Von Andreas Wagner:
Wie die Blockchain das Geschäftsmodell der Agenturen gefährdet
Andreas Wagner von Thjnk ist der Kreativdirektor hinter dem "Mission to the Moon"-Projekt von Audi. Im W&V-Gastbeitrag beschreibt er, wie die Blockchain das Geschäftsmodell der Agenturen bedroht.
Dass Kryptowährungen eine Bedrohung für das Geschäftsmodell der Banken darstellen, hat sich inzwischen längst herumgesprochen. Doch die technische Entwicklung wird an diesem Punkt nicht stehen bleiben. Auf lange Sicht droht durch die Blockchain-Technologie sämtlichen Businessmodellen, in denen es um klassische Mittlerrollen geht, das Aus. Die Frage ist nicht ob, sondern wann das geschieht, glaubt Thjnk-Kreativdirektor Andreas Wagner, der Mann hinter dem "Mission to the Moon"-Projekt von Audi.
Von Andreas Wagner
Bis Anfang 2017 fristete die Kryptowährung Bitcoin ein Schattendasein. Der Allgemeinheit war sie hauptsächlich als beliebtes Zahlungsmittel für Kriminelle im Darknet bekannt. Doch in den letzten Monaten entwickelte sich ein massiver Hype um diese alternative Währung.
Bitcoin und andere digitale Währungen, sogenannte AltCoins, erreichten auf unterschiedlichen Handelsplattformen neue Höchstwerte und wurden als spekulative Geldanlage für eine breitere Öffentlichkeit immer interessanter. Ein goldrauschartiger Hype, der an beste Dot-Com-Zeiten erinnert.
Allen digitalen Währungen liegt dabei eine gemeinsame Technologie zugrunde: die sogenannte Blockchain. Hierbei handelt es sich um ein digitales Verfahren, bei welchem Datensätze dezentral organisiert und aufeinander aufbauend strukturiert werden. Dieses System, auch "Distributed Ledger" genannt, macht alle bis dato gespeicherten Daten so gut wie unangreifbar für virtuelle Angriffe.
Unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto wurde 2008 auf Basis dieser Technologie die erste Form des Bitcoin, der Bitcoin Core entwickelt: die erste Kryptowährung der Welt. Dem Umstand, dass Nakamoto als erstes Proof of Concept der Blockchain-Technologie eine Währung entwickelte, ist es auch geschuldet, dass sich bisher hauptsächlich die Finanzindustrie mit dieser - für sie disruptiven - Technologie auseinander gesetzt hat. So identifizierte die Firmenberatung McKinsey jüngst acht Aspekte, die eine Blockchain leisten kann: Sie bewegt Geld, sie sichert Geld, sie leiht Geld, sie handelt Geld, sie verifiziert Geld.
Dabei liegt der Vorteil digitaler Währungen in ihrem Unabhängigkeitsprinzip. Als Peer-to-Peer-Technologie kann jeder Besitzer einer Kryptowährung diese ohne die Hilfe eines Finanzdienstleisters weiterleiten. Ein Modell, das der globalen Geldelite zu Recht Angst einjagt. Geld zu wechseln und zu tauschen, ohne dabei eine Bank in Anspruch nehmen zu müssen, macht ihr Geschäftsmodell obsolet.
Die Anwendungsmöglichkeiten sind viel umfassender
Tatsächlich sind die Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain jedoch viel umfassender. Denn wenn der Mittelsmann einer Währung, die Bank, nicht mehr notwendig ist, warum sollte dies nicht auch für andere Bereiche gelten? Wenn wir Ideen als Währung eines Kreativen begreifen und der Agentur die Rolle einer Bank, also eines Mittelsmannes zwischen Kunde und Kreativem zuschreiben, so wird die Agentur langfristig als Bindeglied zwischen Kunden und Kreativem überflüssig.
Ein anhaltender Trend könnte diese Entwicklung zusätzlich unterstützen. Laut "Forbes"-Magazin hat die Zahl der Freelancer 2017 die 57 Millionen-Marke durchbrochen. Aktuell stellen diese 36 Prozent aller Arbeitskräfte in den Vereinigten Staaten. Bis zum Jahr 2020 stellen freie Mitarbeiter schätzungsweise 50 Prozent aller Arbeitskräfte. Besonders jüngere Arbeitnehmer entwickeln ein offeneres Verhältnis gegenüber einer freiberuflichen Tätigkeit: Eine Veränderung des Arbeitsmarkts, die vor allem auch für die Kreativbranche zusehends an Bedeutung gewinnt.
Noch sind es die Agenturen und andere kreative Dienstleister, die Engpässe mit freien Kreativen überbrücken. Doch mittels webbasierter Blockchain-Applikationen dürfte sich in Zukunft das Verhältnis zugunsten einer direkten Kommunikation zwischen Kunde und Kreativem ändern.
Aber nicht nur die direkte Kommunikation zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer wird so ermöglicht. Die Blockchain kann die gesamte kreative Wertschöpfungskette mit Hilfe sogenannter Smart Contracts maßgeblich steuern und organisieren. Diese Computerprotokolle unterstützen beziehungsweise ersetzen die Abwicklung und Organisation von Aufträgen und würden innerhalb dieses Systems viele Aufgaben automatisiert ausführen. Traditionelle Arbeitsabläufe, wie wir sie heute kennen, wären nicht mehr notwendig: Die gesamte Organisation findet digitalisiert statt. Der kreative Output jedes Einzelnen wird wie ein AltCoin gespeichert und distribuiert.
Es existieren bereits erste Konzepte für Blockchain-Anwendungen, welche die Effektivität von Werbung messen und als Basis für ein Retainermodell nutzen. In Kombination mit Konzeption und Umsetzung ist ein Modell denkbar, innerhalb dessen Kreative direkt von Kunden beauftragt werden und die Bezahlung sich an der Effektivität ihrer Arbeit orientiert.
Blockchain wird großen Einfluss auf die Gesellschaft haben
Die Blockchain-Technologie wird massiven Einfluss auf jede Industrie und Form des gesellschaftlichen Lebens haben. Dies passiert natürlich nicht von heute auf morgen, aber momentan entstehen neue Anwendungen fast im Tagesrhythmus. So implementierte die Schweizer Stadt Zug, auch bekannt als CryptoValley, mittels der Blockchain den Testpiloten für eine Identifikations-Plattform: die Etherum ID. Die Idee dahinter: Die Bewohner von Zug speichern ihre persönlichen Daten, zum Beispiel ihre Sozialversicherungsnummern, in der Blockchain, um diese dann als Verwaltungstool zu nutzen. Die Etherum ID dient als Grundlage, um Steuern zu erheben, Wahlen durchzuführen oder sich online zu verifizieren.
Ein Zukunftsmodell, wie sich die Gesellschaft weiter digitalisiert und ihre Bereiche durch die Blockchain organisiert. Die Frage ist nicht, ob dies geschieht, sondern eher wann. Wie bei fast jeder Technologie wird es auch bei der Blockchain Zeit brauchen, bis sie ihre disruptive Kraft entfaltet. Indem wir aber bereits heute erkennen, dass wir gerade am Anfang einer neuen digitalen Revolution stehen, können wir aktiv daran teilhaben und die Richtung bestimmen, in die sie uns führt.