GWA Effie Gala:
Standing Ovations für "ein Stück Werbegeschichte"
Die GWA Effie Gala in Frankfurt ist für die Branche ein Familientreffen, bei dem liebevolles Lästern aber auch ehrliches Loben zum guten Ton gehören. Den Grand Prix für Sixt und Jung von Matt feiern alle. Eine Event-Kritik.
Wie sie wieder frotzeln. Zum Niederknien. Das liebevolle Lästern gehört in der Branche einfach zum guten Ton. Eigentlich mögen die Werber, die sich am Donnerstag zu Hunderten im Frankfurter Palmengarten eingefunden haben, den Effie ziemlich gerne, ganz ehrlich. Ist schließlich wie ein Familientreffen. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Der Einladung des GWA sind sie gerne gefolgt.
Aber die Rede von Rainer Esser, Geschäftsführer des Zeitverlags und Medienpartner des GWA Effie, ist doch wieder zu lang, finden Sie nicht? Und die Reichweite dieser Mali-Kampagne von der Bundeswehr ist doch gekauft! Rewe und Zucker – gab es das nicht in UK schonmal? Schließlich: Trägt Dörte Spengler-Ahrens, Chefin von JvM/Saga, wirklich Nike-Schuhe, als sie den Effie in Gold für den BVG-Sneaker von Adidas entgegen nimmt?
Grand Prix für Vertrauen
Es wird viel gelästert, gelobt und diskutiert an diesem Abend. Die Awards, die acht Bronze, 15 Silber und sieben Gold-Effies spielen dabei nur am Rande eine Rolle, während der Show halt. Durch die übrigens wunderbar trocken Michel Abdollahi führt; der Mann ist ein Glücksgriff.
Gut, der Grand Prix. Als Abdollahi ganz am Ende der Show zum finalen Tusch anhebt, stehen drei Vorschläge im Raum: Edekas "Deutscher Supermarkt" (Jung von Matt), weil der Haltung beweist, die FDP-Kampagne von Heimat, die die Kategorie Parteienwerbung neu definiert, Evergreen Sixt als alltime darling. Christoph Pietsch, CMO der DDB-Gruppe in Deutschland, fragt in der umstehenden Runde Favoriten ab.
Es gewinnt: Sixt! "Gute Wahl", finden alle. "Das ist ein Stück Werbegeschichte", sagt Larissa Pohl, die im GWA-Vorstand seit einem Jahr den Effie betreut. Die Grand-Prix-Jury habe die Kombination von Marke und Mut überzeugt, die über Jahre immer wieder neue und überraschende Ergebnisse hervorgebracht habe. Die Entscheidung für Sixt fiel einstimmig.
Zur Preisübergabe treten Jean-Rémy Matt, Erich und Regine Sixt auf die Bühne, es gibt standing ovations. Ein Highlight dieses kurzweiligen Abends. Seit 1984 arbeiten die beiden Herren zusammen, die nun auch schon ein bisschen in die Jahre gekommen sind. Sixt spricht viel von Vertrauen in seiner Dankesrede, lobt von Matt für seine Ideen, das Beharrungsvermögen, die Chuzpe. "So sind wir, Du in Deiner, ich in meiner Branche Marktführer geworden." In kreativer Hinsicht stimmt das für Jung von Matt dieses Jahr sogar. Das Kreativranking 2018 wird die Hamburger Agentur wohl mit Abstand anführen.
Beim Drink an der Bar nach der Show ist das Thema. Dass Sixt von Vertrauen spricht, rührt viele gerade in diesen Tagen, da die meisten Agentur-Kunden-Beziehungen nur noch kurz währen. Über Regine Sixt aber schmunzeln sie. Wer kennt nicht ihr berühmtes Wiesn-Event, für das Jung von Matt früher jedes Jahr die Einladungskarte gestalten musste. Die Abstimmungsschleifen, heißt es, waren der Horror. Unzählige Kreative hätten darunter gelitten. Jung von Matt nahm es in Kauf für einen Kunden, der der Agentur sonst großen kreativen Freiraum ließ.
90 Minuten Abdollahi - mehr davon!
Der GWA hat es in diesem Jahr tatsächlich geschafft, die Award Show in exakt 90 Minuten durchzuziehen. Das neue Konzept, das auch Larissa Pohl schon mitgeprägt hat, kommt bei den Gästen an. Sämtliche Gewinner hat der Werberverband schon Wochen vor der Gala in der Fachpresse veröffentlicht, so dass an diesem 8. November – je nach Farbe mehr oder weniger aufwändig – nur noch kurz die Cases und ihre Erfolgsfaktoren präsentiert werden müssen.
Über den Zustand der Branche, der Stadt und des Weltkreises referieren kurz hintereinander GWA-Präsident Benjamin Minack ("Gemeinsam können wir die Zeitenwende schaffen"), der Frankfurter Stadtrat Markus Frank ("Es sind die Menschen, die Frankfurt zu etwas Besonderem machen") und Zeitverlagschef Esser ("Stärken Sie die freie Presse, stärken Sie die Demokratie! Mit Ihren Anzeigen"), dazwischen frische Töne von Piano und Schlagzeug, das war"s.
Der wahre Schatz des Abends aber ist Michel Abdollahi, der wie sonst selten ein Effie-Moderator die nötige Abgeklärtheit mitbringt, um ein Publikum, das schon alles gesehen hat, zum Lachen zu bringen. Distanziert, aber nicht blasiert, selbstironisch, niemals zynisch, ernsthaft amüsiert gestaltet er den Abend. "Draußen gibt es nichts zu trinken. Bleiben Sie hier!". Oder: "Ich sage Ihnen schon, wann sie zu applaudieren haben." Schließlich: "Ich twitter das mal für Sie. Sie müssen nichts tun."
Außer klatschen, trinken, ratschen. Das Stelldichein nach der Show bringt Menschen zusammen. Am Ausgang unterhalten sich Thomas Eickhoff von Grabarz & Partner und Andreas Winter-Buerke. Die Leute von Kolle Rebbe müssen sich die ganze Zeit für ihren Accenture-Deal erklären. Will Grabarz auch verkaufen? An der Bar aber stehen Ohr an Ohr Mirko Kaminski von Achtung und Thomas Strerath, ehemals Vorstand von Jung von Matt, die sich auf wuv.de noch Stunden zuvor einen virtuellen Schlagabtausch über die Zukunft des Geschäftsmodells Agentur geliefert hatten. Jetzt wirkt ihr Austausch ganz versöhnlich, man müsste Lippen lesen können. Es ist Effie in Frankfurt, Familientreffen. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich. Und alle lieben es.