CRM-Spezialistin Alexandra Ranzinger:
Mit Kundenbindungsprogrammen Amazon die Stirn bieten
Jeder Händler kann Daten generieren und diese nutzen: Wie, verrät Vertriebsspezialistin Alexandra Ranzinger - um mit Amazon mithalten zu können.
Alexandra Ranzinger, früher Geschäftsführerin des Bonuskartensystems Deutschlandcard und Inhaberin der Münchner Agentur Working Head, fordert den Handel auf, selbst für Big Data zu sorgen. Die CRM-Spezialistin stellt in einem Gastbeitrag für W&V Bonusprogramme in den Mittelpunkt.
Kundenbindungsprogramme sind der Schlüssel zum Erfolg
"Amazon macht alle kaputt": In vielen Medien, auf Fach-Kongressen und in Branchen-Meetings liest und hört man nur noch von der Bedrohung durch Amazon. Der US-Riese nimmt allen Händlern Umsatz weg und lässt die Innenstädte veröden.
Doch wir erinnern uns: Vor nicht allzu langer Zeit war es noch der gesamte Online-Handel, auf den sich das Feindbild konzentriert hat. Seitdem jedoch Amazon den Online-Handel in Deutschland dominiert – laut einer Umfrage der Unternehmensberatung PwC kaufen 90 Prozent der Online-Shopper in Deutschland bei Amazon ein – fokussiert sich das Feindbild auf den Konzern aus Seattle.
Aber: Amazon macht vieles einfach besser. Was der E-Commerce-Händler beherrscht wie wenig andere ist - neben dem hohen Shopping-Komfort - das Spiel mit den Daten. In Echtzeit werden personalisierte Angebote basierend auf Produktsuchen von aktuellen und vergangenen Käufen ausgespielt. Schnell ist man verleitet, gleich auch noch ergänzende Artikel in den Warenkorb zu legen – es passt ja alles bestens zusammen und man muss sich die Produkte später nicht mühsam im Laden oder auf anderen Plattformen zusammensuchen. Und schon fließen bei Amazon datenbasiert hohe Zusatzumsätze aufs Konto.
Warum immer wegen Amazon jammern und nicht einfach handeln?
Der Online-Handel generiert bei jeder Produktsuche und bei jedem Kauf Daten – darauf sind die großen Plattformen spezialisiert. Doch das muss nicht heißen, dass der stationäre Handel nicht genauso agieren kann. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl von Möglichkeiten, Daten zu gewinnen und diese für die Steuerung des Kaufverhaltens der Kunden zu nutzen.
Meine Devise: Man muss Amazon in nichts nachstehen, man muss nur handeln.
Basis für die Datengenerierung sind Kundenbindungsprogramme. Je attraktiver das Programm, umso mehr Endverbraucher nutzen dieses und umso mehr Daten werden generiert. Aber welche Kundenbindungsprogramme gibt es und was sind deren Erfolgskriterien?
Welche Händler sind mit ihren Programmen erfolgreich - und warum?
Unter den Single-Bonusprogrammen ist die regionale Budni-Karte mit 1,2 Millionen aktiven Kundenkarten und über 50 Prozent Umsatzdurchdringung eine der erfolgreichsten Karten auf dem deutschen Markt. Dieser Erfolg basiert im Wesentlichen auf der effizienten und zielorientierten Mitarbeiterschulung und der Einfachheit des Systems.
Das Fragen nach der Karte in der Filiale ist entscheidend für einen hohen Anteil des Umsatzes, der über die Karte läuft und demzufolge für die Größe des Datenvolumens entscheidet. Bedenken Sie: Amazon hat Daten von 100 Prozent seiner Kunden!
Im Bereich der Multipartner-Bonusprogramme ist Payback mit mehr als 30 Millionen aktiven Karten uneinholbarer Marktführer. Der Erfolg ist einerseits zurückzuführen auf die Abdeckung aller relevanten Branchen mit führenden Handelsunternehmen und der sich daraus ergebenden hohen Relevanz für die Endverbraucher.
Gleichzeitig investiert Payback massiv in die Weiterentwicklung des Programms und steckt viel Geld in neue Technologien. Dieser Bereich gewinnt vor allem angesichts der umfangreichen technischen Möglichkeiten von Amazon immer größere Relevanz. So hat Payback mittlerweile in der App, die mehr als 13 Millionen Downloads verzeichnet, die digitale Karte oder auch auf dem Kaufverhalten basierende eCoupons, die im Hintergrund systemisch geprüft und je nach Partner in Echtzeit verbucht werden. Und das alles ohne Vorzeigen der Coupons am PoS. Darüber hinaus wurde auch eine mobile Zahlmöglichkeit integriert.
Zudem bietet Payback umfangreiche technische Varianten im Bereich der Location Based Services, die das Umfeld der Karteninhaber berücksichtigen, deren soziodemographischen Daten und auch das Kaufverhalten. Mit den Daten von über 30 Millionen Menschen, ergänzt um zukunftsfähige Technologien ist der Verbund der Payback-Partner mehr als wettbewerbsfähig aufgestellt.
Der Modehändler Adler dagegen ist mit einem Single-Rabattprogramm bei seinen Kunden erfolgreich. Die Karte gewährt allen Inhabern drei Prozent Rabatt. Die Besonderheit des 1974 eingeführten Programms: Es ist eines der wenigen, das eine Statuskarte aufgelegt hat. Ab einem Einkaufswert von 500 Euro innerhalb von zwölf Monaten erhält der Kunde automatisch eine neue Karte und damit auch definierte Privilegien. Der Wunsch zu einer "ausgewählten" Gruppe zu gehören, hat sich beispielsweise auch zum Erfolgskriterium bei Lufthansa Miles & More entwickelt.
Wo die Grenzen liegen
Das größte Multipartner-Rabattprogramm in Deutschland ist das ADAC-Vorteilsprogramm, dessen Nutzung allen 21 Millionen ADAC-Mitgliedern möglich wäre, da die Rabatte bei teilnehmenden Unternehmen jedem Karteninhaber gewährt werden. Auffällige Differenzierungsmerkmale sind die hohen Direktrabatte auf Mineralöl und die überdurchschnittlich hohe Mitgliederanzahl.
Da das Programm des ADAC als "Show your card"-Programm funktioniert, das Rabatte beim Vorzeigen der Karte gewährt und die Karte nur bedingt in der Kasse erfasst wird, ist es für die Datengenerierung nicht ideal.
Kundenkarten ohne regelmäßige Incentivierung, wie etwa der Media Markt Club, der nur bestimmte Käufe (den dritten, fünften, siebten, zehnten und fünfzehnten) innerhalb eines Jahres belohnt, konzentriert sich aufgrund des spezifischen Bonus-Modells eher auf Top-Kunden und reduziert dadurch das zu generierende Datenvolumen.
Für B- und C-Kunden ist diese Form der Incentivierung und somit die Teilnahme am Programm nicht interessant. Ob man mit diesem spitz definierten Modell Amazon gegenüber wettbewerbsfähig ist, bleibt abzuwarten.
Bei Punkteklebe-Aktionen erhält der Kunde auf einen definierten Einkaufswert einen so genannten Treuepunkt. Für eine bestimmte Anzahl Treuepunkte kann der Endverbraucher gegen unterschiedliche Zuzahlungshöhen Prämien vor Ort in den Filialen erwerben. So sammelt der Kunde beispielsweise bei Kaufland für fünf Euro einen Treuepunkt und kann gegen Zuzahlung eine Prämie erwerben.
Die Krux: Ohne Zuzahlung – also nur durch Abgabe des vollen Sammelheftes – erhält der Endverbraucher keine Prämie. Da die Aktionen komplett anonym und über haptische Sammelhefte verlaufen, sind auch sie nicht zur Datengenerierung und –nutzung relevant.
Im Bereich Couponing gibt es mittlerweile unterschiedliche Entwicklungen auf dem Markt – sowohl bei der Form der Zustellung als auch im Layout und in der Angebotsstruktur. So gibt es etwa Couponblätter, die via Postwurfsendung verbreitet werden, Couponing in Zeitschriften/Magazinen, Checkout-Couponing an den Händler-Kassen, reines Mobile Couponing, Couponing in Bonusprogrammen und Coupon-/Rabatt-Plattformen im Internet, wie beispielsweise Groupon oder DailyDeal. Im Sinne der Gewinnung von Daten sind diese Beispiele lediglich im Zusammenspiel mit Bonus- und Rabattprogrammen von Bedeutung.
Was bedeutet dies für die Händler?
Jeder Händler verfügt über umfangreiche Möglichkeiten erfolgreich in hohem Volumen Daten zu generieren und diese auch zu nutzen, um sich entsprechend gegen Amazon oder jeden anderen, der mit der Kernkompetenz Daten auf dem deutschen Markt aktiv ist, zu rüsten.
Mit einer klaren strategischen Zielsetzung sollten Kundenbindungsprogramme konzipiert und umgesetzt werden, um von möglichst vielen Kunden das Kaufverhalten abzubilden und im Anschluss mit diesen Daten zu arbeiten. Mein Rat: Schneller handeln und weniger über die umfangreichen Aktivitäten von Amazon diskutieren. Diskussionen generieren keine Umsätze!
Alexandra Ranzinger, selbstständige Beraterin mit Fokus auf den Bereichen Kundenbindung, CRM und Vertrieb, hat mit ihrer über 20-jährigen Erfahrung im Bereich Vertrieb gerade die Neuauflage ihres Buches "Praxiswissen Kundenbindungsprogramme", vorgelegt.