Countdown zur Dmexco:
So erreicht man chinesische Touristen via Wechat
Die klassischen westlichen Netzwerke nutzen einem nichts, wenn man die zahlungskräftigste Gruppe von Reisenden ansprechen will. Wer Chinesen erreichen will, muss umdenken.
Die Zahl der chinesischen Touristen mit gut gefülltem Bankkonto steigt. Zuletzt sind sie in Sachen Zahlungskraft sogar an den arabischen und russischen Besuchern vorbeigezogen. Das macht Chinesen für hiesige Unternehmen zu einer begehrten Zielgruppe. Es stellt das Tourismusmarketing aber auch vor Herausforderungen. Denn in puncto Digitalmarketing gelten auf einmal ganz andere Gesetze: Wechat, Alipay und Co. sind die Plattformen, über die Chinesen erreicht werden. Und für diese gelten eigene Gesetze, mit denen sich deutsche Unternehmen erst auseinander setzen müssen.
Mehr noch: Nicht nur die Kaufkraft, auch die Bandbreite der Ansprüche nimmt zu - der klassische Gruppenreisende kommt mittlerweile eher aus den weniger bedeutenden Provinzen Chinas; Touristen aus den Metropolen Peking und Schanghai orientieren sich dagegen in Richtung Individualreise oder Abenteuerurlaub. Das bedeutet, dass sich neben Outlet-Centern zunehmend auch andere Unternehmen auf die Customer Journey der chinesischen Touristen einstellen müssen: Hotels, Einzelhandelsketten und individuelle Händler, Logistikunternehmen wie Taxis, Bahn oder Mietwagenfirmen, ganze Regionen oder als erster Touchpoint überhaupt – die Flughäfen.
Chinesen treffen in Europa häufig auf eine Shopping-Infrastruktur, die ihren Anforderungen nicht mehr genügt. Denn in China ist die digitale Revolution deutlich weiter fortgeschritten als bei uns.
Über 900 Millionen auf Wechat
700 Millionen Internetnutzer gibt. Und Wechat, die größte mobile Plattform Chinas, kann inzwischen gar auf mehr als 900 Millionen Anwender verweisen. Neben Inlandschinesen sind dies weitgehend Chinesen im Ausland und deren erweitertes Netzwerk. Und die chatten nicht einfach bloß miteinander; sie bewegen sich auf einer mobilen Plattform, die unglaublich vielseitig ist und es etwa erlaubt, Taxis zu bestellen oder mobil zu bezahlen. Sogar in direkter Interaktion mit der (haptischen) Umwelt – wie ein offizielles Wechat-Video zeigt:
Während wir hierzulande immer noch auf die Einführung von Apple Pay und anderen Bezahlsystemen warten, hat sich Mobile Payment in China inzwischen durchgesetzt: Mittlerweile erfolgen fast 80 Prozent der Transaktionen über mobile Geräte. Zunehmend erwarten die chinesischen Reisenden diese Standards von digitalen Services auch im Ausland. Schließlich sind sie sich ihres Status als Premiumkunden durchaus bewusst. Wenn – so wie aktuell die Drogeriemarktkette Rossmann – ein deutsches Unternehmen die chinesischen Mobile-Payment-Möglichkeiten anbietet, wird dies in der chinesischen Community aufmerksam beobachtet und aktiv diskutiert.
Der lange Arm der Kommunikation
Schon bevor Chinesen ins Ausland reisen, werden sie von den Zieldestinationen beworben. Allerdings sind sie in der Planungsphase einer Reise viel mobiler und digitaler unterwegs als Bürger anderer Nationalitäten. Vor allem Influencer-Kampagnen, die man in China Key-Opinion-Leader-, kurz KOL-Maßnahmen nennt, Social-Ads mit klarem Targeting – zum Beispiel auf Wechat -, aber auch die klassische PR stehen bei ausländischen Unternehmen, die chinesische Touristen ansprechen möchten, hoch im Kurs.
Content ist King - auch in der Ansprache von Chinesen. Insbesondere magazinige Beiträge sind populär.
Daneben gibt es bestimmte Basics, die man im Hinblick auf chinesische Reisende im digitalen und vor allem mobilen Marketing nicht vergessen darf: So wie in westlichen Hemisphären die Auffindbarkeit in Google Maps oder bei Tripadvisor inzwischen ein absolutes Muss sind, sollten Anbieter reisenaher Produkte und Dienstleistungen in einigen chinesischen Anwendungen unbedingt vertreten sein. Nur so können sie bereits bei der Reiseplanung berücksichtigt werden. Dazu gehört etwa die hierzulande vollkommen unbekannte Plattform Dianping, eine Art Yelp Chinas. Wer hier als Restaurant, Hotel, aber auch ganz allgemein: als Ladengeschäft keinerlei Bewertungen vorweisen kann, der fällt – zumindest bei einigen Chinesen – durchs Raster.
Ctrip, eine Buchungsplattform für Hotels und sonstige Reiseservices erfreut sich ebenfalls großer Beliebtheit bei Chinesen. Auch Mafengwo, ein Social Network, das sich auf Reiseerlebnisse spezialisiert hat, sollte man nicht unterschätzen.
Und das versteht sich von selbst: Wer seinen Kunden eine Zahlung über die Mobile-Payment-Plattform Alipay anbieten kann, sollte auch über deren App auffindbar sein.
Welche digitalen Touchpoints sind essenziell?
Die drei wichtigsten digitalen Touchpoints sind allerdings andere: Wechat, die Super-App, die Messaging, Content-Plattform, E-Commerce, Payment und Co. verbindet, Sina Weibo, das Twitter Chinas, und Baidu, die größte Suchmaschine des Riesenreichs.
Hier sollten Unternehmen und ihre Produkte vor allem mit Content in Form von Storytelling-Formaten präsent sein. Denn Chinesen möchten Informationen über die Relevanz, die Historie und die Ideen von Unternehmen und deren Produkten, in die sie ihr Geld stecken.
Sobald chinesische Reisende unterwegs sind, ändert sich ihre digitale Tourist Journey ein wenig. Desktops spielen dabei kaum noch eine Rolle. Stattdessen wird das Smartphone für sämtliche Informationen genutzt. Dank Auslands-Datentarifen gibt es für Chinesen keine Probleme – auch das unterstützt Wechat mittlerweile mit der „Wechat GO“ SIM-Card.
Deshalb sind Location-Funktionen zentral, wie bei Alipay. Nutzern werden dort Geschäfte "in der Nähe" angezeigt, die über einen Eintrag bei der Mobile-Payment-App verfügen und darüber Marketingkampagnen fahren können. Wichtig zu wissen: Chinesische Anwendungen wie Alipay haben – eher als beispielsweise Paypal im Westen – immer auch eine kommunikative Funktion und sind damit als Marketing-Touchpoints relevant.
Unterwegs mit Chinesen
Und dann natürlich Wechat selbst: Die Super-App ist auch auf Reisen die Nummer 1. Das hat die Betreiberfirma Tencent erkannt und bietet inzwischen lokalen Firmen auch in Europa verschiedene Möglichkeiten, chinesische Touristen aktiv anzusprechen. Zu den Ansätzen gehört etwa die gezielte Ausspielung von Social Ads, mit denen man zum Beispiel "Chinesen auf Reisen" erreichen kann.
Trotzdem sollte die Komponente Offline-2-Online (O2O) nicht ignoriert werden. Reisen finden noch immer im "echten Leben" statt und nicht auf dem Smartphone. Hinweise auf chinesische Angebote, Accounts oder Bezahlsysteme können auch im Laden oder im Schaufenster platziert werden. Denn im Gegensatz zur deutschen Zielgruppe, sind beispielsweise QR-Codes in China seit Langem als klassische Verknüpfungspunkte zwischen Real- und Digitalwelt etabliert. Und natürlich ist auch Personal, das weiß wie chinesische Reisende ticken, durchaus von Vorteil. Dabei geht es um Details: Produkte sollten immer mit beiden Händen übergeben werden, statt Mineralwasser kommt Wasser aus dem Wasserkocher deutlich besser an und insgesamt geht es vor allem um: Höflichkeit, Höflichkeit und nochmals Höflichkeit.
Den Lifecycle mit chinesischen Kunden schließen
Die Bindung des chinesischen Kundens ist wichtig. Wer direkt Fans für seinen Wechat-Kanal generieren kann, ist klar im Vorteil. Aber auch Tipps und Tricks für die nächste Reise, Follow-up-Angebote per Cross-Border-E-Commerce, also die Lieferung an den chinesischen Kunden nach Hause, oder auch der direkte Verkauf in China sind nächste denkbare Schritte einer ganzheitlichen Marketingstrategie für chinesische Touristen. Hierzu bietet Wechat die Möglichkeit, EAN-Codes mit Landingpages zu hinterlegen. Beispielsweise kann der Code einer leeren Kosmetikverpackung in China via Wechat gescannt und die verknüpfte Seite durch den Hersteller oder Händler genutzt werden, um die Möglichkeiten eines Nachkaufs zu erklären.
So wird aus dem touristischen Einmalkäufer vielleicht direkt im Anschluss an die Reise ein treuer Kunde:
Als Digital Strategist China berät Sven Spöde bei der Agentur Storymaker Kunden in Bezug auf digitale Kommunikation mit Chinabezug. Björn Eichstädt ist Managing Partner der Kommunikationsagentur Storymaker und befasst sich seit zehn Jahren auch mit asiatischen Themen, seit etwa fünf Jahren mit Schwerpunkt Japan. Das Leistungsspektrum von Storymaker umfasst unter anderem Digital- und story-getriebene Kommunikation sowie PR. Inhaltlicher Schwerpunkt sind Technologiethemen und Asienstrategien.
Storymaker ist seit 2017 offizieller Partner von Tencent (Wechat) und Alipay zur Unterstützung von Marketingaktivitäten deutscher Unternehmen auf den Plattformen.