Gastbeitrag von Thomas Ötinger und Sven Göth:
Zukunft der lokalen Markenführung
Adaptiv, transparent, online, offline, nachhaltig: So muss lokale Markenführung aussehen. Dafür plädieren Sven Göth, MK7 Innovate, und Thomas Ötinger, Marcapo.
In einer global vernetzten Welt ist Vertrauen sehr wichtig: Konsumenten gestatten nur vertrauenswürdigen Ansprechpartnern, personenbezogene Daten werblich zu nutzen. Wie das gelingen kann, dazu haben unserer Gastautoren, Zukunftscoach Sven Göth und Thomas Ötinger, Experte für lokale Markenführung, einige Ratschläge. *)
Schon heute ist Marketing ohne Technologie kaum vorstellbar. Die Technisierung bewirkt, dass Informationen jederzeit verfügbar sind und Kunden selbstbewusst entscheiden, welche Marken und Produkte zu ihnen passen. Das wirkt sich auch auf die Markenführung über lokale Absatzpartner aus. Marken sind
- individuell zu führen: Um auf Kundenbedürfnisse eingehen zu können, müssen Marken ihren Partnern technologische Lösungen bereitstellen, über die sie lokale Kunden mit passgenauen und CD-konformen Angeboten versorgen können.
- situationsabhängig zu führen: Lokale Partner müssen situativ auf Kundenbedürfnisse reagieren. Da die Nachfrage nach Grillgut an sonnigen Sommertagen hoch ist, sind der Warenbestand und entsprechende Werbe-Kampagnen mittels Vorhersagen adaptiv zu steuern. Das lokale Marketing ist im Hinblick auf Warenbestände und Logistikkapazitäten zu gestalten: Wer Produkte zuverlässig vorhält, steigert das Vertrauen in die Marke.
- kanalübergreifend zu führen: Offline- und Online-Marketing sind technologisch zu vereinen. Das erlaubt, lokale Zielgruppen online anzusprechen und ihre Aufmerksamkeit für Ladengeschäfte oder Dienstleistungen vor Ort zu wecken. Indem Marken den digitalen Reifegrad der Zielgruppen bestimmen, können sie zielgruppenspezifische Informationen kanalübergreifend ausspielen und lokale Partner als verlässliche Instanz positionieren.
- kundenzentriert zu führen: Stehen Kunden im Mittelpunkt des Marketings, agieren sie im besten Fall als Markenbotschafter. Lokale Partner können wertvolle Impulse für die kundenorientierte Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen liefern. Das stärkt das Vertrauen in die Marke und die Kunden-Loyalität.
Die zunehmende Komplexität der lokalen Markenführung geht auf neue Werte zurück, die die Digitalisierung schafft.
Nähe
Um Kunden und Interessenten zukünftig zu erreichen, müssen Marken ihnen physisch nahe sein und online sowie offline mit ihnen interagieren (relationale Nähe) – mit dem lokalen Partner als Bindeglied zwischen Marke und Kunde. Für eine starke Kundenbindung sollten Marken ihre lokalen Partner mit der notwendigen Technologie ausstatten und sie motivieren, kanal- und themenübergreifend konsistent zu kommunizieren: Kunden müssen an jedem Touchpoint die Informationen erhalten, die sie benötigen. Zudem sind analoge Erlebniswelten zu schaffen, in denen Konsumenten perfekt inszenierte Produkte anfassen und an Aktivitäten teilnehmen können. Die Aufmerksamkeit ist mit integrierten Online- und Offline-Kampagnen zu schaffen.
Sicherheit
Selbst große Marken können sich nicht mehr auf ihre ruhmreiche Geschichte verlassen. Das hat die Deutsche Bank zu spüren bekommen. Um Sicherheit auszustrahlen, müssen Marken auf Veränderungen flexibel reagieren. Hierfür braucht es entsprechende Strukturen, moderne Technologien und Verantwortliche, die dem Wandel offen begegnen und Agilität fördern.
Transparenz
Die Digitalisierung schafft eine neuartige Transparenz. Konnten sich Unternehmen bislang hinter ihrer etablierten Marke verstecken, heben sich heute einige Firmen mit Transparenz und Nachhaltigkeit vom Wettbewerb ab. So verarbeitet Ritter Sport ausschließlich zertifizierten, nachhaltigen Kakao und versieht seine Verpackung mit einem Code, der die Herkunft der Rohstoffe offenlegt. Dementsprechend könnten lokale Händler ihr Warenlager online verfügbar machen und Kunden so über ihre Kapazitäten informieren.
Vertrauen
Vertrauen avanciert zukünftig zum wichtigsten Erfolgsfaktor von Marken. Nur wer die Erwartungen seiner Kunden erfüllt und so Vertrauen schafft, wird seine Marktposition ausbauen können. So ist Rewe in der Lage, die Kundenbedürfnisse per Datenanalyse vorherzusagen und mit zielgerichtet lokal beworbenen Produkten zu befriedigen. Das erlaubt, den Markenkern zu festigen und das Portfolio zu erweitern, etwa um Rewe digital, womit die Marke das Vertrauen ihrer Kunden stärkt.
Automatisierung und Analyse sind Trumpf
Ebenso wie Rewe können Unternehmen auf Basis von Automatisierungs- und Analysetechnologien das Verhalten ihrer Kunden und typische Verhaltensmuster aufdecken. Dank Predictive-Analytics wissen sie, wann ein Kunde ein Produkt benötigen wird – und können es zielgerichtet anbieten. Anhand von Wetterdaten, dem Einkaufsverhalten der letzten Monate, Ferienzeiten usw. kann die Rewe Group vorhersagen, welche Produkte lokale Kunden in den nächsten Tagen kaufen werden. Bei verderblichen Waren wie Sushi ist die Prognose von Absatzmengen entscheidend für den Erfolg einer Marke.
Grundsätzliches Umdenken ist erforderlich
Um datengetrieben agieren zu können, müssen Unternehmen die vorhandenen digitalen Möglichkeiten nutzen – auch weil Kunden entsprechende Tools rege einsetzen und das von Unternehmen ebenfalls erwarten. Mittels Technologie können Marken einfacher und bequemer mit Konsumenten interagieren, was Nähe und Vertrauen schafft.
In diesem Kontext steht der Versicherungsbranche ein disruptiver Wandel bevor. Um gegen Fintechs und Online-Versicherungen bestehen zu können, müssen etablierte Konzerne Online-Marketing über ihre Vermittler vor Ort betreiben: über eine lokale Website, ein professionelles Präsenz- und Kundenbewertungsmanagement, eine Facebook Unternehmensseite, rechtssicheres E-Mail-Marketing und regionale Web-Banner, die auf High-Traffic-Seiten im CPC-Modell personalisiert ausspielbar sind.
Angesichts der Möglichkeiten wäre es töricht, der vermeintlich digital überlegenen Konkurrenz das Feld zu überlassen. Vielmehr können lokale Vermittler das Vertrauen ihrer Kunden (zurück)gewinnen, indem sie sich professionell, sympathisch und engagiert inszenieren – analog und digital, an allen Touchpoints und in allen Kanälen, in denen die Zielgruppe aktiv ist.
Mensch-Maschine-Organismus definiert die lokale Markenführung
Die Digitalisierung schafft unzählige neue Kanäle und Touchpoints. Darum gilt es, nationale Strukturen und lokale Bezugspunkte zu entwickeln, die eine integrierte lokale Markenführung ermöglichen. Dafür braucht es Technologien, über die Absatzpartner Templates bedarfsgerecht anpassen und im lokalen Markt zielgerichtet ausspielen können. Daneben sind das Smartphone und die Geschwindigkeit ins Zentrum zu rücken: Künstliche Intelligenz und die 5G-Technologie ebnen den Weg für automatisiertes Echtzeit-Marketing – und damit für lokales Online-Marketing mittels Display-Werbung, Beacons und virtuellen Litfaßsäulen.
Wer die Weichen heute in die richtige Richtung stellt, kann in Zukunft mit einer lokalen Marke offline wie online, lokal wie national, erfolgreich sein.
*) Mehr zum Thema lokale Markenführung stellen Göth und Ötinger auf dem Local Branding Day vor. Er wird von der Local Branding Alliance am 2. April in Bonn veranstaltet und ist Deutschlands größter Kongress für lokale Markenführung. Die Local Branding Alliance ist ein Netzwerk aus Marketing- und Werbespezialisten, das Unternehmen mit lokalen Absatzpartnerstrukturen ganzheitliche Lösungen für die lokale Markenführung aus einer Hand bietet. Auf dem Kongree in Bonn können sich Marketingverantwortliche über die Megatrends der lokalen Markenführung informieren, etwa lokales Onlinemarketing, Geomarketing, Personalmarketing und Limbic-Mailings.
Thomas Ötinger ist geschäftsführender Gesellschafter von Marcapo, Spezialist für lokale Markenführung und Marketingportale. Als Diplom-Wirtschaftsinformatiker verantwortet er die Bereiche Marketing und Vertrieb, Einkauf und Beschaffung sowie Projekt- und Produktmanagement. Ötinger berät Handels- und Healthcare-Unternehmen, Versicherungen und Hersteller bei der lokalen Markenführung und unterstützt die Vermarktung ihrer Produkte und Services über lokale Absatzpartner.
Sven Göth, Zukunftscoach, Keynote-Speaker und CEO von MK7 Innovate, beschäftigt sich mit zukunftsfähigen Geschäftsmodellen. Der Experte für zukünftige Lebens- und Arbeitswelten berät Start-ups, Konzerne und mittelständische Unternehmen. Nach seinem Studium der Sportwissenschaften und der Ökonomie/Management gründete Göth zunächst ein mittelständisches Unternehmen und wurde später selbstständiger Unternehmens- und Strategieberater.