ADC-Wettbewerb:
Print feiert Comeback: Digitale Katerstimmung beim ADC
28 Gold-, 103 Silber- und 172 Bronze-Nägel: So lautet die zahlenmäßige Bilanz des diesjährigen ADC-Festivals. Die große Überraschung: Print is back. Die Juroren haben plötzlich wieder Lust auf klassische Kampagnen.
28 Gold-, 103 Silber- und 172 Bronze-Nägel: So lautet die zahlenmäßige Bilanz des diesjährigen ADC-Festivals. Die größte Überraschung: Print is back. Die Juroren haben plötzlich wieder Lust auf klassische Kampagnen. Bei den Agenturen schneiden in diesem Jahr Jung von Matt, BBDO, Serviceplan, Heimat und Kolle Rebbe am besten ab.
"Nach all dem digitalen Wahnsinn" gebe es die Sehnsucht nach einer Auszeit, so Heinrich Paravicini, Jurychef des Nachwuchswettbewerbs. Entsprechend konventionell fällt auch das Ergebnis im Hauptwettbewerb aus – zumindest in der Spitze. Den Grand Prix gewinnt das Zeit-Magazin mit seinem „Flüchtlingsheft“, das auf deutsch und arabisch erschienen war. Die Jury fand die Arbeit durch und durch überzeugend. „Das Heft hat uns begeistert und berührt“, sagt die Verlegerin Karin Schmidt-Friederichs, die der Editorial-Jury vorsaß. "Und das nicht vordergründig, sondern konsequent": An dem Magazin habe ein arabischer Journalist mitgearbeitet, ein Flüchtling, der heute bei der "Zeit" arbeitet. „Das ist so nachhaltig“, schwärmt Michael Conrad, der in diesem Jahr den Jurys vorstand: Und so stark, dass die für den Preis ebenfalls diskutierten Kampagnen von Jung von Matt für Edeka („Heimkommen“) und von Serviceplan für den Gitarrenhersteller Gibson "Les Paul" (siehe die beiden Filme unten) am Ende keine Chance auf den Grand Prix hatten.
Ein Print-Magazin holt den Grand Prix beim ADC – damit hätte kein Mensch gerechnet. Das Festival ist immer für Überraschungen gut. Ähnlich konservativ die Liste der zehn meistprämierten Kampagnen: Allein vier Anzeigenkampagnen finden sich darunter, nämlich Robin Wood „Verschwindende Tiere“ von Grabarz & Partner, Berliner Morgenpost „Das ist Berlin“ von Römer Wildberger, Hamburger Abendblatt „Illustrations-Kampagne“ von Oliver Voss und Smart 453 Fortwo "Parkhäuser" von BBDO Berlin. Smart kommt im ADC-Ranking mit zweimal Gold, fünfmal Silber und zweimal Bronze sogar auf Platz eins. „Sie sehen hier eine ungewohnte Machart, unglaublich detailreich und liebevoll umgesetzt“, sagt ADC-Präsident Stephan Vogel, der am Freitag Nachmittag durch die Pressekonferenz führt. Und mehr: „Diese Anzeige produziert Zeit; die Leute nehmen sich Zeit dafür“, so Jury-Präsident Conrad.
Das sind die vier erwähnten Anzeigenkampagnen:
Heimat lieferte wieder zwei Hornbach-Kampagnen, die die Jury überzeugt haben, und natürlich finden sich auch Edekas „Heimkommen“ und „Is mir egal“ von Jung von Matt für die BVG (Berliner Verkehrsbetriebe) unter den Gewinnen, die wie Media-Markts Hasenrasen im Vorfeld schon zu den Favoriten zählten. Ihnen hätte man mehr zugetraut, zumal sich das gesamte Festival mitsamt seinem Kongress in diesem Jahr dem „Battle of Content“ verschrieben hat: Es geht um zukunftsweisende Kommunikationslösungen für eine digitalisierte Welt.
Die Hornbach-Kampagnen überzeugten die Jury:
BVG-Song "Is mir egal" (Jung von Matt):
Sehr stark schnitt auch der IAA-Messeauftritt von Mercedes-Benz ab (Atelier Markgraph): Für ihn gab's drei Goldnägel.
„Alles ist Content", sagt ADC-Präsident Vogel. Im starken Abschneiden der Print-Kategorien sieht er keinen Trend oder gar eine politische Entscheidung. In der Spitze seien die Print-Kategorien eben stark vertreten gewesen, dazu kämen die vielen Craft-Unterkategorien. Betrachte man das Gesamtergebnis seien überall gute digitale Arbeiten zu finden. „Wir wollten allerdings einen Grand Prix haben, der für dieses Jahr steht“, betont seine Kollegin Karin Schmidt-Friederichs. Das klingt nun doch wieder ein bisschen nach Politik.
Immerhin muss sich der ADC in diesem Jahr nicht vorwerfen lassen, ausschließlich soziale Themen in den Vordergrund zu rücken. Auf die Bühne kommen 2016 echte Arbeiten von echten Kunden wie Hornbach, Mercedes-Benz und Media-Markt. Relevanz war ein Thema. „Wir haben trotz der gestiegenen Einreichungen in diesem Jahr nur wenig mehr Nägel als im Vorjahr verliehen“, sagt Vogel. Statt 37 waren es heuer nur 28 goldene Nägel. Dafür gab es statt 92 insgesamt 103 silberne sowie 172 statt 156 bronzene Nägel.
Hier geht's zur Liste mit allen diesjährigen ADC-Gewinnern.
Beim ADC-Nachwuchs entdeckte Heinrich Paravicini drei Trends, die sich in den Arbeiten widerspiegeln: Wahrhaftigkeit, Entrepreneurship und Einmischung. Gerade die Studenten setzten sich nicht nur mit aktuellen Themen auseinander, sondern brächten sich konkreter als in den Jahren zuvor ein, so der Jurychef des Nachwuchswettbewerbs. Und: Auch bei den Jungen stand Print hoch im Kurs. So wurden allein fünf Bücher mit Gold prämiert. Wenig geändert hat sich die Situation bei den Berufsanfängern. Ihre Arbeiten schnitten qualitativ wie schon in den Vorjahren schlechter ab als die der Studenten. Paravicinis Appell an die Agenturen: „Lasst den Talenten mehr Freiheit. Sie wissen, was sie tun.“
ADC-Studenten des Jahres wurden Dorian Lebherz, Madlen Folk, Daniel Titz sowie Joe Valentinitsch für „Dear Brother“. Als ADC-Talent des Jahres darf sich 2016 Leonard Rokita (geehrt für seine Arbeit „Zwischen Design und Protest“) bezeichnen. Und der ADC-Junior des Jahres heißt Viktor Szukitsch, der für seine Arbeit „Nachrichten“ (Scholz & Friends) den Titel bekommen hat. (cob/ph/mw)