Finc 3 und das Popup-Office auf Mallorca:
Jan Bechler: "Upgrade für die Firmenwerte"
Finc-3-Chef Jan Bechler teilt mit den W&V-Lesern, was er und sein Team im Sommerbüro auf Mallorca gelernt haben.
Jan Bechler und seine Agenturtruppe von Finc 3 haben bis Mitte Juli zehn Wochen lang ausprobiert, ob Digitaler auch von Mallorca aus arbeiten können. Bechler reagierte damit unter anderem auf den Trend "New Work", er und sein Team versprachen sich davon unter anderem Employer-Branding-Wirkung und die Möglichkeit für flexibles Arbeiten. Welche Erfahrungen die Digitalagentur mit der "Finca 3" gemacht hat, was gut - und was weniger gut - geklappt hat, teilt Agenturchef Jan Bechler mit den Lesern von W&V.
Sommer in Hamburg. 16 Grad, Nieselregen, graue Wolken. Es fällt uns bei Finc3 nicht schwer, uns zurückzusehnen nach Portocolom. In dem kleinen Küstenort im Osten von Mallorca hatten wir bis Mitte Juli unser Sunshine Office "Finca 3". Ein typisch spanisches Haus mit zwölf Betten, einer großen Terrasse, passabel schnellem Internetzugang und einem Pool, alles nur 200 Meter entfernt vom Strand an der Cala Marcal.
Zehn Wochen lang durften unsere gut 70 Kollegen für einen begrenzten Zeitraum die Finca 3 nutzen, um ihre Agenturarbeit mit dem Gefühl von Sonne, Strand und Urlaub zu verbinden – ein Prinzip, das wir "Workation" nennen.
Unsere wichtigsten Erfahrungen und was wir daraus gelernt haben.
Starker Employer-Branding-Effekt
Schon die Ankündigung der Idee hat für überraschend viel Aufmerksamkeit gesorgt. Wir haben unterschätzt, welche starken Effekt die Idee in puncto Employer Branding haben kann. Wir sind von Mitarbeitern anderer Unternehmen angesprochen worden, die auf Finc3 als Agenturgruppe und unsere (auch über die Finca-Idee hinaus) Unternehmenskultur und Führung aufmerksam geworden sind.
Ein temporäres Sommerbüro in Spanien sollte nicht der Hauptgrund sein, sich bei Finc3 zu bewerben – ein guter erster Anlass, sich kennenzulernen und erste Gespräche zu führen, ist es aber allemal.
Gleichzeitig haben sich knapp 20 Firmen bei uns gemeldet, die die Idee spannend finden und mehr darüber erfahren wollten, um zu prüfen, ob es auch ein Modell für sie sein kann.
Produktivität bleibt hoch
Die größte Sorge vieler Firmen, die uns kontaktiert haben, war, dass bei einem solchen Modell die Produktivität der Mitarbeiter stark leiden würde. Wir waren da optimistisch, da wir in der Vergangenheit mit Home-Office oder Mitarbeitern, die temporär zum Beispiel aus ihrem Heimatland gearbeitet haben, durchweg positive Erfahrungen gemacht haben. Als Agentur, bei der Mitarbeiter für die Abrechnung gegenüber unseren Kunden ihre Arbeit dokumentieren müssen, können wir das gut verfolgen.
Tatsächlich hat sich die Anzahl der produktiven Stunden nur minimal verringert, unsere Kunden berichten uns, dass sie keinerlei Qualitätseinbußen verzeichneten. Gleichzeitig hat die Tatsache, dass Mitarbeiter gemeinsam auf der Finca gewesen sind, die sonst im Tagesgeschäft wenig bis gar nicht zusammen auf Projekten arbeiten, zu unerwartet hoher Kreativität und neuen Ideen oder Projekten geführt. Diesen ungeplanten Austausch und seine Effekte hatten wir so vorab nicht erwartet.
Große Nachfrage seitens der Mitarbeiter
Bei uns im Team war die Begeisterung unmittelbar nach der Ankündigung überragend groß. Gleichzeitig haben wir gelernt, dass die Idee – so verlockend sie für manchen auch klingt – nicht für jeden attraktiv ist.
Bei aller Euphorie über New Work, neue Arbeitsmodelle und Ortsunabhängigkeit gibt es eben auch Mitarbeiter, die weniger Bedarf an dieser Flexibilität haben und Job und Privatleben stärker trennen möchten; für sie ist die Vorstellung, gemeinsam mit Kollegen nicht nur zu arbeiten, sondern temporär auch zusammen zu wohnen, nicht so attraktiv.
Insgesamt hat etwa die Hälfte des Teams das Angebot in Anspruch genommen.
Kundenworkshops gestalten sich schwierig
Bei vielen Dingen, die sehr gut funktioniert haben, müssen wir auch erkennen, dass ein Auslands-Büro nicht alle Arbeitsbereiche ausfüllen kann.
Wir verbringen viel Zeit in ein- oder zweitägigen Strategieworkshops mit unseren Kunden. Wir hatten erwartet, dass wir eine Reihe solcher Workshops auch vor Ort auf Mallorca durchführen könnten, zumal Reisekosten (und -zeit) für einen Kunden, der aus München anreist, für einen Trip nach Mallorca häufig sogar geringer sind als für einen Besuch in Hamburg.
Obwohl wir von allen Kunden, mit denen wir über das Projekt Finca 3 gesprochen haben, grundsätzlich sehr positives Feedback bekommen haben, hat aus tatsächlichen oder vermuteten Compliance-Gründen kein Kunde das Angebot angenommen.
Stattgefunden haben die Workshops natürlich trotzdem – aber eben in Hamburg, beim Kunden oder immer häufiger virtuell über Skype, Microsoft Teams oder Hangout.
Fazit
Das Experiment hat funktioniert: Wir konnten einem unserer Firmenwerte "We offer highest flexibility regarding time and place of work" ein Upgrade verpassen und sind uns ziemlich sicher, dass wir das Projekt wiederholen werden.
Ob es wieder die Finca auf Mallorca sein wird, eine schöne Wohnung in einer anderen europäischen Metropole mit angeschlossenem Co-Working-Space oder etwas ganz anderes, werden wir uns in den kommenden Wochen überlegen.
Dabei werden wir vor allem darauf achten, wie unser Sommer-Office erreichbar sein wird. Denn auch wenn wir für jeden Flug zur Finca 3 entsprechende CO2-Kompensationen gekauft haben, wissen wir, dass für immer mehr Mitarbeiter nicht nur die Mitarbeiter-Benefits, sondern auch der ökologische Fußabdruck ihres Arbeitsplatzes an Bedeutung gewinnen.