In Data Clean Rooms können Publisher mit sehr speziellen oder umfangreichen Datenschätzen anderen Parteien (Werbetreibenden, Agenturen oder anderen Publishern) den vollumfänglichen oder partiellen Zugriff auf ihre nicht-personenbezogenen (non-PII) Kampagnendaten, Impression-Level-Daten oder gewisse Insights erlauben. Bei Google geschieht das in Form des Ads Data Hubs, bei Facebook sind ähnliche Schritte zu beobachten. Während beide Akteure der Buy-Side niemals erlauben würden, Daten aus den Walled Gardens zu exportieren, gestatten sie durch die Data Clean Rooms ein Matching mit den First-Party-Daten des Advertisers und kommen ihr so zumindest einen Schritt entgegen, was das Thema Transparenz betrifft.

Wie und wozu werden Data Clean Rooms eingesetzt?

Für den Clean Room benötigen sowohl der Publisher als auch der Advertiser ein Device oder internes Netzwerk, das normalerweise (aus Sicherheitsgründen) nicht mit dem Internet verbunden oder nur durch sehr sichere Kanäle zugänglich ist. Beide Speichermedien werden dann auf neutralem Grund zusammengeführt und hinsichtlich bestimmter Insights gematcht, die ohne das Konterfei der anderen Partei in der Form nicht zu generieren wären.

Data Clean Rooms werden also im Marketing derzeit vorrangig dafür eingesetzt, aussagekräftige Datensätze für Werbemaßnahmen zu generieren, ohne den Publisher oder Advertiser in die kompromittierende Lage zu bringen "seine" Daten mit Dritten teilen zu müssen. Die Insights, die durch das Matching gewonnen werden, sind an dieser Stelle ja nur für das Inventar auf der Seite dieses designierten Publishers valide. In gewisser Weise sind Publisher also durch Data Clean Rooms in der Lage, ihren Werbekunden mehr Informationen über die Audiences, die sie auf den eigenen Seiten mit ihren Anzeigenbuchungen erreichen können, bereitzustellen.

Insights, Analyse & Prospecting - Anonym aber aussagekräftig!

Es gibt einige Branchen, in denen Datensätze noch einmal deutlich sensibler zu behandeln sind, als es der Regelfall ist. So zum Beispiel bei Banken, Versicherungen und Krankenhäusern zu beobachten, die bezüglich der Verarbeitung und Weiterreichung ihrer Kundendaten noch strengeren Regulierungen unterliegen als andere Akteure am Markt. Trotzdem verfolgen auch sie den Wunsch, ihre Insights über bestehende Kunden dafür zu nutzen, neue potenzielle Kunden mit Marketingmaßnahmen anzusprechen und bestenfalls zu konvertieren. Nur durch starke Anonymisierung und Abstraktion der vorliegenden Daten durch Machine-Learning-Modelle, lassen sich diese Daten auch für Prospecting verwenden. Diese Modelle enthalten keine konkreten Informationen über Personen mehr, sondern sind nur noch in aggregierter Form vorhanden, um sie als eine Mischung aus unterschiedlichen, abstrakten Datenpunkten darzustellen. Wenn man sich diese Modelle ansieht, würde niemand erkennen, dass es sich um Kunden eines Finanzinstituts handelt.

Die Daten liegen in einem separaten Embedding Space, über den der Eigentümer der Daten - beispielsweise ein Finanzinstitut - frei verfügen kann. Er kann ihn beispielsweise mit dem Embedding Space eines Medienpartners matchen, auf dessen Inventar er gerne werben möchte. Durch den Abgleich der Daten können Signale extrahiert werden, die es ermöglichen, Nutzer im Publisher-Netzwerk zu identifizieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Interesse am eigenen Serviceangebot aufweisen.

Für wen ergeben Data Clean Rooms Sinn?

Sowohl Werbungtreibende als auch Publisher können von einer solchen Lösung profitieren. Limitierte, vom Publisher gesteuerte Insights sind an dieser Stelle für Werbungtreibende immer noch deutlich informativer als gar keine Insights. Zu Zeiten der DSGVO und datengetriebenem Marketing sind die First-Party Daten eines Unternehmens das höchste Gut. Es kann über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Die Handhabe darüber, wer über die Daten verfügen und mit ihnen arbeiten darf, sollte also keinesfalls leichtfertig entschieden werden. Da Werbungtreibende aber ein transparentes und offenes Ökosystem einfordern, ist es auf lange Sicht auch nicht schlau, sich vor diesem Wunsch vollends zu verschließen. Data Clean Rooms sind ein guter Mittelweg.

Jürgen Galler ist ein international tätiger Digital-Experte und widmet sich aktuell dem Aufbau von High-Tech-Unternehmen im Bereich der Software, Internet und Wireless-Technologien. Er ist Co-Founder und CEO von 1plusX, einem Unternehmen für Predictive Data Analytics. Zuvor war Jürgen Galler Chief Strategy Officer und Mitglied der Konzernleitung von Swisscom und Produkt Management Direktor von Google in Europa.

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Glossar:

Machine Learning

Maschinelles Lernen ist ein Oberbegriff für die „künstliche“ Generierung von Wissen aus Erfahrung: Ein künstliches System lernt aus Beispielen und kann diese nach Beendigung der Lernphase verallgemeinern.

Data Clean Room (DCR)

Ein Data Clean Room ist ein Device/Speichermedium, das noch niemals mit dem Internet verbunden war. Hier können unterschiedliche Parteien ihre Daten einpflegen und abgleichen und daraus Erkenntnisse für Marketingmaßnahmen oder andere Zwecke ziehen.

Embedding Space

Ein Embedding Space ist ein mehrdimensionaler Raum, in dem alle relevanten Datenpunkte und deren Verbindungen untereinander abgebildet sind.

Prospecting

Prospecting bezieht sich auf den englischen Begriff "Prospects" für potenzielle Neukunden und beschreibt den Prozess der Identifizierung und Ansprache neuer Zielgruppen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit konvertieren.


Autor: W&V Gastautor:in

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