Ich finde das gut, und manchmal bewundere ich junge Kandidaten sehr für ihren Mut, Dinge zu hinterfragen, die früher einfach akzeptiert wurden. Ich selbst habe meine Karriere in den Nullerjahren in der Industrie gestartet. Das ist zwar nicht biblisch lange her, aber die Kultur war noch eine völlig andere. Man tat, was einem gesagt wurde und wollte nur ja keinen Fehler machen. Gut, dass diese Zeiten vorbei sind.

Leider fallen wir beim Thema New Work oft ins andere Extrem. Fehler sind irgendwie cool geworden, Sorgfalt wirkt spießig, Organisation gilt als unkreativ, und Verlässlichkeit klingt nicht mehr nach Tugend, sondern nach Trostpreis. Für eine Dienstleistungsgesellschaft sind das denkbar schlechte Voraussetzungen. Agenturen, Berater und die meisten Industrieunternehmen sind aber Dienstleister, und ich frage mich, wie sie ohne Dienstleistungsempfinden funktionieren sollen.

Chefs tragen die Verantwortung, nicht die Gen Y

Wer es sich besonders leicht machen möchte, gibt der Generation Y die Schuld. Klischeehaft kapriziösen, chronisch unorganisierten und pausenlos um sich selbst kreisenden Wohlstandskindern, die lieber schnell einen Fehler machen, als langsam Erfahrungen zu sammeln. Es gibt diese Leute tatsächlich. Sie sind keine Erfindung alter weißer Männer. Ihre Zahl ist gefühlt höher als früher, aber sie sind trotzdem nicht das Problem. Das Problem sind die, die sie nicht führen.

Es ist Mode geworden, über die "Gen Y" zu schimpfen, aber komischerweise erzählt kaum jemand, wie die Problemfälle in die Unternehmen gekommen sind und wer sie in sein Team geholt hat. Oft war man es selber und hofft, dass es sich irgendwie von selbst löst. Sabbatical, Jobwechsel, Elternzeit, Umzug ins Ausland ("Ich bin 25 und will in meinem Leben nochmal was anderes machen"): die Hoffnung, den anstrengenden New-Work-Chaoten loszuwerden, stirbt zuletzt. Und genau das ist der Fehler.

Wer von seinem Mitarbeitern Verantwortungsbewusstsein verlangt, muss zuerst selbst Verantwortung übernehmen. Und wer gute Arbeit einfordert, sollte seine eigene schon gemacht haben. Im New-Work-Prozess heißt das: Menschen individuell beurteilen, keine 08/15-Lösungen überstülpen, Besonderheiten respektieren, Grenzen setzen und personelle Konsequenzen ziehen, wo es nötig ist.

New Work ist kein ökologischer Urwald, den man sich selbst überlässt, sondern intensive Arbeit mit Menschen, ihren Kompetenzen und ihren Problemen.

Dazu gehört übrigens auch der Respekt vor den vermeintlich "Unkreativen". Wer auf klare Leitplanken, geregelte Arbeitszeiten und den gewohnten Büro-Schreibtisch besteht, kann für ein Unternehmen wertvoller sein als jeder Heißluft-Hipster. Gute Führungskräfte wissen das.

Daniela Conrad ist Co-Gründerin und Executive Partner der Personalberatung Five14. Zu den Kunden von Five14 gehören u.a. Otto Group Media und Ströer Digital Group. Conrad war in der Vergangenheit für Hapag-Lloyd, TUI und D-Level tätig. 


Autor: W&V Gastautor:in

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