Partei FDP als Marke inszeniert

Eine besondere Rolle kommt der herausragenden Kampagne für die FDP zu, die der Partei von Christian Lindner dieses Jahr den Wiedereinstieg in den Bundestag ermöglicht hat. Heimat entwickelte eine neue Sprache für die Liberalen sowie eine stringente Social-Media-Dialektik. Sie zeigte Lindner mal witzig und mal nachdenklich in Schwarz-Weiß-Optik und verschaffte ihm Aufmerksamkeit. Wahlkampfplakate gab es natürlich auch, anders als bei anderen Parteien habe darauf allerdings nie der Fokus gelegen, sagen die Kampagnenmacher. Heimat ist es gelungen, die Partei als Marke zu denken. „Wäre die Bundestagswahl der Superbowl gewesen, diese Kampagne stünde relativ einsam an der Spitze“, sagt Ralf Heuel, Kreativchef der Hamburger Agentur Grabarz & Partner, die nach dem ersten Platz im Ranking 2015 diesmal auf Platz fünf steht.

Hat Heimat dieses Jahr mehr Geld investiert, um auf dem Spitzenplatz zu landen? Nein, sagt der 41-jährige Kreativgeschäftsführer Matthias Storath: „Wir haben weniger Geld in Awards gesteckt, aber mehr Intelligenz in die Aufbereitung investiert. Wir vermarkten unser Produkt besser als früher. Das ist der Unterschied.“ Die Gestaltung der Case-Filme etwa hat die Agentur in die hauseigene Produktionsabteilung verlegt. Storath verantwortet die Kreation an der Seite von Kreativchef und Heimat-Mitgründer Guido Heffels. Der 52-Jährige verkneift sich auch den Seitenhieb auf Diskussionen innerhalb der Agenturbranche nicht, wie jüngst die um ein Plakat des Spirituosenherstellers Fernet Branca in Hamburg: „Man muss sich als Agentur nicht wundern, dass die Branche in so schlechtem Licht gesehen wird. Solche Sachen wie der Fall Fernet-Branca sind ja wirklich Wasser auf die Mühlen der Bedeutungslosigkeit“, sagt Heffels.

Vor drei Jahren haben die Heimat-Gründer Heffels, Matthias von Bechtolsheim und Andreas Mengele die Hauptanteile der Agentur an das Netzwerk TBWA verkauft. Geschadet hat es der Marke nicht, im Gegenteil. Heimat tritt noch immer unter einem starken eigenen Namen am Markt auf. Im Interview kündigen die Kreativchefs Heffels und Storath an, im kommenden Jahr selektiver bei Wettbewerbseinreichungen vorzugehen und manche Awards mit weniger Arbeiten beschicken zu wollen als bislang. Machen sie das tatsächlich, ändert Heimat damit seine Strategie, denn die Agentur war bis dato eine der wenigen deutschen Werbehäuser, die auch bei Wettbewerben einreichten die keine Rolle im jährlichen Ranking spielen.

Die Kritik an Kreativawards wächst seit Jahren, dieses Jahr zogen beispielsweise die Networks Publicis und WPP Konsequenzen: Publicis will im kommenden Jahr nicht in Cannes einreichen, dem international größten Werbefestival, WPP-Chef Martin Sorrell forderte seine Agentur auf, bis Ende dieses Jahres auf die Teilnahme an Wettbewerben zu verzichten. Das dadurch gesparte Geld wollen sie an anderer Stelle einsetzen. 

DDB und Serviceplan in den Top 3

Zurück zum deutschen Ranking: Auf den Plätzen zwei und drei hinter Heimat folgen im Kreativranking DDB – im Vorjahr auf Rang sieben – und die Serviceplan-Gruppe, Vorjahreszweiter und in den vergangenen Jahren regelmäßig unter der Top 3 im Kreativranking vertreten. Interessant ist vor allem die Entwicklung von DDB. Seit einem halben Jahr steht dort mit Dennis May ein verhältnismäßig junger Chefkreateur an der Spitze, der in die Fußstapfen zweier namhafter Kreativer tritt: Amir Kassaei und Eric Schoeffler, die beide heute in anderen Funktionen bei DDB beziehungsweise Havas tätig sind. DDB arbeitet für die Deutsche Telekom und ist eine der VW-Stammagenturen. Die erfolgreichste Arbeit, in Kreativpreisen gemessen, war allerdings eine Anti-Brustkrebs-Kampagne für Pink Ribbon. Für die Organisation postete DDB Fotos von Frauen mit nackten Brüsten auf Facebook, die das Netzwerk normalerweise sofort löscht. Mit einem klugen Slogan: „Check it before it’s removed.“

„Was richtungsweisende Kampagnen angeht, war Deutschland dieses Jahr insgesamt schlechter als sonst“, sagt Dennis May. Das Kreativjahr verlief tatsächlich ruhig, echte Höhepunkte gab es bis auf wenige Ausnahmen, darunter etwa die FDP-Kampagne, nicht. Beim größten Werbefestival in Cannes schnitten die deutschen Agenturen also wenig überraschend schlechter ab als im Vorjahr. Dennoch lobend festzuhalten ist die gestiegene Qualität der deutschen Bewegtbildproduktionen. Auch wenn es an Leuchtturmprojekten mangeln sollte: Die deutschen Kreativen legen hier insgesamt mehr Wert auf Detailarbeit.

Betrachtet man die Namen im Ranking, fällt auf, dass dieses Jahr auch eine Vielzahl von Inhouse-Kreativabteilungen von Unternehmen unter eigener Federführung an Kreativfestivals und -Wettbewerben teilgenommen haben, darunter beispielsweise Zalando und die Deutsche Telekom.

Hier das W&V-Kreativranking 2017 zum Download: Die Top 30 Agenturen

Mehr zum Ranking sowie das Interview mit den Heimat-Kreativchefs lesen Sie in der aktuellen Ausgabe der W&V (50/2017). Im Laufe der Woche veröffentlicht W&V online außerdem die Übersicht über die erfolgreichsten Auftraggeber sowie das Effizienzranking.


Autor: Daniela Strasser

Redakteurin bei W&V. Interessiert sich für alles, was mit Marken, Agenturen, Kreation und deren Entwicklung zu tun hat. Außerdem schreibt sie für die Süddeutsche Zeitung. Neuerdings sorgt sie auch für Audioformate: In ihrem W&V-Podcast "Markenmenschen" spricht sie mit Marketingchefs und Media-Verantwortlichen über deren Karrieren.