Siebenhaar-Buch:
"Die Nimmersatten" von ARD und ZDF: Eine Buchkritik
Die Wahrheit – und nichts als die Wahrheit, verspricht Medienjournalist Hans-Peter Siebenhaar. Genauer: "Die Wahrheit über das System ARD und ZDF". So lautet der Untertitel seines Buches "Die Nimmersatten". W&V-Redakteur Sebastian Feuss hat es gelesen....
Die Wahrheit, die Wahrheit – und nichts als die Wahrheit. Verspricht Medienjournalist Hans-Peter Siebenhaar. Genauer: "Die Wahrheit über das System ARD und ZDF". So lautet der Untertitel seines Buches "Die Nimmersatten". Am Donnerstag ist es in Berlin offiziell vorgestellt worden.
"Handelsblatt"-Redakteur Siebenhaar erzählt darin – sehr gefällig, manchmal aber auch mit gehörig verbalem Schaum vorm Mund – von aufgeblähten Senderverwaltungsanstalten mit 22 Fernsehkanälen, 67 Radiosendern, 20.000 Mitarbeitern, von Polit-Filz, Vetternwirtschaft und – natürlich – horrender Gebührenverschwendung. Etwa wenn Ex-ZDF-Intendant Markus Schächter seine geschätzt 28.000 Euro teure Abschiedsfeier aus dem Gebührentopf finanziert.
Nun ist das alles nicht neu. Irgendwo hat wohl jeder – der Branchenexperte, aber auch der geneigte Zuschauer, der sich über Florian Silbereisen am Samstagabend erregt – diese latent-kulturpessimistische Denke: Was die Öffentlich-Rechtlichen bringen, was sie sich leisten und wie viele Euros man ARD und ZDF all die Jahre schon GEZahlt hat – dafür bekommt man doch eigentlich nur: Tonnen an Show- und Serien-Schund. Und den liefern doch nun wirklich schon die Privaten in ausreichender Menge. Und zwar: frei Haus.
Ein Wert von Siebenhaars Buch liegt darin, dass der Autor diese diffus immer irgendwie vorhandene Denke mit einer Vielzahl an Fakten befeuert. Siebenhaar hat die Verfehlungen und die Auswüchse des öffentlich-rechtlichen Fernsehens minutiös zusammengetragen. Und zwar derart, dass ihre schiere Masse einen wahrlich ausknockt. Klar, da war doch mal was, erinnert man sich vage, bevor man das Buch zur Hand nimmt: Da ist mal das MDR-Fernsehballett beim Geburtstag eines tschetschenischen Machthabers aufgetreten. Und da hat doch auch mal ein Oberer vom Kinderkanal Millionen auf die Seite geschafft. Und war da nicht neulich eine Unterhaltungschefin vor Gericht, die ihre eigenen Drehbücher an sich selbst verkauft hat? Ja, die vage Erinnerung trügt nicht. Nur: Da war eben noch viel mehr. Siebenhaar gelingt es, dies – oftmals nett verpackt in Branchentreff-Anekdoten – unterhaltsam zu präsentieren.
Ein anderer Wert des Buches liegt in den radikalen Vorschlägen, die Siebenhaar macht, um das System zu verschlanken. Zum Beispiel: Erstes und Zweites Programm zu einem Hauptprogramm verschmelzen und die Dritten zum Zweiten ausbauen. Und: GEZ abschaffen. Und die neue Haushaltsabgabe ab dem 1. Januar sowieso. Für Siebenhaar ist die Haushaltsabgabe ohnehin eine unerträgliche "ARD/ZDF-Mediensteuer", die das "kranke System bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag opulent finanziert". Man muss diese Vorschläge in ihrer Radikalität nicht teilen. Aber hinreichend Diskussionsstoff bieten sie. Sollten auch noch die Richtigen debattieren – nämlich Medienpolitik, Senderchefs und Öffentlichkeit – wäre viel gewonnen.
Letztlich darf man nur eines von Siebenhaars Buch nicht erwarten: eine differenzierte und sachliche Analyse der deutschen TV-Landschaft. Siebenhaar will provozieren – Thesenbestätigungsrecherche inklusive. Denn zur Wahrheit gehört ja nicht nur, dass sich Deutschland "das teuerste und ineffizienteste öffentlich-rechtliche Rundfunksystem der Welt" leistet, wie Siebenhaar sagt. Zur Wahrheit gehört auch, dass Deutschland ein weltweit geachtetes öffentlich-rechtliches Rundfunksystem sein Eigen nennen kann, das seinen Programmaufträgen – Information, Bildung und Unterhaltung – durchaus noch nachkommt. Die Frage ist nur, auf welchem Kanal, zu welcher Zeit, in welcher Form und mit welchen Mitteln.