Umfrage:
Coming-Out am Arbeitsplatz
Immer mehr Menschen fahren gut damit, im Job offen lesbisch, schwul, bi, transgender oder queer zu sein. Diskriminierung ist aber auch noch ein Thema.
65 Prozent aller Menschen aus der LGBTQ-Community gehen am Arbeitsplatz mit ihrer Sexualität oder Identität offen um. Doch fast jeder Vierte ist oder war schon einmal von Diskriminierung im Job betroffen. Das sind die wichtigsten Ergebnisse einer Online-Befragung, die das Marktforschungsinstitut YouGov im Auftrag des Karrierenetzwerks LinkedIn im Juni durchgeführt hat.
Dabei äußern sich die meisten der 1.032 Befragten positiv über ihren aktuellen Arbeitgeber: So sind 85 Prozent überzeugt, dass es dem Unternehmen "wichtig", "sehr wichtig" oder "äußerst wichtig" ist, ein inklusives und diverses Arbeitsumfeld zu bieten. Was allerdings nicht immer zu gelingen scheint: Trotz der guten Absichten ergreifen viele Unternehmen noch zu selten konkrete Maßnahmen, damit sich ihre Mitarbeiter wohl fühlen und sie selbst sein können. Nur 27 Prozent der Befragten geben beispielsweise an, dass ihr Arbeitgeber Antidiskriminierungsrichtlinien im Verhaltenskodex festgehalten hat.
Diskriminierung kommt noch zu häufig vor
So haben 23 Prozent der Umfrageteilnehmer auch bereits Erfahrungen mit Benachteiligung aufgrund von Sexualität oder Identität gemacht, zwölf Prozent sogar an ihrem derzeitigen Arbeitsplatz. Dabei wurden sie unter anderem zur Zielscheibe von Witzen oder sexualisierten Kommentaren (46 Prozent der Betroffenen). Bei 28 Prozent kam es nach dem Outing zu einer Veränderung des Teamzusammenhalts bis hin zur Ausgrenzung. Aber auch psychische Gewalt wie Mobbing (28 Prozent) und verbale Gewalt in Form von Beleidigungen (24 Prozent) zählen zu den leidvollen Erfahrungen. Zwölf Prozent aller Befragten haben schon mal aufgrund von Diskriminierung oder Benachteiligung den Arbeitsplatz gewechselt.
"Ob das Familienfoto auf dem Schreibtisch, der Small Talk über die Urlaubspläne mit der Partnerin oder die Einladung für den partner zur Betriebsfeier - Heterosexuelle sprechen am Arbeitsplatz so selbstverständlich wie unbewusst über ihre sexuelle Herkunft", sagt Axel Hochrein, Mitglied im Bundesvorstand des Lesben- und Schwulenverbandes (LSVD). "Obgleich immer mehr Lesben, Schwule und Bisexuelle diese Offenheit für sich ebenfalls in Anspruch nehmen, müssen sie leider weiterhin mit negativen Reaktionen rechnen."
Ein Drittel der LGBTQ-Community hat sich nicht geoutet
Dennoch haben von den zwei Drittel, die sich am Arbeitsplatz schon geoutet haben, fast alle ihre Entscheidung bislang nicht bereut (91 Prozent). Beim übrigen Drittel, das im Job eher nicht oder überhaupt nicht offen mit seiner Sexualität oder Identität umgeht, spielen verschiedene Gründe dafür eine Rolle: 53 Prozent achten auf eine strikte Trennung von Arbeit und Privatleben, daher gehe ihre Orientierung niemanden an. Bei 42 Prozent hat es bislang keinen Anlass gegeben, darüber zu sprechen. 36 Prozent fürchten, auf ihre Sexualität oder Identität reduziert zu werden. 27 Prozent haben außerdem Angst, von ihrem Team anders behandelt zu werden. Ein Viertel hat sich auch im privaten Umfeld noch nicht geoutet, und jeder Zehnte ist sich selbst über seine sexuelle Orientierung noch nicht sicher. Nur sechs Prozent verzichten aufgrund von negativen Erfahrungen an einem vorherigen Arbeitsplatz auf ein Coming-Out.
Kein Wunder, dass viele Mitglieder der LGBTQ-Community gezielt nach Unternehmen suchen, die ein inklusives und diverses Arbeitsumfeld bieten: Für 56 Prozent der Befragten ist dieser Aspekt entscheidend bei der Jobsuche. Dass sich ein potenzieller Arbeitgeber darüber hinaus für die Interessen der LGBTQ-Community einsetzt, halten 25 Prozent für wichtig. 31 Prozent achten zwar bei der Jobsuche zwar darauf, machen ihre Entscheidung aber nicht davon abhängig.
Zwar sei in Bezug auf Gleichberechtigung von Mitgliedern der LGBTQ-Community schon viel erreicht worden, gesellschaftlich wie im Berufsumfeld. "Als Arbeitgeber, Vorgesetzte und Kollegen können wir dazu beitragen, die Situation weiter zu verbessern", sagt Barbara Wittmann, Senior Director Talent Solutions und Mitglied der Geschäftsführung von LinkedIn DACH. "Weil die LGBTQ-Community bei der Jobsuche gezielt auf ein offenes Umfeld achtet, besteht in Zeiten des Fachkräftemangels insbesondere für Unternehmen nicht nur ein moralischer, sondern auch ein ökonomischer Imperativ, sich für Inklusion und Diversität einzusetzen."