Gastbeitrag:
"New Work heißt nicht No Work!"
Sachar Klein, Gründer der PR-Agentur Hypr, regt sich über die gängige Interpretation des Begriffs "New Work" auf. Es verspreche Bequemlichkeit, wo es einem Dienstleister doch um Zuverlässigkeit und gute Arbeit gehen sollte.
Ich habe allen Grund, der Digitalisierung dankbar zu sein. Ich liebe das Thema und ich lebe davon, Geschichten über Start-ups und andere digitale Unternehmen zu erzählen. Als Kommunikationsprofi habe ich auch kein Problem mit Buzzwords. Sie sind manchmal nötig, um komplexe Sachverhalte auf den Punkt zu bringen und eine gemeinsame Sprache für Dinge zu finden, die nicht jeder auf dieselbe Weise versteht. Sie sind auch fast immer besser als ihr Ruf, weil sie substanzielle Entwicklungen beschreiben. "Blockchain", "Influencer Marketing", "Content Marketing", "KI", "IoT". Alles ist wichtig und verdient unsere Aufmerksamkeit.
Aber es gibt ein Schlagwort, das ich nicht mehr hören kann. Einen Begriff, der nicht nur subjektiv nervt, sondern uns allen schadet, weil er Konflikte und Enttäuschungen produziert: "New Work".
Work, Work, Work
Ich bin Arbeitgeber und spüre den Fachkräftemangel. Darum wäre es kurzfristig wahrscheinlich schlauer, "New Work" uneingeschränkt toll zu finden und potenziellen Bewerbern Illusionen zu machen.
Ich kann das aber nicht, und darum tue ich es auch nicht. Stattdessen möchte ich erklären, warum es immer noch um substantielle, harte Arbeit in Agenturen geht.
Meiner Meinung nach ist "New Work" keine Zukunftsvision, sondern ein großes Missverständnis. Die Utopie einer selbstbestimmten Tageszeit, die irgendwie zwischen dem Coffee Shop an der Ecke und der Yoga-Stunde am späten Nachmittag passen sollte. Das Ideal einer Arbeitswelt, in der ein Agenturchef als "Gastgeber seiner Mitarbeiter" für die allgemeine Bequemlichkeit sorgt.
Den "Gastgeber seiner Mitarbeiter" habe ich mir übrigens nicht ausgedacht. Ein Kollege aus der PR-Branche hat das tatsächlich einmal von einem seiner Angestellten gehört. Es war als Vorwurf gemeint.
Ich weiß nicht, in welchem privatwirtschaftlichen Unternehmen so etwas möglich ist. In der Agentur- und Beratungsbranche funktioniert es jedenfalls nicht. Dafür gibt es mindestens drei Gründe:
1. Wir sind Dienstleister
Wenn ein Kunde um 16 Uhr Hilfe bei der Krisen-PR braucht, können wir ihn nicht auf den nächsten Morgen "so gegen 10" vertrösten. Das ist übrigens bei einer Agentur nicht anders als bei einem Unternehmen oder in einer Redaktion.
Jeder ist seinen Kunden oder Lesern verpflichtet. Sie zahlen seine Gehälter. Das heißt nicht, dass ich mich rund um die Uhr bis zur Selbstaufgabe anbiete und keine Grenzen mehr ziehe. Aber mir muss klar sein, dass ich nicht der König bin. Sondern der Kunde.
2. Wir tragen Verantwortung
Mit unserem eigenen Geld und unserer Zeit können wir tun und lassen, was wir wollen, solange wir die Konsequenzen tragen. Aber die Ressourcen unserer Kunden haben wir nur geliehen, darum sollten wir korrekt damit umgehen. Das geht nicht ohne altmodische Tugenden wie Pflichtbewusstsein und Sparsamkeit.
Jeder Kunde hat ein Recht darauf, egal, ob kleines Start-up oder schwerreicher DAX-Konzern. Ich persönlich habe immer einen bestimmten Kunden vor Augen. Einen Gründer, der sich den Traum vom eigenen Start-up mit selbstverdientem Kapital erfüllt hat und auch die Kommunikation aus seinen Ersparnissen bezahlt.
Davor habe ich zu großen Respekt, um auch nur die kleinste Nachlässigkeit zu dulden. Es ist wichtig, sich selbst wertzuschätzen. Aber im Business muss ich zuallererst das Geld meines Kunden wert sein und dafür sorgen, dass er mit mir besser ist als ohne mich.
3. Wir wollen stolz auf unseren Job sein
Auch ich kann mir manchmal schönere Dinge als den Job vorstellen. Den Amerika-Urlaub mit meiner Familie zum Beispiel. Gerade darum ist Arbeitszeit zu wichtig, um sie mit lustloser Routine und mittelmäßigen Ergebnissen zu verplempern. Eigentlich ist es ganz einfach: Wenn man etwas macht, dann sollte man es gut machen.
Stephan Grünewald vom Rheingold-Institut hat das einmal auf den Punkt gebracht: Wir sollten abends nicht stolz auf unsere Erschöpfung sein, sondern auf das, was wir am Tag geschafft haben.
Als Arbeitgeber ist mir übrigens egal, wo man seine Leistung bringt. Ich habe sehr gute Erfahrungen mit Menschen gemacht, die ich lange kenne und die komplett eigenverantwortlich im Home Office arbeiten. Ich brauche keine Präsenz-Büro. Genau so kenne ich aber auch Fälle, in denen dreiste "Kollegen" einfach nur privatisiert haben.
Ihr könnt mich gerne preußisch nennen, aber es geht nicht um "Old" oder "New Work". Es geht um gute oder schlechte Arbeit. Und um Menschen, die stolz auf ihren Job und ihre Leistung sein können.
Sachar Klein ist Gründer und Geschäftsführer von Hypr. Die PR-Agentur mit Hauptsitz in Berlin hat sich auf Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen fokussiert und ist unter anderem für Viessmann, Smartsteuer, Tink und Cellular tätig.