszeichnungen
Torsten Kleditzsch, Chefredakteur Freie Presse
Sabine Schicketanz, Chefredakteurin Potsdamer Neueste Nachrichten
Uwe Vetterick, Chefredakteur Sächsische.de und Sächsische Zeitung
Zeitung Überregional
Gold
Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur Die Zeit
Silber
Georg Löwisch, Chefredakteur taz
Bronze
Sven Afhüppe, Chefredakteur Handelsblatt
Auszeichnungen
Gerald Braunberger, Werner D'Inka, Jürgen Kaube und Berthold Kohler, Herausgeber Frankfurter Allgemeine Zeitung und Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Detlef David Kauschke, Chefredakteur Jüdische Allgemeine
Kurt Kister und Wolfgang Krach, Chefredakteure Süddeutsche Zeitung
Magazin Debatte
Gold
Michael Ebert und Timm Klotzek, Chefredakteure SZ-Magazin
Silber
Luca Caracciolo, Chefredakteur t3n
Bronze
Andreas Lebert, Chefredakteur Zeit Wissen
Alexander Marguier und Christoph Schwennicke, Chefredakteure Cicero
Auszeichnungen
Gabriele Fischer, Chefredakteurin brand eins
Thomas Vašek, Chefredakteur Hohe Luft
Magazin Independent / Porsche Award
Gold
Oliver Wurm, Publisher Das Grundgesetz als Magazin, Fußballgold und Schwarz Rot Gold
Silber
Joerg Koch, Publisher 032c
Bronze
Benjamin Fredrich, Publisher Katapult
Auszeichnungen
Christoph Blumberg und Jan Zühlke, Publisher Craftrad
Sascha Ehlert, Publisher Das Wetter
Ali Kepenek, Publisher King Kong und King Kong Garçon
Magazin Popular
Gold
Sabine Ingwersen, Chefredakteurin Tina, Bella, Laura, Alles für die Frau und Meins
Silber
Stefan Kobus, Chefredakteur Super Illu und Guter Rat
Bronze
Tom Drechsler, Chefredakteur Auto Bild
Auszeichnungen
Christian Hellmann, Chefredakteur TV Digital, Hörzu, TV Direkt, Gong, Bild+Funk, Nur TV, Hörzu Wissen und Hörzu Gesundheit
Heinz Landwehr, Chefredakteur Finanztest
Anita Stocker, Chefredakteurin Test
Magazin Lifestyle
Gold
Sinja Schütte, Chefredakteurin Flow, Living at Home, Hygge und Holly
Silber
Jan Spielhagen, Publisher, Editorial Director und Chefredakteur Beef!, B-Eat und Essen & Trinken sowie Publisher und Editorial Director Salon, Chefkoch Magazin und Essen & Trinken für jeden Tag
Bronze
Markus Wolff, Redaktionsleiter Geo Saison, Geo Special und Walden (letzteres zusammen mit Harald Willenbrock)
Auszeichnungen
Thomas Tuma, Chefredakteur Handelsblatt Magazin
Webmagazin National
Gold
Matze Hielscher und Pierre Türkowsky, Chefredakteure Mit Vergnügen
Silber
Felix Dachsel, Chefredakteur Vice
Bronze
Carsten Knop, Chefredakteur faz.net
Auszeichnungen
Alexandra Bondi de Antoni, Chefredakteurin Vogue.de
Sebastian Esser, Herausgeber Krautreporter
Andreas Gebauer, Chefredakteur test.de
Daniel Völzke, Redaktionsleiter Monopol Online
Podcast National
Gold
Sabine Rückert und Andreas Sentker, Zeit Verbrechen
Silber
Christoph Amend und Jochen Wegner, Alles gesagt?
Bronze
Martin Keß-Roche und Charlotte Roche, Paardiologie
Auszeichnungen
Samira El Ouassil und Christiane Stenger, Sag Niemals Nietzsche
Frank Helmschrott und Max-Jacob Ost, Rasenfunk
Sarah Kuttner und Stefan Niggemeier, Das kleine Fernsehballett
(mit dpa)