Klartext mit Katharina Wolff:
"Ein Fehler ist definitiv kein Verdienst"
"Wir müssen Fehler machen" gehört zu den bevorzugten Binsen der digitalen Transformation. Personalberaterin Katharina Wolff erklärt im W&V-Interview, warum das zu billig ist.
Katharina, was war in deinem bisherigen Berufsleben der größte Fehler?
Oha ... Ein Kracher am Anfang. Ich habe wenige echte Fehlentscheidungen mit nachhaltigen Konsequenzen getroffen. Zum Glück. Zwei Dinge würde ich heute anders machen. Ich würde zum Studieren für mindestens ein Semester ins englischsprachige Ausland gehen, und ich würde frühzeitig Coden lernen. Das habe ich zwar schon vor meinem Berufsleben verpasst, aber es wirkt sich bis heute aus.
Coden kannst du immer noch lernen.
Das steht auch auf meiner Bucket List, aber jetzt ist einfach weniger Zeit da als damals, während meines Jura-Studiums. Aber ich glaube, dass durch die verpassten Gelegenheiten auch etwas gelernt habe.
Was genau?
Dass ich immer etwas unternehmen muss, um aus meiner Komfortzone herauszukommen. Ich versuche zum Beispiel jede Woche etwas zu tun, was mich sehr stark fordert und manchmal auch überfordert. Zum Beispiel, ein Vortrag über Künstliche Intelligenz in der HR Welt auf Englisch zu halten oder allein zu Veranstaltungen zu gehen, auf denen ich niemanden kenne.
Wie gehen deine Klienten mit dem Thema Fehler und persönliche Unzulänglichkeiten um? Verschweigt man das oder ist man stolz darauf, weil Fehlerkultur gerade in Mode ist?
Viele Startups, die wir betreuen, haben eine ausgeprägte Fehlerkultur. Bei vielen Corporate-Kunden sieht das anders aus. Jeder definiert Fehlerkultur aber anders.
Wie definierst du es?
Als Gelegenheit, zu lernen. Sonst haben Fehler keinen Sinn. Einen Fehler zu machen ist total OK. Denselben Fehler ein zweites Mal zu machen ist unnötig. Dann hat man nichts daraus gelernt. Für viele Manager bedeutet eine Fehlerkultur, dass Fehler erlaubt sind und Misserfolge nicht stigmatisiert werden dürfen. Eine Fehlerkultur darf aber nicht zum Fehlerkult werden. Und wir sollten sie eher "Lernkultur" nennen, weil der Fehler an sich nicht gut ist.
Was meinst du damit?
Christian Lindner hat aus meiner Sicht eine etwas komische Herangehensweise. Er sagt: "Ein Startup-Unternehmen ist ein ökonomisches Experiment. Wenn es scheitert, dann hat das nicht immer etwas mit individuellen Fehlern des Managements zu tun. Manchmal ist einfach das Timing falsch". Das ist in meinen Augen kompletter Unsinn und eine Art Selbstverteidigung, weil er mit einem Unternehmen gescheitert ist. Kein Startup muss wegen eines schlechten Timings scheitern. Wenn kluge Gründer gut recherchieren und das Marktpotential ihres Produktes kennen, gibt es kein schlechtes Timing. Dann muss man manchmal nur durchhalten oder das Geschäftsmodell schnell und radikal genug ändern. Ein Fehler an sich ist definitiv kein Verdienst.
Woran erkennt ein guter Headhunter, dass ein Manager aus Fehlern lernt?
Daran, dass der Manager den Fehler offen zugibt und erklären kann, was er daraus gelernt hat. Zum Beispiel: "Ich habe falsche Mitarbeiter eingestellt, weil sie nicht komplementär waren. Darum achte ich jetzt auf komplementäre Typen und überprüfe das durch ein Verhaltens-Präferenz-Tool, das mir sagt, wie ein Mensch tickt. Ich verlasse mich nicht mehr nur auf mein Bauchgefühl."
Welche Fehler und welche Learnings sind denn besonders gefragt?
Startup-Erfahrung, gerade auch negative. Wir bekommen von Corporates sogar manchmal die Anfrage, dass sie gerne jemanden hätten, der oder die schon mal ein Startup gegen die Wand gefahren hat. Das hängt aber auch damit zusammen, dass du erfolgreiche Seriengründer nicht mehr in die Festanstellung bekommst. Natürlich ist jemand, der Erfolg hatte, immer noch attraktiver als ein gescheiterter Gründer. Dass jemand kein Erfolg hatte, heißt aber nicht, dass das immer so sein wird. Wichtig ist, dass man selbst zu seinen Fehlern steht. Warum sollten es andere sonst tun?
Über Katharina Wolff: Die Gründerin und Geschäftsführerin von D-Level vermittelt digitale Führungskräfte und berät Unternehmen in allen Dingen, die damit zusammenhängen: Strategie, Organisation und Transformation. In ihrer Heimatstadt Hamburg ist Wolff auch politisch hervorgetreten: 2011 bis 2015 war sie Mitglied des Landesparlaments. 2018 startete sie den Podcast "Inside Team Building" undgemeinsam mit W&V das Interview-Format "Klartext mit Katharina Wolff".