Snap Inc.:
Deutsches Snapchat Discover startet mit Bild, Vice, Sky Sport und Spiegel Online
Snap Inc. launcht die deutsche Version seines Medienangebots Snapchat Discover. Die Diskussionen mit den Medienpartnern um die Vermarktung sind beigelegt.
Vor etwa eineinhalb Jahren hat Snap Inc. die Gespräche mit deutschen Medienpartnern aufgenommen. Nun startet die Messaging-App Snapchat nach zwischenzeitlich schwierigen Verhandlungen das Medienangebot Discover in Deutschland. Mit Spiegel Online, Vice, Bild und Sky Sport sind zunächst vier Medienpartner an Bord. Die Medienpartner investieren in Redakteure und wollen mit eigens für die Plattform produzierten Beiträgen die sehr jungen Snapchat-Zielgruppen für ihre Medienmarken interessieren.
Deutschland ist der vierte Markt nach dem Start 2015 in den USA, Großbritannien, Australien und Frankreich (2016), auf dem Snap Inc. das kuratierte Medienangebot Discover einführt. Dieses eigens für die App aufbereitet redaktionelle Fullscreen-Video-Angebot unterscheidet Snapchat von anderen Plattformen und ist strategisch wichtig. "Der Content hat erheblichen Einfluss darauf, wieviel Zeit die Nutzer mit Snapchat verbringen und wie engagiert sie sind", sagt Nick Bell, Vice President Content bei Snapchat. 25 bis 30 Minuten täglich sind das derzeit im Schnitt pro User.
Börsenkurse unter Druck
Der kalifornische Tech- und Social Media-Konzern kann positive Nachrichten gebrauchen. Seit dem Börsengang am 2. März 2017 ist der Snap-Aktienkurs deutlich gefallen. Konkurrent Facebook kopiert grundlegende Funktionen von Snapchat auf Instagram Stories, Whatsapp oder Facebook Messenger, darunter die Möglichkeit, Freunden persönliche Videos zu zeigen, die nach einem Tag wieder verschwinden.
Instagram Stories hat damit in kurzer Zeit mehr als 200 Mio. Nutzer angehäuft – mehr als Snapchat mit aktuell 158 Millionen Nutzern (davon 60 Millionen in den USA und Kanada). Dazu kommt, dass das Nutzerwachstum bei Snapchat zuletzt ziemlich abgeflaut ist. Diese Entwicklung hatte Snap Inc. im Börsenprospekt zwar vorausgesehen. Umso wichtiger für die Monetarisierung ist es, das Engagement der Nutzer auf der Plattform zu erhöhen. Nur so kann es gelingen, später einmal über Werbeeinnahmen profitabel zu werden. Innovationen wie neue "Linsen" die "Snapchat Shows" oder der weitere Rollout von Medienhalten auf Discover sollen die Nutzer der mobilen Plattform bei Laune halten.
Medien investieren in Snapchat-Redakteure
Medienpartner wie "Vice" glauben daran, dass die Messaging App mindestens in den nächsten Jahren Relevanz haben wird und investieren. "Vice" beispielsweise hat in Deutschland eine siebenköpfige Redaktion aufgebaut (darunter drei Motion-Grafiker), um Geschichten auf Discover zielgruppengerecht erzählen zu können.
Zehn Beiträge täglich will "Vice" auf Snapchat Discover veröffentlichen – ein Querschnitt aus den verschiedenen Themenkanälen des globalen Jugendmedienkonzerns. In den USA, Großbritannien und Frankreich hat "Vice" mit Discover bereits positive Erfahrungen gemacht: „Wir konnten innerhalb kurzer Zeit große Reichweiten aufbauen und erreichen Zielgruppen, die vorher noch keinen Kontakt mit unserer Marke hatten“, sagt Lorenz Fendes, der bei "Vice" die strategischen Partnerschaften mit Social Distribution-Plattformen verantwortet.
"Spiegel Online" setzt ebenfalls ein eigenes Team aus jungen Redakteuren, Videospezialisten und Motion-Designern ein. Wie groß das Team ist, ob neue Redakteure für diesen speziellen Kanal eingestellt wurden und wieviele Geschichten täglich auf Snapchat Discover veröffentlich werden, verrät der "Spiegel" nicht. Täglich sollen die Nutzer "die aktuellsten Nachrichten, Videos und Animationen" auf Discover plattformgerecht aufbereitet finden. Zum Start sind alle Medienabieter am Morgen aufgeschaltet. Im Anschluss werden sie jedoch zu unterschiedlichen Zeiten ihre Discover-Inhalte aktualisieren - "Sky Sport" um 17 Uhr, "Bild" um 18 Uhr, "Spiegel Online" um 19 Uhr, "Vice" um 6 Uhr.
Streit um Werbevemarktung beigelegt
Im Ringen um die Konditionen der Werbevermarktung hat sich Snapchat mit den Partnern offenbar einigen können. Snapchat-Manager Bell nennt keine Details, sagt aber soviel: "Wir wollen, dass alle zufrieden sind - Medienpartner, Snapchatter, Werbekunden und wir. Nur so lässt sich ein nachhaltiges, auf lange Sicht profitables Geschäft aufbauen". Für Diskussionen hatte zuvor gesorgt, dass Snapchat die Werbeumsätze komplett einbehalten und den Medienpartnern nur einen Fixbetrag ausbezahlen wollte.
Nun haben "Bild", "Spiegel", "Sky Sport" und "Vice" offenbar das Recht auf Erstvermarktung und können Kunden eigene Vermarktungspakete anbieten, die eine plattformgerechte Branded Content-Kreation der Werbemittel einschließt. Sie können dafür eigene Preise aufrufen. "Vice" wird in den nächsten Wochen mit einer Werbung für den Kunden Ovomaltine präsentieren.
Parallel dazu übernimmt Snapchat die kanalübergreifende Discover-Vermarktung. Als Werbekunden sind die Bundeswehr, die Deutsche Bahn, die Unilever-Marke Axe, McDonald’s sowie Universal Pictures mit Werbung für den Film "Get Out" an Bord. Die Umsatzerlöse werden in beiden Fällen geteilt. Welchen Anteil Snapchat einbehält ist Verhandlungssache – üblich sind um die 30 Prozent. Werbekunden können drei bis zehnsekündige Kurzvideos im Fullscreen buchen und auf Wunsch zusätzlich über eine Wischfunktion zu einem längeren Video oder einem Branded Content-Artikel leiten.
Zuletzt war bekannt geworden, dass Marianne Bullwinkel nach ihrem Ausstieg bei Facebook neue Country Managerin DACH bei Snap wird. Das Engagement der hochrangigen Managerin will Snap als Signal an den Markt verstanden wissen. In den kommenden Wochen will das Unternehmen, das neben der Messaging-App Snapchat auch die Videobrille Spectacles vertreibt, eine Deutschlandzentrale eröffnen. Wo sie angesiedelt sein wird bleibt noch geheim. Die Frage, wie groß das deutsche Snapchat-Team um Bullwinkel werden soll, bleibt vorerst ebenfalls unbeantwortet.