Interview:
"Klarheit schaffen": Mirko Borsche über seinen Job als ADC-Chairman
Der Münchner Designer sitzt in diesem Jahr den Jurys der ADC Awards vor. Im W&V-Interview spricht Mirko Bosche über das Motto 2019, KI, Jean-Rémy von Matt und seine Mission für gutes Design.
Wie entstehen Ideen im digitalen Zeitalter? Darum geht es beim diesjährigen ADC-Festival. Der Art Directors Club für Deutschland hat vor wenigen Tagen das Motto zum Festival bekanntgegeben. W&V hat sich darüber mit Mirko Borsche unterhalten, dem Münchner Designer, der dieses Jahr Jury-Chairman ist. Dabei macht Botsche seit 15 Jahren keine Werbung mehr.
Herr Borsche, "Creative Intelligence. Wie Ideen entstehen" ist Leitthema des ADC Festivals 2019. Wie ist da Ihre Erfahrung?
Ideen kommen mir von 9 bis 18 Uhr. Man sollte nicht darauf warten, bis einen die Muse küsst. Ich brauche dafür eine klare Arbeitsatmosphäre.
Dem ADC geht es ja auch eher um die Frage, wie man in digitalen Zeiten auf Ideen kommt. Warum stellt sich die Frage überhaupt?
Ich sehe da auch keinen großen Unterschied: ob analog oder digital. Die Inspirationsmöglichkeiten werden eher größer.
Wie unterscheiden Sie die "kreative" etwa von der künstlichen Intelligenz?
Vor der künstlichen Intelligenz haben alle Angst, dass bald die Maschinen die Ideen machen.
Jean-Rémy von Matt sagt, Technologie schaffe einen Vorsprung, die Idee aber mache den Unterschied. Scheint also etwas zutiefst Menschliches zu sein.
Nein, das kann schon passieren in einer Form, dass Maschinen Ideen produzieren. Um das zu verhindern, sollten Agenturen vermehrt versuchen, nicht mehr nur Ideen zu produzieren, die auf alle Kanäle passen, sondern auf das Medium und die Zielgruppe besser abgestimmt sind. Oder einfach Kanäle weglassen. Nur selten ist eine Idee so einfach zu skalieren und das kann auch eine Maschine.
Ändert sich denn mit der Digitalisierung die Art und Weise, wie Kreative auf Ideen kommen?
Die Geschwindigkeit hat sich verändert. Die Erwartungen sind gestiegen, der Zeitdruck, gleichzeitig sinken die Preise, die eine Agentur aufrufen kann. Werden Ideen dadurch besser? Auf der anderen Seite kann man mehr Spontanes machen, sich ausprobieren.
Könnte sich das nicht auch gegenseitig befruchten? Interagieren von Maschine und Mensch?
Definitiv. CGI, Cinema 4D. Wie Werbefilme zum Beispiel heute umgesetzt werden können, war früher so einfach nicht möglich oder äußerst kostspielig. Da entstehen neue kreative Ansätze, die Technik inspiriert.
Herr Borsche, Sie sind vor fünf Jahren aus dem ADC ausgetreten und jetzt Jury-Chairman. Wie passt das zusammen?
Damals hatte ich das Gefühl, der Club und sein Konzept sind etwas veraltet. Heute sehe ich die Chance, dass sich durch den neuen Vorstand durchaus etwas ändern kann.
Was meinen Sie damit? Was reizt Sie an Ihrer Aufgabe als Jury-Chairman?
Ich schätze Heinrich Paravicini sehr und will ihm als ADC-Präsidenten helfen, etwas zu bewegen. Er hat mich gefragt, ich habe 'Ja' gesagt.
Eine Solidaritätsaktion unter Designern?
Die 70er bis 90er waren geprägt von Konzepttextern und ihren Claims, es war auch die große Zeit von Magazinen und vom Fernsehen. Heute sind Instagram, Netflix, Amazon prägende Plattformen. Instagram insbesondere ist ein rein visuelles Medium, ein schnelles Medium. Um heute eine gute Sichtbarkeit zu haben, braucht man konzeptionell starke Designer. Ich hoffe, dass die Disziplin ihre Wertschätzung gegenüber der klassischen Werbung zurückgewinnt.
Sie selbst sind seit 15 Jahren nicht mehr in der Werbung. Werden Sie die Kollegen in den Jurys respektieren?
Ich denke, das ist unkompliziert, für die meisten Werber bin ich wahrscheinlich ein unbeschriebenes Blatt. Natürlich könnte man befürchten, dass mich der eine oder andere deswegen anfeindet und sagt, mir fehle die Kompetenz. Aber ich sehe meinen Job auch mehr darin, zu vermitteln, Klarheit zu schaffen.
Sie wollen moderieren.
Ich habe den Job jedenfalls nicht angenommen, um mich in ein bestimmtes Licht zu rücken. Ich möchte den neuen Vorstand unterstützen.