Frank Behrendt:
Twitter, bleib bei deinen Zeichen
Es wird sowieso schon genug geschwafelt. Warum jetzt auch noch auf Twitter? Frank Behrendts persönliches Plädoyer für die Kürze von Tweets.
Am Gymnasium in Otterndorf pflegte unser Deutschlehrer Herr Bültmann ausschweifende Erklärungen von Schülern mit einem kurzen Satz zu unterbrechen: "Komm auf den Punkt."
Als ich später im Rahmen meiner Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule bei "Bild" in Hamburg hospitierte, lehrte mich mein Redakteur Henner Fischer, Wichtiges in wenigen Worten zu vermitteln. Als ich Jahre später an einem Kiosk die fette Headline "Wir sind Papst" auf dem Titel der größten deutschen Boulevardzeitung las, musste ich grinsen. In drei Worten - oder um im Twitter-Jargon zu bleiben - in 16 Zeichen war alles gesagt.
Nun experimentiert Twitter also mit der Verdopplung seines Zeichen-Limits. Als Kurznachrichtendienst war man gestartet, damals, als unsereiner noch SMS in sein Nokia-Handy tippte. Daher rührte auch die Beschränkung auf 140 Zeichen.
Ich entsinne mich, dass ich von Twitter-Deutschland zu einem Event geladen wurde: #140 hieß das, es war eine Ehre dabei zu sein und Kai Diekmann und ich twitterten ein Selfie unserer Begegnung. Jener Diekmann, kürzlich bei "Bild" mit der Sieben-Zeichen-Botschaft #GoodKai aussagekräftig von Tanit Koch verabschiedet, war und ist ein eifriger Twitter-Nutzer – und 177.748 folgen ihm. Hat er jemals gejammert, dass ihm nur 140 Zeichen zur Verfügung standen? Oder sein künftiger Unternehmer-Kompagnon Philipp Jessen?
Der smarte bisherige Macher von Stern.de brauchte oft nur wenige Zeichen, um via Twitter ein ebensolches zu setzen. Via Blogeintrag erklärte man aus dem Twitter-Headquarter, man hoffe, dass mit einer Erweiterung auf 280 Zeichen weniger Tweets an die "Text-Obergrenze" stoßen. Dadurch sollte es für alle "einfacher werden zu twittern".
Liegt nicht genau da das Problem?
Die Leute twittern also nicht, weil sie sich nicht kurz fassen können? Da wünsche ich mir meinen alten Lehrer Bültmann wieder her, der die Schwafelbrüder und Schwestern mal zur Ordnung ruft. Warum bietet Twitter nicht Schulungen von erfahrenen Wort-Akrobaten an, die zeigen, wie man sich kurz fasst? "Tweets mit 280 Zeichen. Ich spüre eine Erschütterung der Macht" war das erste, was ich heute früh zu dem Thema las.
Übrigens auf Facebook, verfasst vom brillanten Rob Vegas, den immer noch viele auf Twitter für den wahren Harald Schmidt halten. Er brachte mich in knapp 60 Zeichen dazu, mich mit dem Thema zu beschäftigen.
Natürlich verstehe ich den Hintergedanken der Twitter-Oberen, den Druck der Finanzwelt, der blaue Zwitschervogel soll schließlich irgendwann mal zum Dukatenesel werden. Aber sollte man da wirklich einen elementaren Teil seines USP über Bord werfen? Düsseldorfs Flughafen-Kommunikator Thomas Kötter schlägt auf Twitter ein monatliches Zeichen-Limit vor. Smarte Idee. Und so gäbe es weitere.
In einer Zeit, bei der nicht nur das Motto des gerade zu Ende gegangenen Kommunikationskongresses "Relevanz" lautete, sollten wir alle uns genau darauf besinnen: Das Relevante kurz und knapp zu kommunizieren. Dazu braucht man meist keine 280 Zeichen, wenn man sein Handwerk beherrscht. Und wenn es mal länger sein muss, kann man auch zwei Tweets absenden oder andere Plattformen nutzen.
Und eines sollten wir auch nicht vergessen: Die Limitierung auf 140 Zeichen ist nicht nur eine gute Schule, um auf den Punkt zu kommen. Sie ist auch eine Schutzfunktion, um den Content von so manchem wilden Twitter-Nutzer nicht ausufern zu lassen. Für so manchen Tweet von manchen Zeitgenossen sind sogar 140 Zeichen zu viel. Das gilt übrigens auch für Präsidenten.