Kommentar von Timo Lommatzsch:
Richtig reagieren auf den Content-Schock
Der Geschäftsführer von Orca van Loon Communications weiß, wie Marketer den Kampf um die Aufmerksamkeit trotz der enormen Content-Flut gewinnen können.
Keine Angst vorm Content-Schock! Das meint Timo Lommatzsch. Der Geschäftsführer von Orca van Loon Communications in Hamburg weiß, wie Marketer den Kampf um die Aufmerksamkeit trotz Inhalte-Flut gewinnen können.
Immer mehr Absender produzieren immer mehr Content und kämpfen mit Ihnen um die Aufmerksamkeit Ihrer Zielgruppe. Doch eigentlich ist es ganz einfach, trotzdem erfolgreich zu kommunizieren.
Aber bevor wir zur Lösung kommen: Was ist eigentlich der Content-Schock?
Der Begriff "Content Shock" machte ab 2014 zuerst in den USA die Runde und ist in den vergangenen Monaten auch immer häufiger in deutschen Branchenkreisen zu hören. Er beschreibt die Entwicklung, dass immer mehr - zuweilen auch qualitativ hochwertiger - Content von immer mehr unterschiedlichen Absendern produziert wird.
Vor allem online buhlen also klassische Medien (nationale & regionale Medien, Fachmedien usw.) mit reinen Onlinemedien (Huffington Post, Buzzfeed, Trèsclick usw.) und neuen, immer professionelleren Content-Herausgebern wie Vereinen, Verbänden und NGOs sowie Unternehmen und Marken bis schließlich hin zu Influencern und Prominenten (Schauspieler, Sportler, Models usw.) mit ihren Inhalten um die Aufmerksamkeit der Zielgruppen.
Das hat zwei Konsequenzen:
Die Zielgruppen werden mit Content überflutet und legen sich – bewusst und unbewusst – unterschiedliche neue Schutz- und Filtermechanismen zu. Dazu zählen z.B. eine Änderung des Mediennutzungsverhaltens, ergänzende persönliche/menschliche Filter, Algorithmen, Fake-Profile, geringere Interaktion, Facebook-Abstinenz, Adblocker usw.
Die Reichweiten für die Herausgeber brechen stark ein und es braucht mehr Ressourcen (Zeit und/oder Geld), um die Zielgruppen auch wirklich zu erreichen und ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.
Wie soll man nun als Unternehmen, als Marke auf diesen Content-Schock reagieren?
Eigentlich ist es sehr naheliegend und die folgenden sechs Punkte mögen dem einen oder anderen vielleicht als Binsenweisheiten erscheinen, aber glauben Sie mir: Wenn Sie diese Punkte berücksichtigen und verinnerlichen, ist Ihre Content-Strategie weitaus besser als ein großer Teil dessen, was aktuell die Feeds, Portale und Webseiten verstopft.
1. Seien Sie ehrlich zu sich selbst und setzen Sie valide Kennzahlen an
Machen Sie Tabula rasa im Hinblick auf Reichweitenkennzahlen und definieren Sie neue, valide Ziele und KPIs. Früher war es Usus, einen Werbeclip im TV mit einer Reichweite von X-Millionen zu werten. Ein Packshot im Kreuzworträtsel auf Seite 12 der "Bild"-Zeitung wurde mit einer Reichweite von Y Millionen gewertet. Das einzelne Plakat im Industriegebiet brachte täglich zehntausende Blickkontakte. Die Postwurfsendung erreichte hunderttausende Haushalte. Die Facebookseite hatte hunderttausende Fans und das Online-Clipping auf Spiegel Online eine zweistellige Millionenreichweite. Zusammengerechnet brachte das riesige Kontaktzahlen im dreistelligen Millionenbereich. Toll! Nur sagt das nichts darüber aus, wie viele Menschen wirklich erreicht wurden, und schon gar nicht, ob diese tatsächlich zur Zielgruppe gehörten und was bei ihnen bewirkt wurde.
Das Schöne ist doch: Online können wir solche Faktoren viel besser messen und Content-Marketing kann viel gezielter, viel direkter, viel nachhaltiger wirken. Wir müssen nur – spätestens jetzt als Folge des Content-Schocks – ganz klar definieren, was wir erreichen wollen, und das Ganze dann realistisch und präzise messen. Und wir müssen die Ergebnisse verstehen und die internen Erwartungen dahingehend managen. Das heißt: Im B-to-B-Bereich sind z.B. 500 oder auch 50 valide, direkte Kontakte weitaus mehr wert, als fünf Millionen hochgefakte Reichweite. Lieber 50.000 Consumer aus der Kernzielgruppe jeden Monat wirklich erreichen, berühren, emotional involvieren, als zehn Millionen potenzielle Kontakte mit unbekanntem Streuverlust generieren.
2. Definieren Sie Ihre Zielgruppen ganz genau und lernen Sie diese wirklich zu verstehen
Investieren Sie mehr Zeit, Geld und Verstand darin, Ihre Zielgruppen genauer zu definieren und zu verstehen. Wer ist wirklich relevant für Sie? Sprechen Sie nicht alle potenziellen Kunden an, sondern definieren und erreichen Sie die wahrscheinlichsten, die relevantesten (Neu-)Kunden. Und bei diesen Zielgruppen gilt es dann, ganz genau die Bedürfnisse und das Mediennutzungsverhalten zu eruieren und Ihre Inhalte und die Distribution der Inhalte genau drauf zuzuschneiden. Das Ganze dann kontinuierlich kontrollieren und anpassen, ja, auch die Definition der Kernzielgruppe immer wieder überprüfen und adaptieren.
3. Seien Sie schlauer und besser
Nehmen Sie sich noch mehr Zeit und setzen Sie noch mehr Wissen ein, um zu planen, welcher Content mit welchem Kanal- und Medienmix in die Aufmerksamkeit Ihrer Kunden gebracht wird. Oft ist weniger mehr. Suchen Sie nach intelligenten Lösungen, probieren Sie Neues aus, machen Sie nichts wie immer, nichts genauso wie die Konkurrenz, wie Sie es im Blog XY gelesen oder letztes Jahr im Case XY gesehen haben. Hinterfragen Sie permanent, passen Sie an: Wo muss welcher Content wie mit der Zielgruppe in Kontakt kommen, damit er die gewünschten Ergebnisse liefert? Die Welt, die Zielgruppen, die Medien ändern sich permanent – bleiben auch Sie beweglich, machen Sie sich schlau.
4. Lernen Sie die neuen Gatekeeper und Schutzmechanismen Ihrer Zielgruppe zu verstehen
Dies ergänzt noch einmal Punkt 2 und 3: Lernen Sie die unterschiedlichen Gatekeeper zu verstehen und erkennen Sie, wie Ihr Content am besten für diese Gatekeeper aufbereitet werden muss. Gatekeeper sind heutzutage unter anderem Journalisten, Influencer, Promis, Algorithmen der Social-Media-Plattformen und Suchmaschinen usw. Lernen Sie zu verstehen, wie Ihre Zielgruppen versuchen, der Content-Flut zu entrinnen, wie sie selektieren, was für sie wichtig ist, wie sie ihre Aufmerksamkeit kanalisieren und welche Tools sie dabei nutzen.
5. Stechen Sie aus der Masse heraus
Ich will gar nicht so viel über die Inhalte an sich reden. Die müssen natürlich gut sein, relevant, einen entscheidenden Mehrwert bieten – und ja, der Mehrwert, die Relevanz kann auch emotional und unterhaltend sein. Aber mehr denn je ist es sinnvoll, einzigartig zu sein, sich zu unterscheiden, Position zu beziehen, unverwechselbar zu sein, auch mal anzuecken, Reibung zu erzeugen. Klar, das muss zur Marke und zum Unternehmen passen. Aber denken Sie doch noch einmal frisch drüber nach: Würde es nicht passen, mal etwas klarer Position zu beziehen? Sich etwas deutlicher zu differenzieren? Themen konsequent, umfassend und mit Haltung zu besetzen?
6. Reißen Sie die Silos ein – jetzt mal wirklich!
Na, wat ham wir dat schon oft gehört! Jetzt aber mal im Ernst: Sie sind umso effizienter und erfolgreicher im Content-Marketing, in Ihrer gesamten Kommunikation, je mehr Sie auf Synergien setzen und on- und offline verzahnen, Aktionen von Vertrieb, CRM, Marketing und PR auf einander aufbauen lassen und miteinander vernetzen. Denken Sie, realisieren Sie das Content-Marketing umfassend und integriert in Ihre gesamte Organisation.
Wenn Sie sich das alles zu Herzen nehmen und umsetzen, müssen Sie keine Angst vor dem Content-Schock haben. Denn dann werden Sie auch zukünftig herausstechen, relevant und sichtbar sein und so den Konkurrenzkampf um die Aufmerksamkeit Ihrer Zielgruppen gewinnen.