Onlinestrategie:
Keine Bezahlschranken bei der taz
Einst als progressives Medienprojekt gestartet, heute eher konservativ - zumindest was die Einführung von Paid Content angeht. Bezahlschranken wird es bei der taz so bald nicht geben.
Bei der Tageszeitung taz wird es entgegen dem allgemeinen Trend in der deutschen Medienbranche auch weiterhin keine Online-Bezahlschranke für Journalismus geben. Die künftige Geschäftsführerin Aline Lüllmann, die im Juni in dieser Funktion das Geschäftsführer-Trio wieder komplettiert, sagte im Interview der Deutschen Presse-Agentur auf die Frage, ob man in den nächsten Jahren eine Paywall ausschließt: "Ja, das schließen wir aus. Das widerspricht der Grundhaltung der taz an der Stelle."
Die überregionale Tageszeitung geht einen anderen Weg: Sie richtete vor Jahren ein freiwilliges Bezahlmodell für Online-Inhalte ein. Den Angaben zufolge machen inzwischen mehr als 20.000 Leser mit. Der durchschnittliche Betrag, den die Nutzer freiwillig zahlen, liege derzeit pro Monat bei 5,61 Euro. Der erste Spendenaufruf auf taz.de war im Jahr 2011 geschaltet worden.
Lüllmann betonte: "Gerade jetzt in der Krise sehen wir, dass es wichtig ist, dass wir den Journalismus von den Leserinnen und Lesern bezahlen lassen, weil auf die Werbewirtschaft kein Verlass ist. Und dass es auch das richtige Konzept ist, wichtige Informationen zugänglich zu behalten und diese trotzdem zu monetarisieren." Im März verdoppelten sich demnach die unbefristeten Anmeldungen im Vergleich zum Vormonat Februar auf 1500.
Die 35-jährige Lüllmann wird ab Juni das Geschäftsführer-Trio mit den bisherigen Geschäftsführern Andreas Bull und Andreas Marggraf bilden. Die Position wurde frei, weil Karl-Heinz Ruch in den Ruhestand ging.
Perspektivisch bereitet sich die taz darauf vor, unter der Woche nur noch digital zu erscheinen, die gedruckte Ausgabe wäre dann noch am Wochenende verfügbar. Im deutschen Medienmarkt sind die Auflagen der gedruckten Zeitungen seit Jahren rückläufig.
Geschäftsführer Bull sagte auf die Frage nach einem Startjahr: "Im Moment sieht es eher nach 2022 aus." Zu möglichen Effekten der Corona-Krise sagte er: "Wir haben im gedruckten Bereich eher eine Entspannung. Das haben wir nicht erwartet." Die Auflage gehe zwar noch immer weiter zurück, wenn man das mit den Vorjahren vergleiche. "Aber auf jeden Fall nicht mehr so schnell, so dass sich tatsächlich der Zeitpunkt, an dem man sagen muss: Das geht jetzt gar nicht mehr, wir haben eine zu geringe Auflage, die kann man jetzt überregional nicht mehr ordentlich vertreiben, offensichtlich ein bisschen nach hinten verschiebt - wenn es sich so verstetigt."
Die verkaufte Auflage der Tageszeitung lag im ersten Quartal dieses Jahres nach Zahlen der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern (IVW) von montags bis samstags bei 49.050. Darunter sind 16.688 E-Paper. Im Vergleich zum ersten Quartal 2019 ging die Zahl der verkauften Exemplare um rund 900 zurück.
Anders als bei anderen Zeitungshäusern in Deutschland gibt es bei der seit 1979 erscheinenden taz mit 250 Mitarbeitern ein Genossenschaftsmodell. Den inzwischen mehr als 20.000 Beteiligten gehört damit die Zeitung, sie halten Anteile an dem Blatt. Ein Konzern oder ein Großinvestor steht damit nicht hinter der Finanzierung des taz-Verlags.
Nicht nur in der Geschäftsleitung gibt es einen Wechsel, auch die Chefredaktion wird neu aufgestellt. Die Redaktion wird künftig von einer weiblichen Doppelspitze geführt. Die Journalistin Ulrike Winkelmann (48) kommt vom öffentlich-rechtlichen Deutschlandfunk und übernimmt zum August die Position der Chefredakteurin. Gleichberechtigt in dieselbe Position wurde zudem Barbara Junge (52) berufen, sie ist seit 2016 bereits stellvertretende taz-Chefredakteurin. Im Januar war bekanntgeworden, dass der bisherige Chefredakteur Georg Löwisch zur Wochenzeitung Die Zeit wechselt. Er war seit 2015 taz-Chefredakteur gewesen.
Anna Ringle, dpa